SDG_15_Option_15_10_pdf_20231119_182410.txt

Optionen
und
Maßnahmen
Österreichs Handlungsoptionen
zur Umsetzung
der UN-Agenda 2030
für eine lebenswerte Zukunft.
UniNEtZ –
Universitäten und Nachhaltige
Entwicklungsziele
Optionen und Maßnahmen1
15_10 / Neudenken des Bodenschutzes15_10Autor_innen:
Ecker, Daniela ( Johannes-Kepler-Universität Linz, In –
stitut für Umweltrecht ); Wagner, Erika ( Johannes-Kep –
ler-Universität Linz, Institut für Umweltrecht )Neudenken des Bodenschutzes
23 15_10 .1 Ziele der Option
3 15_10.2 Hintergrund der Option
7 15_10.3 Optionenbeschreibung
7 15_10.3.1 Beschreibung der Option bzw. der zugehörigen Maßnahmen
bzw. Maßnahmenkombinationen
8 15_10.3.2 Erwartete Wirkweise
9 15_10.3.3 Bisherige Erfahrungen mit dieser Option oder ähnlichen
9 15_10.3.4 Zeithorizont der Wirksamkeit
9 15_10.3.5 Vergleich mit anderen Optionen,
mit denen das Ziel erreicht werden kann
9 15_10.3.6 Interaktionen mit anderen Optionen
9 15_10.3.7 Offene Fragestellungen
10 LiteraturInhalt
Optionen und Maßnahmen315_10.1 Ziele der Option
Ein Bodenschutz-Rahmengesetz soll ein einheitliches
Schutzkonzept in allen Bundesländern bieten und in qualitativer und quantitativer
Hinsicht nach einheitlichen Kriterien zu bemessende Schutzstandards festlegen.
Ein umfassendes Neudenken des Bodenschutzes in qualitativer und quantitativer
Hinsicht ergibt sich vor dem Hintergrund der bisher noch nicht anwendbaren, aber
demnächst anzuwendenden LULUCF-Verordnung1. Die isolierte Umsetzung in
Forstgesetz, Bodenschutzgesetz, Naturschutzgesetz, Raumordnungsgesetz und
Bauordnungsgesetz führt zu einer Vielzahl unterschiedlicher Regelungen in den
Bundesländern. Dabei ist nicht gewährleistet, dass diese gesetzgeberische Aktivi –
tät den aus ökologischer Sicht zu verfolgenden Schutzstandard verwirklicht. Schon
daraus zeigt sich, dass die geltende Kompetenzverteilung massive Effizienzverlus –
te in Kauf nimmt.
Alternativ zum einem Bodenschutz-Rahmengesetz,
das mit einer Änderung der Bundesverfassung2 einhergehen und den Bodenschutz
als Materie des Art 12 B-VG verankern würde (Rahmengesetz des Bundes, Ausfüh –
rungsgesetze der Länder), wäre eine Art 15a B-VG Vereinbarung zum Bodenschutz
denkbar. Dabei handelt es sich jedoch um keine echte Alternative, sondern um den
schwächsten Kompromiss in Sachen Vereinheitlichungsbestrebungen.
15_10.2 Hintergrund der Option
Bodenschutz ist eine grundlegende Aufgabe zur Si –
cherung der Nachhaltigkeit. Österreich weist im Vergleich in der Europäischen Uni –
on (EU) die dritthöchsten relativen Bodenverluste durch Wassererosion (Prozent –
anteil von Flächen mit Bodenverlusten über 10 Tonnen pro ha und Jahr (European
Union, 2020) und eine Flächeninanspruchnahme von 44 km² pro Jahr auf (rund die
Fläche von Eisenstadt), oder 12 ha pro Tag auf (Umweltbundesamt, 2020).
Die derzeitige Rechtslage im Rahmen des Boden –
schutzes ist stark zersplittert (Holzer, 2019). „ Das aktuelle Bodenschutzrecht
präsentiert sich demnach mehrheitlich als unübersichtlicher und zersplitterter
Rechtsbestand mit hoher Differenzierung, der erst einmal vollständig durchdrun –
gen werden will. “ (Norer, 2019, S. 57 f.)
Sie ist geprägt durch die Sicht des Rechts, Flächen in
Österreich nach unterschiedlichen Gesichtspunkten zu behandeln. Dazu gehört die
Sicht auf den Boden unter dem Gesichtspunkt der Forstwirtschaft, des Wasser –
rechts, der Landwirtschaft, des Baurechts, des Naturschutzes und der Raumord –
nung. Sämtliche dieser Materien sind im Bereich des Bodenschutzes ungenügend
bzw. tragen dem Gedanken eines umfassenden Bodenschutzes unzureichend
Rechnung. Im aktuellen österreichischen Regierungsprogramm nimmt sich die
Bundesregierung vor, eine österreichweite Bodenschutzstrategie festzulegen3.
1 Verordnung (EU) 2018/841 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2018
über die Einbeziehung der Emissionen und des Abbaus von Treibhausgasen aus Landnutzung,
Landnutzungsänderungen und Forstwirtschaft in den Rahmen für die Klima- und Energiepolitik
bis 2030 und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 525/2013 und des Beschlusses Nr.
529/2013/EU (Text von Bedeutung für den EWR), ABl L 156 vom 19.6.2018, 1-25.
2 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), StF: BGBl Nr 1/1930 (WV) idF BGBl I Nr 194/1999 (DFB);
zuletzt geändert durch BGBl I Nr 24/2020.
3 „Mit einer österreichweiten Bodenschutzstrategie werden gemeinsam mit den
Bundesländern Grundsätze zur Reduktion des Flächenverbrauchs und zur Verbesserung der
Bodenqualität festgelegt. Bei Fachplanungen des Bundes werden raumplanerische Aspekte des
15_10 / Neudenken des BodenschutzesDas Bodeninformationssystem BORIS des Umweltbun –
desamtes beinhaltet lediglich Angaben zu Standorten, Bodenprofilen und Daten
chemischer, physikalischer und mikrobiologischer Analysen. Dieses Informations –
system hält damit nur den Status quo fest, ohne Sanierungspflichten, Sanktionen
oder Vermeidungspflichten hinsichtlich der Bodenqualität auszusprechen. „ Es sind
[…] nahezu keine Fälle bekannt , in denen ein Nutzungsverbot wegen zu hoher
Schadstoffgehalte oder Klärschlamm- oder Kompostaufbringung ausgesprochen
werden musste “. (Norer, 2019, S. 59)
Neben zahlreichen internationalen Abkommen, die
non-self-executing sind und daher vom Staat selbst umzusetzen sind (Europäische
Bodencharta 1972, Weltbodencharta 1982, Weltbodenstrategie 1982, Kyoto-Pro –
tokoll 1997, Übereinkommen über die biologische Vielfalt 1992, Übereinkommung
zur Bekämpfung der Wüstenbildung 1994 (Kern, 2020; Lee, 2008; Norer, 2019))
existiert der Entwurf einer Bodenschutz-Rahmenrichtlinie4 der EU.
Schon die Europäische Bodencharta aus 1972 enthält
12 Punkte des qualitativen und quantitativen Bodenschutzes, die die lebenswichti –
ge Bedeutung des Bodens für die Menschheit definieren. Diese 12  Punkte wären
in Gesetzen konkret und effektiv umzusetzen. Die Europäische Kommission hat
im Jahr  2006 gemeinsam mit ihrer thematischen Bodenschutzstrategie einen Vor –
schlag für eine Bodenrahmen-Richtlinie vorgelegt. Diese Bodenschutz-Rahmen –
richtlinie der EU ist jedoch im Jahr 2006 gescheitert. Neuerliche Anläufe werden
seither nicht mehr unternommen.
Der qualitative Schutz des Bodens im Rahmen der
landwirtschaftlichen Nutzung wird über die Vorgaben des cross-compliance und
des sogenannten greenings im Zuge des Förderwesens der Gemeinsamen Agrar –
politik (GAP) gem äß Art 39 AEUV5 hergestellt. Beim cross-compliance wird von
der Erhaltung der landwirtschaftlichen Flächen in gutem landwirtschaftlichem und
ökologischem Zustand gesprochen. Ergänzend dazu ist eine Verpflichtung zur
Grünlanderhaltung vorgesehen. Als Instrument der Gemeinsamen Agrarpolitik wur –
den ferner Direktzahlungen/Beihilfen unter dem Titel des sogenannten greenings6
eingeführt, die für klima- und umweltschutzfördernde Landwirtschaftsbewirtschaf –
tungsmethoden stehen (Norer, 2019).
Weitere Vorgaben, die über jene des cross-compli –
ance und des greenings hinausgehen, ergeben sich aus dem Österreichischen
Programm zur Förderung einer umweltgerechten, extensiven und den natürlichen
Lebensraum schützenden Landwirtschaft ( ÖPUL ).
Der Europäische Bodenschutz ist demnach haupt –
sächlich über die EU-Agrarpolitik einigermaßen hergestellt, wobei zu analysieren
wäre, inwiefern im Vollzug vieler Maßnahmen der Privatwirtschaftsverwaltung noch
ökologisches Verbesserungspotential besteht.
44 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung
eines Ordnungsrahmens für den Bodenschutz und zur Änderung der Richtlinie 2004/35/EG,
KOM(2006) 232 endgültig.
5 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, StF: BGBl III Nr 86/1999; zuletzt
geändert durch BGBl III Nr 171/2013.
6 Verordnung (EU) Nr 1307/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom
17. Dezember 2013 mit Vorschriften über Direktzahlungen an Inhaber landwirtschaftlicher
Betriebe im Rahmen von Stützungsregelungen der Gemeinsamen Agrarpolitik und zur
Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 637/2008 des Rates und der Verordnung (EG) Nr. 73/2009
des Rates, ABl L 347 vom 20.12.2013, 608-670; zuletzt geändert durch die Delegierte
Verordnung (EU) 2020/1314 der Kommission vom 10. Juli 2020, ABl L 307 vom 22.9.2020, 1-3.
Optionen und MaßnahmenFerner ist das Protokoll zur Durchführung der Alpen –
konvention von 1991 im Bereich Bodenschutz – Protokoll Bodenschutz zu erwäh –
nen, dass von Österreich (BGBl III 235/2002 idgF BGBl III 111/2005) und der EU
(Beschluss 2006/516/EG) ratifiziert wurde. In Österreich wurde die Ratifikations –
urkunde am 14.  August 2002 hinterlegt. Das Protokoll Bodenschutz enthält für den
alpinen Raum die Grundverpflichtung, Maßnahmen zu ergreifen, um den Schutz der
Böden im Alpenraum sicherzustellen (Art 2 Abs 1). Der Boden ist in seiner natür –
lichen Funktion nachhaltig in seiner Leistungsfähigkeit zu erhalten und die öko –
logischen Bodenfunktionen langfristig qualitativ und quantitativ zu sichern und zu
erhalten (Art 1 Abs 2). Hierbei kommt dem Vorsorgeprinzip besondere Bedeutung
zu (Art 1 Abs 5). Das Protokoll Bodenschutz enthält die Verpflichtung der Mitglied –
staaten, bei der Erstellung und Umsetzung der Pläne und Programme die Belange
des Bodenschutzes zu berücksichtigen und einen sparsamen Umgang mit Böden
(Begrenzung der Versiegelung) und ein bodenschonendes Bauen zu gewährleisten
(Art 7 Abs 1 und 2). Nicht mehr genützte Böden von Altstandorten sind zu rena –
turieren und zu kultivieren (Art 7 Abs 4). Dort wo geologische, hydrogeologische
und hydrologische Risken bestehen, müssen Gefahrenzonen ausgewiesen werden
(Art 10 Abs 1). Im alpinen Raum verpflichten sich die Vertragsparteien zudem, eine
ackerbauliche, weidewirtschaftliche und forstwirtschaftliche Praxis anzuwenden,
die den Einsatz mineralischer Düngemittel und synthetischer Pflanzenschutzmit –
tel sowie Klärschlamm minimiert (Art 12 Abs 1 und 3). Ansonsten ist die Düngung
nach Art, Menge und Zeit nach den Standort- und Anbaubedingungen auszurichten
(Art 12 Abs 2). Insgesamt enthält das Bodenschutzprotokoll zahlreiche sinnvolle
Vorgaben, die sich in dieser Deutlichkeit im nationalen Recht nicht wiederfinden.
Die Bestimmungen des Bodenschutzprotokolls sind uE unmittelbar anwendbar und
haben daher Rückwirkungen auf das nationale Recht. Dieser Umstand wird derzeit
in Gesetzgebung und Vollziehung sowohl vom Bund als auch den Ländern nicht in
der international geschuldeten Form beachtet.
Auf der Ebene der nationalen Gesetze stellt sich
die Situation wie folgt dar:
Die nach Gesichtspunkten getrennte Betrachtung des
Bodens, die aus der staatlichen Kompetenzverteilung7 zwischen dem Bund und den
Ländern resultiert, führt zu zahlreichen Schutzdefiziten im Bereich des Bodenschutzes:
Das Wasserrecht enthält zahlreiche Privilegien in
Bezug auf den Umgang mit landwirtschaftlichen Einträgen in die Böden, die das
Grundwasser beeinträchtigen. So enthält § 32 Abs 1 S 2 iVm Abs 7 WRG das
sogenannte Landwirtschaftsprivileg , wonach bloß geringfügige Einwirkungen, ins –
besondere […] die ordnungsgemäße land- und forstwirtschaftliche Bodennutzung
bis zum Beweis des Gegenteils nicht als Beeinträchtigung gelten. Allerdings lässt
die bisherige europarechtliche Judikatur8 zum Wasserrecht erschließen, dass viele
Landwirtschaftsprivilegien nicht europarechtskonform sind, da sie mit dem wasser –
rechtlichen Verschlechterungsverbot in Widerspruch stehen.
Viele der Böden sind auf Grund der zu starken
landwirtschaftlichen Nutzung mit Nitrateinträgen derart belastet, dass die ein –
schlägigen Grenzwerte für das Grundwasser überschritten sind. Auch diesfalls
hat der Europäische Gerichtshof (EuGH)9 jüngst ausgesprochen, dass betroffene
Grundeigentümer _innen und Brunnenbesitzer_innen nach der Aarhus-Konvention10
57 Art 10 bis 15 des B-VG.
8 EuGH 28. Mai 2020, C-535/18, Vorabentscheidungsersuchen des
Bundesverwaltungsgerichts, IL ua gegen Land Nordrhein-Westfalen .
9 EuGH 3.10.2019, C-197/18, Wasserleitungsverband Nördliches Burgenland ; Fuchsberger/E.
Wagner , Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen
Quellen, RdU 2020/24, 31 ff.
15_10 / Neudenken des Bodenschutzesdie Grenzwertüberschreitungen reklamieren können müssen .
Die qualitative Komponente des Bodenschutzes iZm
der landwirtschaftlichen Nutzung ist vor allem in den Bodenschutzgesetzen der
Länder geregelt. Diese finden sich in 6 Bundesländern: Burgenland Bodenschutz –
gesetz (LGBl  87/1990 idgF LGBl 76/2019), Niederösterreich Bodenschutzgesetz
(LGBl 6160-0 idgF LGBl 40/2019), Oberöstereich  Bodenschutzgesetz (LGBl
63/1997 idgF LGBl  55/2018), Salzburg Bodenschutzgesetz (LGBl 80/2001 idgF
LGBl 31/2009), Steiermark  landwirtschaftliches Bodenschutzgesetz (LGBl 66/1987
idgF LGBl 8/2004), Vorarlberg  Gesetz zum Schutz der Bodenqualität (LGBl
26/2018) (Norer & Holzer, 2018). Diese Gesetze sind zum Teil durch Verordnungen
detaillierter konkretisiert, darüber hinaus existieren Klärschlamm- und Kompost –
gesetze bzw. -verordnungen: Bgld. Bodenerosionsverminderungsverordnung (LGBl
92/2019), Bgld. Klärschlamm- und MüllkompostV (LGBl 82/1991 idgF LGBl  4/2001),
Krnt. Klärschlamm- und KompostV (LGBl 74/2000 idgF LGBl 5/2004), Nö. Klär –
schlammV (LGBl 6160/2-0 idgF LGBl 6160/2-5), Oö. KlärschlammV (LGBl  62/2006),
Sbg Klärschlamm-BodenschutzV (LGBl 85/2002 idgF LGBl 74/2016), Stmk.  Boden –
schutzprogrammV (LGBl 87/1987 idgF LGBl 11/1988), Stmk.  KlärschlammV (LGBl
89/2007 idgF LGBl 94/2007), §§ 8 und 9 Tir Feldschutzgestz (LGBl 58/2000 idgF
LGBl 56/2002), Vbg.  Bodenqualitätsverordnung (LGBl 77/2018), Wr Gesetz über
das Verbot der Ausbringung von Klärschlamm (LGBl 08/2000).
Die diversen Bodenschutz- sowie Klärschlamm- und
Kompostgesetze bzw. -verordnungen der Länder gewährleisten keinen umfas –
senden Schutz sämtlicher Gesichtspunkte, sondern beruhen auf der isolierten
Betrachtungsweise der landwirtschaftlichen Nutzung. Zudem bedrohen der Ein –
satz von chemisch-synthetischen bzw. human-/ökotoxischen Pflanzenschutz- und
Düngemitteln unsere Biodiversität (u. a. Insektensterben), in letzter Konsequenz
jedoch auch unsere Gesundheit.
Der Naturschutz der Länder trägt dem Schutz des Bodens lediglich in Natura
2000 -Gebieten und im Grünland Rechnung.
Die Raum- und Bauordnungen der Länder sind völlig
unterschiedlich. Die Rechtslage enthält momentan ungenügende Maßnahmen, um
dem quantitativen Bodenverbrauch entsprechend Rechnung zu tragen. Bau- und
Raumordnungen der Länder wirken dem Ziel des quantitativen Flächenverbrauchs
nur ungenügend entgegen, da etwa Neubauten und Betriebsansiedelungen un –
mittelbare finanzielle Vorteile für Städte und Gemeinden nach sich ziehen. Hier
bestehen Anreize nicht für sparsamen Umgang mit der Fläche, sondern für deren
verschwenderische Nutzung. Der erwünschte Machterhalt der Länder in Hinblick
auf das Baurecht wirkt sich abermals schädlich auf die Umwelt aus, da Bürger –
meister_innen als Organe der örtlichen Raumplanung den auf sie lastenden Druck
seitens Industrie, Wohnbedarf, Tourismus und Landwirtschaft oftmals ungenügend
abwehren. Damit geht der Druck in Richtung Versiegelung, die aus ökologischen
Gründen aber höchst bedenklich ist.
610 Übereinkommen von Aarhus über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung
an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten, BGBl III Nr
88/2005.
Optionen und Maßnahmen15_10.3 Optionenbeschreibung
15_10 .3.1 Beschreibung der Option
bzw. der zugehörigen Maßnahmen
bzw. Maßnahmenkombinationen
Maßnahme 1: Entwicklung und Verabschiedung
eines Bodenschutz-Rahmengesetzes
Die Ausarbeitung eines Bodenschutz-Rahmenge –
setzes sprengt den Rahmen dessen, was im Projekt UniNEtZ realistischer Weise
geleistet werden kann. Es bedürfte eines eigenen Projekts, um ein derartiges bun –
deseinheitliches Bodenschutzgesetz ins Leben zu rufen, das höchst sinnvoll wäre.
Es hat sich im Rahmen der Veröffentlichung des Perspektivenberichts des SDG 15
zu diesem Thema gezeigt, dass maßgebliche Proponent_innen des Bodenschutz –
rechts in Österreich eine konventionelle landwirtschaftsorientierte Linie vertreten
und von daher eine davon losgelöste und an der Ökologie orientierte Sichtweise
durchaus wichtig wäre.
Das Bodenschutz-Rahmengesetz sollte unter Einbin –
dung des Fachbeirats für Bodenfruchtbarkeit und Bodenschutz entwickelt werden.
Hier wird besonders auf Vorarbeiten der Subarbeitsgruppe Boden und Nachhaltige
Entwicklungsziele innerhalb der Arbeitsgruppe Boden und Umwelt verwiesen, die
einen umfassenden Bericht zu Boden und nachhaltige Entwicklungsziele – Emp –
fehlungen zur Umsetzung in Österreich veröffentlicht haben.
Der bisherige Instrumentenmix aus Raumordnungs –
gesetzen, Bauordnungen, Bodenschutzgesetzen, Naturschutzgesetzen, Wasser –
recht etc. ist vor dem Hintergrund der rasanten Erderwärmung (Kromp-Kolb, 2019)
ungenügend. Es fehlt an einer sachlich-thematischen Koordination, aber auch an
bundeseinheitlichen Schutzstandards. Maßgeblich wäre es, Leitprinzipien für den
Bodenschutz zu konkretisieren: Diese sind zum Teil in der Europäischen Bodenchar –
ta, zum Teil in der thematischen Bodenschutzstrategie der Europäischen Kommissi –
on (siehe jeweils dazu oben) enthalten. Die Vorgaben im Rahmen der Gemeinsamen
Agrarpolitik und der flankierenden nationalen Subventionen wollen zwar dem quali –
tativen und quantitativen Bodenschutz Rechnung tragen, enden aber dort, wo es um
nichtlandwirtschaftliche Flächen geht. Der quantitative Bodenschutz hat bisher kaum
normative Instrumente. Notwendig ist eine Gesamtstrategie (Holzer, 2019).
Das wichtigste Prinzip des Bodenschutzes muss die
Nachhaltigkeit sein, insbesondere die Dimensionen, die der Bodenschutz durch
seine Vernetzung zu SDG 2, 3, 6, 9, 11, 13 und 15 hat.
Ein Bodenschutz-Rahmengesetz hat die qualitative
und quantitative Situation zu berücksichtigen. Qualitativ sind dabei die gesamten
Bodenschutzgesetze samt Nebengesetzen bzw. -verordnungen der Länder mitein –
zubeziehen, quantitativ auch die gesamten Bauordnungen und Raumordnungen
der Länder – dies alles vor dem Hintergrund der bisher noch nicht anwendbaren,
aber demnächst anzuwendenden LULUCF-Verordnung.
Umgekehrt ist Österreich für die Verbuchung der Flä –
chenkategorien der LULUCF-Verordnung (Verbuchung von Emissionen und Abbau
der Treibhausgase in den Flächenkategorien aufgeforstete Flächen, entwaldete
Flächen, bewirtschaftete Ackerflächen, bewirtschaftetes Grünland, bewirtschafte –
te Waldflächen und ab 2026 bewirtschaftete Feuchtgebiete) und die Fortschritte
in diesem Bereich europarechtlich verantwortlich. Auch für den Fall, dass von
Flexibilisierungselementen der LULUCF-Verordnung (Übertragungen zwischen den
Mitgliedstaaten) Gebrauch gemacht wird, bedarf es einer Gesamtbetrachtung.
7
15_10 / Neudenken des BodenschutzesFür den quantitativen Bodenverbrauch in den nicht
der LULUCF-Verordnung unterliegenden Bereichen (z. B. Bauland, Industriegebie –
te) bedarf es der Festlegung von fachlichen Kriterien, die das maximal zulässige
Höchstmaß an quantitativer Bodenversiegelung festlegen.
Freilich könnte man den bisherigen Weg fortschreiten
und sämtliche Instrumente, die die Rechtsordnung parat hält, nach der Art eines
„Instrumentenmixes “ (Holzer, 2019, S. 87-88) mobilisieren und so die Zersplitterung
im Bodenschutz wiederum fortschreiben. Das erscheint im Sinne der Konsistenz
des Bodenschutzes wenig sinnvoll. Vorgeschlagen wird daher der Weg eines Bo –
denschutz-Rahmengesetzes, das auf Bundes- und Landesebene Vorgaben für alle
Materienbereiche schafft.
Zu verweisen ist auf die Option Ökologisierung der
Landnutzung – Boden im Rahmen des SDG 15, die u. a. folgende ökologische
Eckpunkte berücksichtigt, die es auch in einem Bodenschutz-Rahmengesetz zu
beachten gilt: Bodenerosion, Hangrutschung, Verdichtung, Verlust von organischer
Substanz, Biodiversitätsverlust im Boden, Versauerung, Kontamination, Nährstoff –
ungleichgewicht etc.
Maßnahme 2: Mehr Transparenz bei der Genehmigung
von Pflanzenschutzmitteln bzw. -wirkstoffen sowie schrittweiser Ausstieg aus che –
misch-synthetischen bzw. human-/ökotoxischen Pflanzenschutz- und Düngemitteln
Ergänzend zu einem konsistenten Bodenschutz-Rah –
mengesetz bedarf es einer erhöhten Transparenz in Genehmigungsverfahren von
Pflanzenschutzmitteln bzw. -wirkstoffen sowie dem schrittweisen Ausstieg aus der
Verwendung von chemisch-synthetischen bzw. human-/ökotoxischen Pflanzen –
schutz- und Düngemitteln im Sinne des Vorsorgeprinzips in sämtlichen Sektoren
hin zu einer Ökologisierung (Ecker, 2017).
Die Forderung nach erhöhter Transparenz ergibt sich
daraus, dass die Produktion von Lebensmitteln kein zweipersonales Verhältnis
zwischen Pflanzenschutzmittelindustrie und -verwender_in ist, sondern letztlich
Landwirt_innen (in jeder Form der Produktion) für die Konsument_innen produzie –
ren und diese als Verbraucher_innen sowohl im Rahmen der Zulassung als auch
im Rahmen der Verwendung einen umfassenden Zugriff auf Informationen haben
müssen. Zu denken ist insbesondere an Restrisiken mancher Pflanzenschutzmittel
bzw. -wirkstoffe. Eine Versachlichung der Diskussion auf der Basis wissenschaft –
licher Erkenntnisse ist angebracht, in der die Interessen der Natur, der Konsument_
innen und der Landwirt_innen in angemessener Weise Berücksichtigung finden.
Offene Forschungsfragen sind, auf welche Pflanzen –
schutzmittel bzw. -wirkstoffe nicht verzichtet werden muss, da sie für Boden, Biodi –
versität, Luft, Wasser und die menschliche Gesundheit mit keinerlei Gefahren und
Restrisiken verbunden sind und durch welche Maßnahmen mit Risiken behaftete
Verfahren und Substanzen ersetzt werden können. Fehlen solche Gefahren und
Restrisiken, so besteht kein Grund und wäre es wohl auch realitätsfern, auf der –
artige Substanzen und Maßnahmen zu verzichten.
15_10 .3.2 Erwartete Wirkweise
Zu erwarten ist u. a. eine Verbesserung der CO2-Bi-
lanz und der Zersiedelung, aber auch die Erhöhung der Bodenqualität, eine Re –
duktion an versiegelten Flächen, der verringerte Einsatz von Pflanzenschutz- und
Düngemitteln, die bessere Bodenzusammensetzung, eine verbesserte Grundwas –
serqualität und ein verbesserter Schutz der Grundwasserkörper, der Aufbau von
hochwertiger Humusschicht sowie positive Auswirkungen auf den Artenschutz.
8
Optionen und Maßnahmen15_10 .3.3 Bisherige Erfahrungen mit dieser
Option oder ähnlichen Optionen
Wesentliche Teile (bzw. die Grundannahmen) des
Landwirtschaftsrechtes und des Raumordnungsrechtes stammen aus einer Zeit,
in der Nachhaltigkeit, insbesondere Umwelt-, Klima- und Biodiversitätsschutz
keine Themen waren. Es ist daher wichtig, diese Gesetzesmaterien ohne Denk –
verbote grundsätzlich zu überarbeiten und Entwicklungen wie den biologischen/
ökologischen Landbau, die Vorteile kleinräumiger Strukturen, Resilienzfragen statt
ausschließlich Effizienzfragen etc. mitzudenken. Die Dramatik der Erderwärmung
muss die Einsicht schaffen, die den sprichwörtlichen Boden für die Diskussion
aufbereitet und Sprech- und Denkverbote verbannt. Im mittel- und langfristigen
Interesse ihrer Klient_innen sollte dies ein primäres Anliegen der Interessensver –
tretungen der Landwirt_innen sein.
15_10 .3.4 Zeithorizont der Wirksamkeit
Ein weiteres Zuschauen ist auf Grund des dramati –
schen Fortschritts des Bodenverlustes in quantitativer und qualitativer Hinsicht
mehr als problematisch. Insofern erschiene eine Beibehaltung des Status quo
mehr als unangebracht.
15_10 .3.5 Vergleich mit anderen Optionen,
mit denen das Ziel erreicht werden kann
Die Alternative zum vorgesehenen Rahmengesetz
wäre ein Instrumentenmix, der im Rahmen der bundes- und landesrechtlichen
Materien zum Einsatz kommt. Ein solcher Instrumentenmix ist aber nur dann sinn –
voll, wenn er komplementär aufeinander abgestimmt arbeitet und auf einheitlichen
Zielsetzungen beruht. Da sich aber derartige Zielvorgaben an die Länder nicht
verbindlich durch ein Bundesgesetz vorgeben lassen, könnte die Alternative in
einer Art 15a-Vereinbarung zwischen Bund und Länder über Prinzipien des Boden –
schutzes liegen (jedoch schwächster Kompromiss in Sachen Vereinheitlichungs –
bestrebungen).
15_10.3.6 Interaktionen mit anderen Optionen
Interaktionen des Bodenschutzes bestehen mit
SDG 2, 3, 6, 9, 11 und 15.
15_10.3.7 Offene Forschungsfragen
Der vorstehende Forschungsbeitrag konnte nur eine
kleine Einführung in die ‚Megathemen‘  Entwicklung und Verabschiedung eines
Bodenschutz-Rahmengesetzes und Mehr Transparenz bei der Genehmigung von
Pflanzenschutzmitteln bzw. -wirkstoffen sowie schrittweiser Ausstieg aus che –
misch-synthetischen bzw. human-/ökotoxischen Pflanzenschutz- und Düngemit –
teln geben. Beide Themen bedürfen einer Aufarbeitung, die nur im Rahmen eines
(interdisziplinären) Großprojekts geleistet werden kann.
9
15_10 / Neudenken des Bodenschutzes10Literatur
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