SDG_15_Option_15_05_pdf_20231119_182409.txt

Optionen
und
Maßnahmen
Österreichs Handlungsoptionen
zur Umsetzung
der UN-Agenda 2030
für eine lebenswerte Zukunft.
UniNEtZ –
Universitäten und nachhaltige
Entwicklungsziele
Von den Optionen zur Transformation
15_05 / Entwicklung und Förderung von Agroforstwirtschaft als Beitrag zur Verbesserung der
Nachhaltigkeit in der Landnutzung15_05
Target 15.1, 15.3, 15.4, 15.5, 15.9Autor_innen:
Gratzer, Georg ( Universität für Bodenkultur Wien );
Markut, Theresia ( Forschungsinstitut für biologischen
Landbau )
Reviewer_innen:
Lindenthal, Thomas ( Universität für Bodenkultur Wien );
Gingrich, Simone ( Universität für Bodenkultur Wien );
Hager, Herbert ( Universität für Bodenkultur Wien ) Entwicklung und Förderung von
Agroforstwirtschaft als Beitrag zur
Verbesserung der Nachhaltigkeit in der
Landnutzung
2
3 15_05 .1 Hintergrund und Ziel(e) der Option
5 15_05.2 Optionenbeschreibung
5 15_05.2.1 Beschreibung der Option bzw. der zugehörigen Maßnahmen
bzw. Maßnahmenkombinationen
7 15_05.2.2 Potenzielle Konflikte/Systemwiderstände/Barreren
7 15_05.2.3 Transformationspotenzial
7 15_05.2.4 Umsetzungsanforderungen
7 15_05.2.5 Erwartete Wirkungsweise
8 15_05.2.6 Bisherige Erfahrungen mit dieser Option oder ähnlichen Optionen
8 15_05.2.7 Zeithorizont der Wirksamkeit
8 15_05.2.8 Vergleich mit anderen Optionen,
mit denen das Ziel erreicht werden soll
9 LiteraturInhalt
Von den Optionen zur Transformation15_05.1 Hintergrund und Ziel(e) der Option
Agroforstwirtschaft (AF) ist ein kollektiver Begriff für
Landnutzungssysteme, in denen Gehölze gemeinsam mit landwirtschaftlichen
Nutzpflanzen und/oder Nutztieren in räumlicher Anordnung oder zeitlicher Sequenz
auf derselben Fläche kombiniert und genutzt werden (geändert nach Nair, 1993).
Als Minimumanforderung für ein Agroforstsystem wurden von Somariba (1992) drei
Bedingungen definiert: (1) zumindest zwei Pflanzenarten interagieren biologisch,
(2) zumindest eine Art ist ein Gehölz und (3) zumindest eine Art wird zur Pflanzen –
produktion oder als Futterpflanze genutzt. Die Europäische Union (EU) definiert
Agroforstwirtschaft als „ Landnutzungssystem, in dem Bäume in Kombination mit
Landwirtschaft am selben Land wachsen “ (Augère-Granier, 2020, S. 2).
Agroforstsysteme haben auch in Mitteleuropa eine
lange Geschichte und waren weit verbreitet: Waldweide, Schnaitelung von Bäu –
men, Wanderfeldbau bzw. Brandfeldbau oder Haubergwirtschaft waren histori –
sche Agroforstsysteme, die es ermöglichten, unter schwierigen agroökologischen
Bedingungen die Ernährung der Bevölkerung zu sichern (Glatzel, 1991; Nerlich,
Graeff-Hönninger & Claupein, 2013; Reeg, 2011). Diese Systeme sind im Zuge
der landwirtschaftlichen Intensivierung und Industrialisierung während der letzten
beiden Jahrhunderte weitgehend verschwunden, Bäume in landwirtschaftlich ge –
nutzten Flächen wurden im Zuge der Kommassierung reduziert, um die maschi –
nelle Bewirtschaftung zu erleichtern. In der EU (27) wird die Gesamtfläche von
Agroforstsystemen auf 25,4 Millionen ha geschätzt, das sind 3,6 % der Landfläche
und 8,8 % der landwirtschaftlichen Fläche. Rund 90 % dieser Flächen werden
silvopatoralen Systemen zugerechnet, also einer Kombination aus Holzgewächsen
und Weidwirtschaft mit domestizierten Tieren (den Herder et al. 2017). In Öster –
reich liegt dieser Anteil mit 1,9 % deutlich unter diesem Durchschnitt. Es handelt
sich dabei fast ausschließlich um silvo-pastorale Systeme, nämlich Streuobst –
wiesen. Es existieren nahezu keine silvoarablen Systeme in Gebieten mit hohem
öko-logischem Druck und ausgeprägten Biodiversitätsdefiziten.
Agroforstsysteme haben das Potenzial, einen wichti –
gen Beitrag zur Erhöhung der Resilienz von Landwirtschaft (z. B. in Dürreperioden),
zur Erhöhung der Kohlenstoffspeicherung und somit zur Mitigation des Klimawan –
dels und zur Bewältigung der Klimakrise zu leisten und dabei auch die Lebens –
umstände von Landwirt_innen zu verbessern. Sie erfahren daher in den letzten
Jahren auch in Ländern mit vorwiegend agroindustrieller Produktion vermehrt Auf –
merksamkeit durch die Wissenschaft (Hernández-Morcillo, Burgess, Mirck, Pantera
& Plieninger, 2018). Für das Kohlenstoffspeicherpotenzial werden für Europa (EU
28) für Prioritätsgebiete in verschiedenen agroökologischen Zonen verschiedene
Agroforstsysteme die oberirdischen Speicherpotenziale zwischen 1,4 % und
42,4 % der europäischen landwirtschaftlichen Treibhausgas-Emissionen ermittelt1
(auf Basis der THG-Emissionen von 2015) (Kay et al. 2019b). In einer Untersu –
chung des Kohlenstoff-Speicherpotenzials von AF-Systemen für die Region Eisen –
wurzen in Oberösterreich wurden über einen Zeitraum von 61 Jahren 1,1 t C.ha-
1.a-1 ermittelt (Bertsch-Hörmann, 2020).
31 Die gesamte Biomasseproduktion (oberirdisch und Wurzelbiomasse) der Baumkomponenten und das
Kohlenstoffspeicherpotenzial der Agroforstsysteme wurden auf Basis von Literaturdaten abgeschätzt
bzw. von Versuchsanlagen erhoben. Die hier präsentierten Werte stellen durchschnittliche Potenziale
pro Jahr der Baumlebensspanne (Umtriebszeit) dar und berücksichtigen keine dynamischen Aspekte von
Baumwachstum über die Zeit oder Ressourcen wie Nährstoffverfügbarkeit, Stammzahlen etc. (Kay et al.,
2019b)
15_05 / Entwicklung und Förderung von Agroforstwirtschaft als Beitrag zur Verbesserung der
Nachhaltigkeit in der LandnutzungBäume in landwirtschaftlichen Kulturen sind ein poten –
ziell wertvolles Zusatzprodukt, das den Gesamtertrag pro Fläche erhöhen kann.
Bäume wirken als Nährstoffpumpe, die Nährstoffe aus tieferen Bodenhorizonten
im Landnutzungssystem nutzbar machen, mindern Nährstoffverluste nach Ernte
von landwirtschaftlichen Nutzpflanzen und verbessern die Nährstoff- und Wasser –
speicherkapazität von Böden durch Erhöhung des Bodenkohlenstoffgehaltes. Sie
reduzieren Erosion und verbessern die Wasserversorgung von landwirtschaftlichen
Nutzpflanzen durch hydraulisch gehobenes Wasser, vermindern Evapotranspira –
tion und Bodenverluste durch Winderosion, erhöhen die Vielfalt an Mikroorgansi –
men, vermindern oder verhindern Schäden an landwirtschaftlichen Kulturen durch
die Abgabe von allelopathischen Substanzen, erhöhen die Kohlenstoffspeicherung
des Gesamtsystems und bieten Lebensraum für Tiere und Pflanzen und erhöhen
damit die Biodiversität (Dev et al. 2019; Nair, 1993; Rigueiro-Rodríguez, McAdam &
Mos-quera-Losada, 2008). Für silvo-pastorale Systeme (SPS) besteht Konkurrenz
zwischen der Futterproduktion und den Bäumen auf der Fläche (Sharrow 1999).
Allerdings haben diese auch positive Effekte auf Tierernährung und Futterqualität
(Campos Paciullo et al. 2011).
In enger Verbindung mit der Diversität von Insekten
steht die Bestäubungsleistung als eine zentrale Ökosystemleistung für die Land –
wirtschaft. In Europa wurde der Bestäubungsbedarf für 264 Nutzpflanzen erhoben
– die Produktion von 84 % dieser Pflanzen hängt von Tierbestäubung ab (Williams,
1996). Global werden rund 35 % des globalen Pflanzenproduktionsvolumens durch
Insektenbestäubung gewährleistet (Klein et al. 2007). Bislang wurde der Effekt von
Agroforstwirtschaft auf Bestäubungsleistungen nicht adäquat untersucht. In einer
neuen Studie aus England wurde diese nun charakterisiert und mit Monokulturen
verglichen: temperierte AF-Systeme zeigten höhere Bestäubungsleistungen als die
Monokulturen, es fanden sich doppelt so viele Solitärbienen und Schwebfliegen
und 2,4 Mal mehr Hummeln. AF-Systeme hatten die 4,5-fache Samenproduktion
(Varah, Jones, Smith & Potts, 2020).
AF-Systeme können aber auch durch Konkurrenz um
Licht und Nährstoffe die Erträge landwirtschaftlicher Nutzpflanzen vermindern und
durch allelopathische Substanzen Keimung und Wachstum dieser Pflanzen redu –
zieren. Dies verdeutlicht die Notwendigkeit von wissenschaftlichen Studien und
der Einrichtung von Langzeit-Versuchen zu AF in Österreich. Diese Forschung ist
in der Form von Ko-Produktion von Wissen gemeinsam mit Landwirt_innen zu ent –
wickeln, damit auch lokales Wissen gut in den Prozess der gemeinsamen Generie –
rung von Wissen eingebracht werden kann.
Um daher die Gesamtleistung von AF Systemen im
Vergleich zu Monokulturen zu bewerten, kann das Land-Äquivalenz-Verhältnis
(land equivalent ratio, LER) verwendet werden, das sich aus der Summe der Ver –
hältnisse der Erträge der jeweiligen Nutzpflanzen in Mischkultur und in Reinkultur
errechnet (Mead & Willey, 1980). Dieses Verhältnis liegt z. B. für AF-Systeme in
Dänemark bei 1,14-1,34, d. h. dass die Nutzpflanzen- und Baumerträge im AF-
System um 14-34 % weniger Land oder weniger Ressourcen in Bezug auf Licht,
Wasser und Nährstoffe braucht, als in Monokultur. In Frankreich seit 1995 be –
stehende AF-Systeme weisen LER-Werte von 1,3 bis 1,6. auf. Höhere Produktivität
von AF-Systemen im Vergleich zu separiertem Anbau wurde auch für die Schweiz
errechnet (LER 0,95-1,3) (Sereke, Graves, Dux, Palma & Herzog, 2015).
Eine aktuelle Studie für 11 Regionen in Europa ver –
gleicht AF-Systeme mit Nicht-AF-Systemen (NAF) (Kay et al. 2019a). Dabei zeigt
sich, dass in mediterranen AF-Systemen die Finanzerträge höher waren als für
4
Von den Optionen zur TransformationNAF-Systeme (Marktpreise basierend auf Durchschnittswerten der Jahre 2010-
2014). Der Grund dafür liegt einerseits darin, dass die Agroforstbäume multiplen
Nutzen aufweisen (Holz und Früchte, meist Oliven) und andererseits am höheren
Alter der Referenzsysteme und deren höherer Fruchtproduktion (> 20 Jahre).
In atlantischen und kontinentalen Regionen waren
die NAF-Systeme profitabler. Wenn allerdings die mit der Produktion assoziierten
Ökosystemleistungen einbezogen werden, war die Profitabilität von AF höher als für
NAF. Dabei wurden konservative Kosten für die Ökosystemleistungen angenommen.
AF-Systeme puffern auch Preisschwankungen von landwirtschaftlichen Nutzpflan –
zen (Sereke et al., 2015).
In Österreich gibt es bisher nur vereinzelte Umset –
zungsbeispiele von AF-Systemen und eine fehlende Vernetzung von Aktivitäten.
Erste Schritte in Richtung der Bildung eines Netzwerkes und des Wissensaus –
tauschs sowie der Umsetzung von AF-Systemen auf 6 landwirtschaftlichen Betrie –
ben werden im derzeit laufenden Projekt Agroforst in Österreich gesetzt (Markut,
2019).
Auf der Produzent_innenseite wurde in Österreich der
Verein Arge Agroforst gegründet, der es sich zum Ziel gesetzt hat, AF in Österreich
zu fördern2.
Die Option zielt darauf ab, die legistischen und infra –
strukturellen Voraussetzungen zur Förderung von Agroforstwirtschaft zu schaffen
und die notwendige Forschungsleistung zur Entwicklung tragfähiger Agroforstsys –
teme zu ermöglichen und Fördersysteme zur Einführung von Agroforstwirtschaft in
Österreich zu entwickeln. Es soll eine Informationsoffensive zum Thema AF für Land –
wirt_innen durchgeführt werden, um die Vorteile und Risiken bekannt zu machen.
Die Option soll den Schutz und die nachhaltige Nutzung
der Ökosysteme gewährleisten und im Speziellen zu den Targets 15.1, 15.3, 15.4,
15.5 und 15.9 beitragen. Außerdem werden 13.1, 13.2, 2.3., 2.4 sowie 2.a adressiert.
15_05.2 Optionenbeschreibung
15_05. 2.1 Beschreibung der Option
bzw. der zugehörigen Maßnahmen
bzw. Maßnahmenkombinationen
Schaffung der gesetzlichen Voraussetzungen für Agroforstwirtschaft
Agroforstwirtschaft ist von Produktionsmethoden und
-zeiträumen geprägt, die weder mit Forstwirtschaft, noch mit Landwirtschaft zu ver –
gleichen sind. Daher ist der Agroforstwirtschaft ein eigener Status beizumessen, der
sich auch in legistischer Hinsicht widerspiegelt.
Die Erhaltung von Waldflächen inklusive Windschutz –
gürtel (Par 2) unterliegt dem starken gesetzlichen Schutz des Forstgesetzes 1975
(FG). Während dieser Schutz von Waldflächen Entwaldung hintanhält und somit zu
SDG 15.2. beiträgt, wird für die Ermöglichung von Agroforstwirtschaft sicher gestellt,
dass Agroforstflächen nicht in den besonderen Schutz von Wald gemäß FG 1975
fallen. Das bedeutet, dass sichergestellt wird, dass Baumstreifen, die auf landwirt –
schaftlichen Nutzflächen angelegt werden, nicht in den Geltungsbereich des Forst –
gesetzes fallen.
52 Für nähere Infos sieh die Gründungsresolution der Arbeitsgemeinschaft (ARGE): https://93552694-
6826-477f-92e6-837c632680d7.filesusr.com/ugd/654298_b786e8b9c68d48e4a6def4c5e54ec289.pdf
15_05 / Entwicklung und Förderung von Agroforstwirtschaft als Beitrag zur Verbesserung der
Nachhaltigkeit in der LandnutzungEntwicklung von angepassten Agroforstsystemen in verschiedenen agrarökologi –
schen Zonen Österreichs durch angewandte Forschung
Während die Wissensbasis für Agroforstsysteme in
tropischen Klimazonen gut entwickelt ist, besteht hinsichtlich Entwicklung von und
Erfahrung mit modernen Agroforstsystemen, die an die Erfordernisse der öster –
reichischen Landwirtschaft angepasst sind, starker Forschungsbedarf. Mit dieser
Maßnahme wird ein österreichweites Forschungsprogramm über einen Zeitraum
von 10 Jahren aufgesetzt. Das Forschungsvolumen liegt nicht unter fünf Millionen
Euro, um eine adäquate Abdeckung aller agrarökologischen Zonen und verschie –
dener AF-Systeme und eine ausreichend intensive Forschungstätigkeit zu ermög –
lichen.
Diese Forschung wird verstärkt auf Ko-Produktion von
Wissen durch Wissenschafter_innen und Landwirt_innen beruhen (Sereke et al.,
2015). Jede aus diesem Programm geförderte Forschungstätigkeit muss explizit
auf eine biodiversitätserhöhende Wirkung von neuen AF-Systemen bzw. auf die
Erhaltung von hoher Biodiversität von traditionellen Agroforstsystemen abzielen.
Baumreihen sind z. B. mit Strauchreihen und Streifen von Blühpflanzen zu kombi –
nieren.
Ein Fokus dieser Forschung kann darauf ausgerich –
tet sein, in interdisziplinären Teams aus Ethnobotaniker_innen und/oder Volks –
kundler_innen regional früher wohlbenutzte Holzgewächse zu identifizieren und
zum Design neuer und innovativer regionaler Agroforstsysteme heranzuziehen
(z. B. Edelkastanie Mittelburgenland und Weststeiermark, Mostobst Alpenvor –
land, Dirndlsträucher NÖ-Voralpen, oder auch alte Obstsorten zur Steigerung der
genetischen Diversität etc.). Bei der Anlage von AF-Systemen ist eine mögliche
Verwendung von Baum- und Waldnebenprodukten und deren gesteigerte Bedeu –
tung einzubeziehen, wobei neben Früchten und Nüssen auch die Verwendung von
Blüten, Blättern, Rinde und Harzen sowie deren extrahierbaren Inhaltsstoffen und
der Gebrauch für medizinische, Ernährungs- bis zu kosmetischen Zwecken nicht
einbezogen werden sollte. Es sind auch Designs neuer, innovativer AF-Systeme zu
entwickeln, inklusive neuartiger silvo-pastoraler Systeme, die z. B. auch die natur –
nahe Haltung und Produktion von kleineren Nutztieren bzw. Nutzinsekten wie z. B.
Bienen berücksichtigt werden soll. Die Entwicklung regionaler Wertschöpfungs –
ketten und regionaler Marken (z. B. Produkte aus einem Agroforstgebiet) soll damit
Hand in Hand gehen.
Entwicklung eines Förderungsschemas für Agroforstwirtschaft
Ein Förderungsschema für Agroforstwirtschaft wird
entwickelt, das starke Lenkungseffekte hinsichtlich der Ausrichtung von Agro –
forstmaßnahmen unter Einbeziehung der Verbesserung der Biodiversität aufweist.
Agroforstsysteme sind nicht per se biodiversitätsfördernd, haben aber starkes
Potenzial, um Biodiversität in Agrarlandschaften zu erhöhen. Dieser Tatsache wird
durch adäquate Ausgestaltung eines Förderschemas Rechnung getragen.
Informationskampagne über AF bei österreichischen Landwirt_innen und Konsu –
ment_innen
Europaweite Studien zeigen, dass das Bewusstsein
über die Existenz und die Effekte von AF-Systemen sowohl bei Landwirt_innen
also auch bei Konsument_innen verstärkt werden soll (Sollen-Norrlin, Ghaley &
Rintoul, 2020). Dies gilt auch für Österreich, wo sowohl für Landwirt_innen als
auch für Konsument_innen eine Informationskampagne zur Förderung der Be –
kanntheit von AF und seiner Leistungen für die Nachhaltigkeit durchgeführt wird.
Dabei wird auf laufende Aktivitäten Bezug genommen, z. B.: Projekt Agroforst in
6
Von den Optionen zur TransformationÖsterreich und ARGE Agroforst . Die Kampagne wird von bereits erfahrenen AF-
Expert_innen unter Mithilfe von PR-Expert_innen geplant und durchgeführt.
15_05. 2.2 Potenzielle Konflikte/
Systemwiderstände/ Barrieren
In einer europaweiten Studie zur Wahrnehmung
und Einschätzung von AF unter Stakeholder_innen wurden der erhöhte Arbeits –
aufwand, Bewirtschaftungskosten und administrative Hürden als die wichtigsten
negativen Aspekte gesehen (García de Jalón et al. 2018). In einer weiteren
Untersuchung wurden die Herausforderungen für die Implementierung von
AF-Systemen in Europa untersucht: die am öftesten erwähnten Barrieren für
die Umsetzung waren ein Mangel an Wissen und ein Mangel an verlässlicher
finanzieller Unterstützung (Hernández-Morcillo et al., 2018).
Für Österreich sind daher ebenfalls ein Mangel an
Wissen über und Erfahrung mit AF-Systemen, der höhere Bedarf an Arbeits –
kräften, und ein erhöhter Investitionsbedarf als Hürden zu erwarten. Die derzeit
bestehende rechtliche Unsicherheit in Bezug auf das Forstgesetz ist als starke
Hürde zu werten (siehe erste Maßnahme).
Außerdem sind Barrieren hinsichtlich der einfachen
Verwendung von Landmaschinen zu erwarten, wenn Bäume, bzw. Baumreihen
in Produktionssystem integriert werden. Dieser Barriere kann allerdings durch
die Entwicklung moderner Agroforstsysteme entgegengewirkt werden.
15_05. 2.3 Transformationspotenzial
Die Anwendung von Agroforstwirtschaft trägt zur
Minderung der Biodiversitätskrise bei, wenn sie entsprechend ausgestaltet
ist. Im Verbund mit anderen Maßnahmen kann sie zu einer Umgestaltung der
landwirtschaftlichen Nutzungen in Richtung einer Nachhaltigkeitsorientierung
beitragen. Durch die Erhöhung der Kohlenstoffspeicherung kann ein Beitrag
zur Mitigation der Klimakrise geleistet werden. Potenziell wird dadurch das
Einkommen von Landwirt_innen, erhöht, v. a. wenn ausreichende Förderungen
bereitgestellt werden.
Die Option trägt in einem mittleren Ausmaß zu
einer gesamtgesellschaftlichen Transformation bei. Sie erfordert keine um –
fassende Systemänderung, schafft aber konkrete Verbesserungen in Bezug
auf Biodiversitäts- und Klimakrise. Die Informationskampagne erhöht auch das
Bewusstsein bei Konsument_innen.
15_05. 2.4 Umsetzungsanforderungen
Die Umsetzungsanforderungen dieser Option
sind in Bezug auf Förderung von Forschung und PR-Kampagnen vergleichs –
weise (mit Optionen 15_01, 15_02). Die notwendige Gesetzesänderung im
Forstgesetz stellt allerdings eine erhebliche Anforderung dar und benötigt eine
gute Einbindung von Beamt_innen im Bundesministerium für Landwirtschaft,
Regionen und Tourismus (BMLRT). Die Option kann innerhalb der bestehenden
landwirtschaftlichen Systeme umgesetzt werden.
15_05. 2.5 Erwartete Wirkungsweise
Die Option trägt zu den Targets 15.1, 15.3, 15.4,
15.5 und 15.9 bei. Der Beitrag zu Target 15.5. hängt jedoch davon ab, wie die
AF-Systeme ausgestaltet werden, weil sie nicht per se die Biodiversität erhöhen
7
15_05 / Entwicklung und Förderung von Agroforstwirtschaft als Beitrag zur Verbesserung der
Nachhaltigkeit in der Landnutzung(oder zumindest nur minimal zu einer Erhöhung dieser beitragen, z.B. Systeme die
Hybridpappelsorten verwenden). Daher ist es aus Sicht von SDG 15 unabdingbar,
AF-Systemen zu entwickeln bzw. einzusetzen, die Biodiversität optimieren.
Die Option hat jedenfalls Synergien mit SDG 13, weil
sie sowohl die oberirdische Kohlenstoffspeicherung als auch den Bodenkohlen –
stoff erhöht. Sie hat auch das Potenzial, zu SDG Targets 6.3 und 6.6 beizutragen.
Außerdem werden Targets 2.3, 2.4 sowie 2.a adressiert.
Als Indikator eignet sich die Gesamtfläche von AF-
Systemen in Österreich und zusätzlich die Gesamtfläche von biodiversitätsfreund –
lichen AF-Systemen in Österreich. Für letzteren Indikator sind Kriterien im Rahmen
der Forschungsinitiative AF zu entwickeln.
15_05. 2.6 Bisherige Erfahrungen
mit dieser Option oder ähnlichen Optionen
Die Erfahrungen mit AF-Systemen in Entwicklungs –
ländern sind lang zurückreichend und stark ausgeprägt. Zahlreiche Publikationen
liegen zu solchen Systemen vor3. AF-Systeme in Europa sind bei Weitem geringer
beforscht und die Erfahrungen sind limitiert, vor allem für Mitteleuropa.
15_05. 2.7 Zeithorizont der Wirksamkeit
mittelfristig
Die Wirkungen der Option sind mittelfristig in Bezug
auf Erhöhung von Biodiversität und die anzulegenden Strauch- und Blühflächen,
die mit Bäumen kombiniert werden.
mittel-langfristig
Die Wirkung der Baumkomponenten in den AF-Syste –
men ist mittel-langfristig, weil sie je nach Art erst nach 4-20 Jahren oder mehr ihre
Wirkung (in Bezug auf Produktion von Früchten und Holzproduktion) entfalten.
15_05. 2.8 Vergleich mit anderen Optionen,
mit denen das Ziel erreicht werden soll
Die Optionen 15_01 und 15_03 beschäftigen sich mit
der Ökologisierung der Landwirtschaft bzw. mit dem Bodenschutz. Option 15_04
zielt auf nachhaltige Waldbewirtschaftung ab. Die Agroforstwirtschaft stellt jedoch
eine andere Form der Landbewirtschaftung abseits von konventioneller Land- und
Forstwirtschaft dar, die ihre eigenen Potenziale zur Bewältigung der Klima- und
Biodiversitätskrise aufweist (siehe oben).
3 siehe z. B. https://www.worldagroforestry.org/; https://agroforestry.org/
8
Von den Optionen zur Transformation9Literatur
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