SDG_13_Option_13_06_20231119_182406.txt

Optionen
und
Maßnahmen
Österreichs Handlungsoptionen
zur Umsetzung
der UN-Agenda 2030
für eine lebenswerte Zukunft.
UniNEtZ –
Universitäten und Nachhaltige
Entwicklungsziele
Optionen und Maßnahmen
13_06 / Korrekte und engagierte Umsetzung der neuen energie- und klimarelevanten Rechtsakte der EU13_06
Target 13.2Autorinnen:
Wagner, Erika ( Johannes-Kepler-Universität Linz );
Hartl, Anja ( Johannes-Kepler-Universität Linz )
Wir bedanken uns für die inhaltliche Kommentie –
rung zum Text bei:
Neuhold, Elfriede ( Donau-Universität Krems ); Elmen –
reich, Wilfried ( Alpen-Adria-Universität Klagenfurt )
Reviewer_innen:
Schulev-Steindl, Eva ( Universität Graz );
Scherz, Marco (Technische Universität Graz)Korrekte und engagierte Umsetzung
der neuen energie- und klimarelevanten
Rechtsakte der EU
3 13_06 .1 Ziele der Option
3 13_06.2 Hintergrund der Option
5 13_06.3 Optionenbeschreibung
5 13_06.3.1 Beschreibung der Option bzw. der zugehörigen Maßnahmen
bzw. Maßnahmenkombinationen
16 13_06.3.2 Erwartete Wirkungsweise
17 13_06.3.3 Bisherige Erfahrungen mit dieser Option oder ähnlichen Optionen
17 13_06.3.4 Zeithorizont der Wirksamkeit
17 13_06.3.5 Vergleich mit anderen Optionen,
mit denen das Ziel erreicht werden kann
18 13_06.3.6 Interaktionen mit anderen Optionen
18 13_06.3.7 Offene Forschungsfragen
18 LiteraturInhalt
Optionen und Maßnahmen313_06.1 Ziele der Option
Ziel ist die korrekte und engagierte Umsetzung der
neuen energie- und klimarelevanten Rechtsakte der EU in den Bereichen: erneuer –
bare Energien, Gebäudeeffizienz, Energieeffizienz, Landwirtschaft und Treibhaus –
gasemissionshandel.
Einerseits geht es um eine korrekte Umsetzung der
Rechtsakte der Europäischen Union (EU). Dadurch soll erreicht werden, dass
Vertragsverletzungsverfahren (durch die EU-Kommission oder andere Mitglieds –
staaten) gegen Österreich wegen Verstoß gegen EU-Recht eingeleitet werden.
Andererseits soll eine engagierte Umsetzung der EU-Rechtsakte erfolgen. Es
sollen über die korrekte Umsetzung hinausgehende nationale Regelungen zum
Klimaschutz ergriffen werden.
Sämtliche der genannten Maßnahmen sind daher vor
dem Hintergrund der energie- und klimarelevanten Rechtsakte der EU zu sehen.
Die Durchführung der in den Richtlinien genannten Maßnahmen (dazu im Folgen –
den) steht nicht im Ermessen der Mitgliedsstaaten. Die im nachfolgenden Text
beschriebenen Maßnahmen zeigen eine Grobstruktur der Inhalte der Richtlinien
auf. Im Einzelnen enthalten die Richtlinien zwar Ausnahmen, auf die hier aber
wegen des generellen Charakters der geschilderten Maßnahmen nicht einge –
gangen werden muss. Tenor des gegenständlichen Beitrags ist, eine am Ziel des
Klimaschutzes möglichst engagierte und korrekte Umsetzung bei der Transforma –
tion der Richtlinieninhalte ins österreichische Recht zu wählen. Dazu wird im Text
auch auf Strukturfragen des österreichischen Energierechts eingegangen. Soweit
auf Artikeln des Richtlinienrechts Bezug genommen wird, bringt eine engagierte
Umsetzung es mit sich, dass die Maßnahmen und Ziele auch von österreichischer
Seite verwirklicht werden.
Klarstellend sei für den juristischen Laien darauf
hingewiesen: Der Inhalt und der Zugang unseres Dokuments ist nicht , was man
alles machen kann bzw . welche guten Ideen es zur Schaffung der Energiewende
gibt, sondern die Frage, was die rechtlichen Vorgaben sind, innerhalb der sich die
Staaten der EU bewegen. Nur das ist der Fokus dieses Dokuments. Nicht enthal –
ten in dieser Option ist eine Kritik der EU-Vorgaben, wiewohl eine solche in einigen
Punkten durchaus angebracht erscheint. Das schließt nicht aus, bei der Umset –
zung der EU-Vorgaben gute Ideen zu wählen. Dafür ist es aber notwendig, zuerst
den rechtlichen Inhalt, also das notwendige Soll bzw. must have zu kennen.
13_06.2 Hintergrund der Option
Korrekte und engagierte Umsetzung der neuen
energie- und klimarelevanten Rechtsakte der EU (sogenanntes Winterpaket )
– Allgemeines
Das Winterpaket der EU besteht vor allem aus folgen –
den Verordnungen und Richtlinien:
1. LULUCF-Verordnung – Verordnung (EU) 2018/8411;
1 Verordnung (EU) 2018/841 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2018
über die Einbeziehung der Emissionen und des Abbaus von Treibhausgasen aus Landnutzung,
Landnutzungsänderungen und Forstwirtschaft in den Rahmen für die Klima- und Energiepolitik bis 2030
und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr 525/2013 und des Beschlusses Nr 529/2013/EU, ABl L 156/1 v
19.6.2018.
13_06 / Korrekte und engagierte Umsetzung der neuen energie- und klimarelevanten Rechtsakte der EU2. Lastenteilungs-Verordnung – Verordnung (EU) 2018/8422;
3. Erneuerbare-Energie-Richtlinie – Richtlinie (EU) 2018/20013;
4. Energieeffizienz-Richtlinie – Richtlinie (EU) 2018/20024;
5. Gebäudeeffizienz-Richtlinie – Richtlinie (EU) 2018/8445;
6. Treibhausgasemissionshandels-Richtlinie – Richtlinie (EU) 2018/4106.
Es handelt sich Großteils um Überarbeitungen be –
stehender Richtlinien und Verordnungen. Dabei ist zu konstatieren, dass Öster –
reich auch aufgrund bestehender politischer Systementscheidungen in den letzten
5-10 Jahren, also dem Zeitraum, in dem die EU die Rechtsakte in ihrer Erstfassung
erlassen hat, im Zusammenhang mit der Umsetzung der Erstfassung dieser Richt –
linie keine besonders engagierte Umsetzungspolitik betrieben hat. Die politische
Grundentscheidung war vielmehr das Verbot von Gold Plating . Das Verbot be –
deutet, dass die Umsetzung der Rechtsakte am wenig strengsten Verständnis –
gemessen an der Ratio der europäischen Norm – erfolgt. Kennzeichnend für diese
Politik ist auch, dass Umsetzungsspielräume nicht im Sinne einer ehrgeizigen
Klimapolitik genutzt wurden, sondern vielmehr Schlupflöcher ausgenutzt wurden,
um überhaupt die Mindestvorgaben zu erfüllen.7
Mit dieser Politik war Österreich in Europa aber nicht
alleine. Zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen haben selbst die indust –
riellen Schwergewichte der EU (wie Deutschland, Italien, Frankreich, Vereinigtes
Königreich und Spanien8) keine den dramatischen Notwendigkeiten der Erderwär –
mung angepasste Klimapolitik betrieben. Technische Innovationen haben dazu
geführt, dass Einsparziele relativ einfach realisiert werden konnten (z. B. Produk –
tionsausweitungen waren möglich). In der Vergangenheit wurden zu viele CO2-Zer-
tifikate ausgegeben, wodurch sie einem Preisverfall ausgesetzt waren. Energie –
effizienzziele konnten daher leicht erreicht werden.9 Dies und die beschriebenen
Umsetzungsschwachstellen hat die EU erkannt und mit ihrem Vorstoß 2018 darauf
resultierend die Rechtsakte 2019, das sogenannte Winterpaket , erlassen.
Der sogenannte Green Deal vom Dezember 2019
bekennt sich zu den Rechtsakten dieses Winterpakets , ja stellt sogar die Ver –
schärfung der dort genannten Zielvorgaben in Aussicht. Die Evaluierung des
Winterpakets 2018 vom September 2020 hat ergeben, dass sich die EU zu einem
neuen Einsparungsziel (Reduktion der Treibhausgasemissionen um 55 % bis 2030
bezogen auf das Basisjahr 1990) bekennt und im Jahr 2050 Klimaneutralität10
her-
2 Verordnung (EU) 2018/842 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2018 zur Festlegung
verbindlicher nationaler Jahresziele für die Reduzierung der Treibhausgasemissionen im Zeitraum
2021 bis 2030 als Beitrag zu Klimaschutzmaßnahmen zwecks Erfüllung der Verpflichtungen aus dem
Übereinkommen von Paris sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr 525/2013, ABl L 156/26 v 19.6.2018.
3 Richtlinie (EU) 2018/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 zur
Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen, ABl L 328/82 v 21.12.2018.
4 Richtlinie (EU) 2018/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 zur
Änderung der Richtlinie 2012/27/EU zur Energieeffizienz, ABl L 328/210 v 21.12.2018.
5 Richtlinie (EU) 2018/844 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2018 zur Änderung der
Richtlinie 2010/31/EU über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden und der Richtlinie 2012/27/EU über
Energieeffizienz, ABl L 156/75 v 19.6.2018.
6 Richtlinie (EU) 2018/410 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. März 2018 zur Änderung der
Richtlinie 2003/87/EG zwecks Unterstützung kosteneffizienter Emissionsreduktionen und zur Förderung von
Investitionen mit geringem CO2-Ausstoß und des Beschlusses (EU) 2015/1814, ABl L 76/3 v 19.3.2018.
7 Wagner in Christian/Kerschner/Wagner (Hrsg), Rechtsrahmen für eine Energiewende Österreichs (2016), 87
ff.
8 https://www.iwd.de/artikel/m-e-industrie-fuenf-schwergewichte-in-europa-357486/ (abgerufen am
27.10.2020).
9 Vgl https://www.finanzen.at/rohstoffe/co2-emissionsrechte (abgerufen am 27.10.2020); http://www.klimaretter.
info/politik/nachricht/21865-eu-erreicht-energieeffizienz-ziel-fuer-2020 (abgerufen am 27.10.2020)
4
Optionen und Maßnahmengestellt sein soll.11
13_06.3 Optionenbeschreibung
13_06 .3.1 Beschreibung der Option
bzw. der zugehörigen Maßnahmen
bzw. Maßnahmenkombinationen

I. Maßnahmenkombination – Verbesserung der strukturellen Ausgestaltung
des Klimaschutzrechts in der österreichischen Rechtsordnung
1. Maßnahme – Klimaschutz als Verfassungsprinzip
Die bisherige Umsetzung in den Materiengesetzen ist
nicht zielorientiert, da kein einheitliches Regelungssystem mit Strukturen dahinter –
steht.
Klimaschutz ist derzeit als Teil des Bundesverfassungsgesetzes (BVG) Nachhaltig –
keit12 im Verfassungsrang enthalten. Das ist vielen Praktiker_innen nicht bewusst.
Das bedeutet konsequenterweise, dass entgegenstehendes bzw. klimaschäd –
liches Recht verfassungswidrig wäre. Einfallstor der gegenteiligen Argumentation,
dass trotz Klimaschutz im Verfassungsrang eine weitgehende Freiheit des_ der
einfachen Gesetzgeber_in zur Normierung des Obs des Klimaschutzes und des
Wies besteht, ist die Ausgestaltung als bloßes Staatsziel vor dem Hintergrund der
sogenannten Judikatur der Dritten Piste am Flughafen Wien (VfGH 29.6.2017, E
875/2017).13 Insofern wäre eine Stärkung des Staatsziels Nachhaltigkeit durch
besondere Hervorhebung des Klimaschutzes wichtig.14 Noch wirksamer wäre aber
die Verankerung als subjektives Recht der Einzelnen im Verfassungsrang.
2. Maßnahme – Transformation der gesetzlichen Struktur
Besonders effektiv erschiene ein Gesetz zur forcier –
ten Transformation des Klimaschutzes , das erstens Teile des Winterpakets um –
setzt und zweitens als Rahmengesetz des Bundes ausgestaltet wäre: Als solches
bedürfte es in den landesrechtlichen Materiengesetzen eine Kompetenzdeckungs –
klausel zum Beispiel bei Bau- und Raumordnung, sodass in Österreich einheitliche
Regelungen bestehen (vgl. SDG 15, sowie Option 13_04). Inwiefern dies auch für
die landesgesetzlich zu regelnde Landwirtschaft gilt, könnte zu diskutieren sein
– immerhin würde ein solches Rahmengesetz für die Interessensvertretungen Inter –
essenskonflikte verhindern. Die schon bisher in Art 12 B-VG enthaltene Grundsatz –
kompetenz des Bundes betrifft lediglich die Elektrizität. Da der Klimaschutz aber

10 Klimaneutralität bedeutet einen Ausgleich zwischen CO2-Emissionen die ausgestoßen und der
Aufnahme von Kohlenstoff aus der Atmosphäre durch CO2-Senken. Reduktion und Einsparung von
CO2-Emissionen führen zu Klimaneutralität. Vgl https://www.europarl.europa.eu/news/de/headlines/
society/20190926STO62270/was-versteht-man-unter-klimaneutralitat (abgerufen am 27.10.2020).
11 https://www.diepresse.com/5867985/von-der-leyen-fur-neues-klimaziel-2030-mindestens-55-prozent
(abgerufen am 29.9.2020).
12 Bundesverfassungsgesetz über die Nachhaltigkeit, den Tierschutz, den umfassenden Umweltschutz, die
Sicherstellung der Wasser- und Lebensmittelversorgung und die Forschung, BGBl I 2013/111.
13 Näheres dazu vgl Kirchegast/Madner/Schulev-Steindl/Steininger/Hollaus/Karl, Flughafen Wien:
Untersagung der dritten Piste durch das BVwG, RdU 2017/104, 121; BVwG 2.2.2017, W109 2000179-1;
Wagner, Was bislang geschah: Staatszieldebatte/VfGH hebt Urteil Dritte Piste auf, RdU 2017, 149; Wagner,
Die Judikatur zur „3. Piste“ – Vom Senkrechtstart zur Bruchlandung in Sachen Klimaschutz, ZGV 2017,
282; Madner/Schulev-Steindl, Dritte Piste – Klimaschutz als Willkür? Anmerkungen zu VfGH 29.06.2017, E
875/2017, E 886/2017, ZÖR 2017, 589.
14 Vgl dazu Kirchegast/Madner/Schulev-Steindl/Steininger/Hofer/Hollaus , VwGH zur „Dritten Piste“: „Cruise-
Emissionen“ im UVP-Verfahren trotz Relevanz des Klimaschutzes nicht zurechenbar, RdU 2020/44, 72;
VwGH 6.3.2019, Ro 2018/03/0031.
5
13_06 / Korrekte und engagierte Umsetzung der neuen energie- und klimarelevanten Rechtsakte der EU– wie der Green Deal15 veranschaulicht – alle Bereiche betrifft (insbesondere auch
die Infrastruktur und damit auch die Raumordnungen der Länder) erscheint ein
eigenes Rahmengesetz des Bundes notwendig.
Es ist zu befürchten, dass die zersplitterte Umsetzung
in den einzelnen Materiengesetzen und aufgrund der föderalistischen Struktur in
den einzelnen Landesgesetzen nicht zum gewünschten Erfolg (Einhaltung der Pari –
ser Klimaziele) führt.16
Schon nach den bisherigen EU-Rechtsakten wäre ein
solches Gesetz notwendig, um die Vorschreibung der bisher nicht gesamtheitlich
gedachten Energiepolitik Österreichs zu beenden. Ein solches Gesetz könnte auch
in Umsetzung des Europäischen Klimagesetzes erlassen werden (derzeit im Ent –
wurfsstadium)17. Die EU schlägt vor, dass sich bis 2050 die unionsweiten Emissio –
nen und der Abbau der Emissionen auf eine Netto-Null belaufen müssen, demnach
müssen alle vom Menschen verursachten Treibhausgas-Emissionen durch zusätz –
liche Senken (Verstärkung natürlicher Senken oder technologischer Maßnahmen)
wieder aus der Atmosphäre entfernt werden und die Klimabilanz der Erde netto
null betragen.18 Für 2030 wird als neue Vorgabe die CO2Emissionsreduktion um 55
% gegenüber 1990 vorgeschlagen.19
3. Maßnahme – Schaffung eines einheitlichen bundesstaatlichen Sys –
tems zur Umsetzung des Winterpakets
Sollte es nicht zu einem Rahmengesetz kommen,
wäre dies aber prinzipiell kein Hinderungsgrund, die Umsetzung bundeseinheitlich
zu denken – freilich mit geringerer Garantie der Systemkohärenz – und die Länder
über Gliedstaatsvereinbarungen nach Art. 15a B-VG an die Ziele und Grundsätze
zu binden.20
4. Maßnahme – Schaffung eines einheitlichen, verständlichen Rahmens
zur Umsetzung des Winterpakets
Die bisherige Gesetzestechnik der zahlreichen Aus –
nahmen und (möglicherweise absichtlich) verklausulierten Sprachweise, die über –
wiegend zu unverständlichen Normen im Energierecht führt, ist zu verwerfen und
war auch bislang nicht zielführend.
Das Energierecht ist historisch gewachsen als Summe
von inkohärenten Bestimmungen, zum Beispiel Ausnahmen von bestimmten Ein –
sparungen, von Ausstiegsplänen aus fossilen Energieträgern, von Forcierungsbe –
reichen bestimmter erneuerbarer Energieträger etc. Die Materie des Energierechts,

insbesondere des Elektrizitätswirtschafts- und organisationsgesetzes (ElWOG)
15 Mitteilung Der Kommission An Das Europäische Parlament, Den Europäischen Rat, Den Rat, Den
Europäischen Wirtschafts- Und Sozialausschuss Und Den Ausschuss Der Regionen: Der europäische
Grüne Deal, COM (2019) 640 final, 11.12.2019.
16 Genau diese Situation wird in der Wissenschaft schon seit geraumer Zeit kritisiert. Ähnliche Beispiele, wo sich
diese Umsetzungsunterschiede in Hinblick in die Zielverwirklichung negativ auswirken, sind das Naturkatastro –
phenrecht und das Naturschutzrecht. Vgl Wagner in Christian/Kerschner/Wagner (Hrsg), Rechtsrahmen für eine
Energiewende Österreichs (2016), 64 ff.
17 Vorschlag für eine VERORDNUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES zur Schaffung des
Rahmens für die Verwirklichung der Klimaneutralität und zur Änderung der Verordnung (EU) 2018/1999 (Europäi –
sches Klimagesetz), ABl L 328/1 v 21.12.2018.
18 https://www.myclimate.org/de/informieren/faq/faq-detail/was-bedeutet-netto-
null-emissionen/#:~:text=Netto%2D%E2%80%8BNull%20bedeutet%2C%20
dass,Negativemissionen%3F)%2C%20Null%20betr%C3%A4gt (abgerufen am 05.10.2020).
19 https://www.diepresse.com/5867985/von-der-leyen-fur-neues-klimaziel-2030-mindestens-55-prozent
(abgerufen am 05.10.2020).
20 Wagner in Christian/Kerschner/Wagner (Hrsg), Rechtsrahmen für eine Energiewende Österreichs (2016),
64 ff.
6
Optionen und Maßnahmenund des Ökostromgesetzes (ÖkostromG) ist mittlerweile nicht einmal mehr Expert_
innen leicht erschließbar. Schon gar nicht ist es möglich, sich als rechtsunterwor –
fene Privatperson in dieser Materie zurecht zu finden. Dieser Umstand verhindert
derzeit die Einbindung privater Stromerzeuger_innen in das System.
Eine Entwirrung der Rechtsmaterie wäre durch weit –
gehende gesetzgeberische Vereinfachungen erreichbar.21 Als Maßnahme dazu
wäre eine Gesamtnovellierung der Materie mit gleichzeitiger Vereinfachung und
dem Bekenntnis zu Zielen und Strukturen sowie deren konkreter Transformation
erforderlich.
5. Maßnahme – Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit
Generell muss das Endziel der Forderung der er –
neuerbaren Energien die Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit gegenüber
klimaschädlichen oder auf andere Art riskanten Energieformen sein. Zwar ist es zu
begrüßen, dass erneuerbarer Energie der Markteintritt ermöglicht wird und Inves –
titionsförderungen etc. vergeben werden, langfristiges Ziel muss es aber sein, die
Wettbewerbsfähigkeit zu stabilisieren.
6. Maßnahme – Verzicht auf Ausgleichsenergie aus grauer Energie als
langfristiges Ziel
Die Dezentralisierung des Stromnetzes ist vorzuberei –
ten. Nach wie vor herausfordernd „ist dabei die Markt- und Systemintegration von
fluktuierenden Energiequellen wie Wind und Photovoltaik, die nachhaltige Bereit –
stellung von Biomasse, die Schaffung eines smarten und dezentralen Stromnetzes,
die Reduktion der Energienachfrage (Orientierung an Funktionalitäten, Erhöhung
der Produktivität entlang der gesamten Wertschöpfungskette, Suffizienz), und eine
systematische Betrachtung aller Sektoren“.22
II. Maßnahme – Engagierte Umsetzung des EU-Klima- und Energiepakets
(sogenanntes Winterpaket ) – zu den Inhalten der Richtlinien im Detail:
Aus den Rechtsakten ergeben sich konkrete, für
die Mitgliedstaaten zu setzende Maßnahmen. Freilich stehen in der Regel diese
Maßnahmen in den europäischen Rechtsakten zum Teil selbst unter dem Vorbe –
halt weicher Klauseln ( soweit möglich , soweit wirtschaftlich , die Mitgliedstaaten
prüfen ). Allerdings hat die extensive Gebrauchmachung derartiger Klauseln in der
Vergangenheit nicht zum gewünschten Erfolg (= Reduktion bzw. Begrenzung der
Erderwärmung) geführt, sodass in der Periode bis 2030 auf derartige Lücken und
Ausnahmen auf nationaler Ebene verzichtet werden sollte.
Die Evaluierung der vor 2018 bestehenden Rechtsakte
durch die EU hat ergeben, dass Schwachstellen in den Rechtsakten, aber auch
in der mitgliedsstaatlichen Umsetzung vorliegen. Das soll durch das Winterpaket
nunmehr behoben werden. Die nachstehenden Eckpunkte werden hervorgehoben,
weil sie sich aus der Gesamtschau des Winterpakets ergeben und besondere Re –
levanz für die österreichische Gesetzgebung entfalten. In welcher Form die Umset –
zung der gesetzgeberischen Maßnahmen erfolgt – ob als Rahmengesetz oder als
bundesstaatlich zersplitterte Mosaikgesetzgebung – bleibt der Politik vorbehalten
(letzteres wird hier nicht vorgeschlagen, siehe oben).
Sollten zum Zeitpunkt der Endfassung des Optionen

berichts einschlägige Gesetze bereits erlassen worden sein, die die nachstehend
21 Wagner in Christian/Kerschner/Wagner (Hrsg), Rechtsrahmen für eine Energiewende Österreichs (2016), 67 ff.
22 Kirchengast/Kromp-Kolb/Steininger/Stagl/Kirchner/Ambach/Grohs/Gutson/Peisker/Strunk , Referenzplan
als Grundlage f ür einen wissenschaftlich fundierten und mit den Pariser Klimazielen in Einklang stehenden
Nationalen Energie- und Klimaplan f ür Österreich (Ref-NEKP) (2019), 55.
7
13_06 / Korrekte und engagierte Umsetzung der neuen energie- und klimarelevanten Rechtsakte der EUgenannten Inhalte konsequent (in Hinblick auf die Zielerreichung) umsetzen, kann
über ein Opting-up nachgedacht werden. Sämtliche Richtlinien lassen die Möglich –
keit eines Opting-ups zu.
1. Erneuerbare Energien
Die Erneuerbare-Energien-Richtlinie beruht auf der Er –
kenntnis, dass die Infrastruktur für erneuerbare Energie im Hinblick auf das Klima –
schutzziel derzeit ungenügend ist – das betrifft sowohl den Bereich der Errichtung
als auch jenen der Energieübertragung. Es betrifft nicht nur den Stromsektor,
sondern auch die Bereiche Kälte-Wärme. Die Tätigkeit als Eigenversorger_in wird
endlich europaweit geregelt.
a. Unterstützung staatlicherseits (Anlaufstelle) beim Vor –
haben, als Eigenversorger_in tätig zu werden (neben
Förderwesen)
Es besteht ein Recht der Verbraucher_innen, als Eigenversor –
ger_innen tätig zu werden (Art. 21 der Erneuerbare-Energien-
Richtlinie). Gemäß Art. 22 der Richtlinie besteht auch die Mög –
lichkeit der Bildung von Energiegemeinschaften, zum Beispiel
gemeinsame Energieerzeugung.23
b. Schaffung einer einheitlichen Anlaufstelle
Sowohl für Eigenversorger_innen als auch für gewerblich tätige
Stromerzeugungsunternehmen bedarf es gemäß Art. 16 der Er –
neuerbare-Energie-Richtlinie der Schaffung einer einheitlichen
Anlaufstelle, die sämtliche entsprechende Verfahren (Baube –
willigungsverfahren, elektrizitätsrechtliches Bewilligungsver –
fahren) abwickelt. Das bisherige System ist zu schwerfällig, um
eine echte Erleichterung für aufgeschlossene Bürger_innen
zu bieten. Auch diese einheitliche Anlaufstelle sollte in diesem
Bundesrahmengesetz (Klimaschutzbeschleunigungs-Rahmen –
gesetz o. ä.) verankert werden.24
c. Schaffung einer Infrastruktur der Fernwärme und Fernkäl –
te in den Städten
Gemäß Art. 20 der EE-Richtlinie haben die Mitgliedstaaten
die Schaffung einer Infrastruktur der Fernwärme und Fernkälte
zumindest in den Städten zu bewerkstelligen.25
Um die geforderte Infrastruktur zu erreichen, ist es er –
forderlich, dass erneuerbare Energieträger in der Fernwärmeproduktion gesteigert
werden. Außerdem wird es erforderlich sein, die industrielle Abwärme in die Fern –
wärme einzubinden und das Fernwärmenetz auszubauen. Diese Ziele sind auch
im Hinblick auf SDG 7 zu verfolgen, da dadurch der Zugang zu modernen Energie –
dienstleistungen gesichert wird (Target 7.1) und der Anteil erneuerbarer Energien
erhöht und somit auch die Energieeffizienz gesteigert wird (Target 7.2 und 7.3). Die
Schaffung einer Infrastruktur für Fernwärme und Fernkälte betrifft auch SDG 11.
Eine Forderung der Umweltanwaltschaften aus dem
Jahr 201826 war die Umstellung der Fernwä rmeproduktion auf erneuerbare
Energieträger unter Einbeziehung industrieller Abwärme. Diese Forderun –
23 Wagner , Europäisches Umweltrecht – Besonderer Teil in Wagner (Hrsg) Umwelt- und Anlagenrecht Band I:
Interdisziplinäre Grundlagen2 (2021) 311 ff.
24 Wagner in Wagner (Hrsg), Umwelt- und Anlagenrecht Band I2 311 ff.
25 Wagner in Wagner (Hrsg), Umwelt- und Anlagenrecht Band I2 315.
26 Österreichische Umweltanwaltschaften, Stellungnahme zur Klima- und Energiestrategie – mission2030,
Positionspapier der österreichischen Umweltanwaltschaften (2018).
8
Optionen und Maßnahmengen gehen im Einklang mit den genannten Richtlinien. Im Einzelnen wird in der
Stellungnahme der Umweltanwaltschaften Folgendes angeführt : In der öffentlichen
Fernw ärmeproduktion werden mit Erdgas (in gleichem Anteil wie Biomasse) etwas
mehr als 8 TWh Fernwärme erzeugt. Damit läge der Anteil an fossilen Energie –
trägern in der Fernwärme bei rund 53 %. Durch vermehrten Einsatz von Biomasse
(insbesondere durch Verwendung des anfallenden Schadholzes aufgrund von
Sturm- und Kä ferkalamitäten) und großflächiger Solarthermieanlagen seien fossile
Energieträger im Fernw ärmebereich zu ersetzen.27
Eine weitere Forderung der österreichischen Umwelt –
anwaltschaften aus dem Jahr 2018 ist die W ärmewende im Geb äudesektor. Im
Einklang mit den einschlägigen Richtlinien soll diese durch Umstellung auf erneu –
erbare Energieträger erfolgen (ab 2020 keine neuen fossilen Heizungsanlagen, ab
2040 ist der Betrieb solcher Heizungen verboten).28
Im städtischen Bereich steht bereits jetzt teilweise
ein gut ausgebautes Fernw ärmenetz zur Verfügung. Zukünftig könnte vermehrt
Abwärme aus Industrie- und produzierenden Betrieben einbezogen werden. Damit
das urbane Fernw ärmenetz nachhaltig und ausschließlich mit erneuerbaren Ener –
gieträgern betrieben werden kann, könnten die derzeitigen Erzeugungsstrukturen
zusätzlich durch großflächige solarthermischen Anlagen, vorhandene Kraft-Wär –
me-Kopplung-Biomasseheizanlagen (KWK) und Gas-und-Dampf-Kombikraftwerk-
Spitzenkraftwerke (GuD), welche synthetisch hergestelltes Gas ( Power to X- Tech –
nologie) verwenden, ergänzt werden. 29
Im ländlichen und ländlich-urbanen Raum (ohne
Fernw ärmenetz) könnten zukünftig verstärkt Wärmepumpen, ergänzt mit solar –
thermischen Einzelanlagen, zum Einsatz gelangen. Biomassefeuerungsanlagen
in Form von Klein-KWK-Anlagen (Mikro- und Mini-Blockheizkraftwerke) können
zusätzlich zu einer sicheren Stromversorgung auch im Winter beitragen.30
Die Finanzierung der Sanierungsoffensive und der
Umstellung der Heizungsanlagen sowie der Ausbildung der dafür erforderlichen
Fachkräfte müsste – in Übereinstimmung mit der derzeitigen Kompetenzlage – von
den Ländern sichergestellt werden.31
d. Überarbeitung der Bau- und Raumordnungen/Stärkung
der Raumplanung
Gemäß Art. 15 Abs 4 der Erneuerbare-Energien-Richtlinie
müssen die Mitgliedstaaten einen Rahmen schaffen, um ihre
Bau- und Raumordnungen auf die Transformation erneuerbarer
Energien und deren Infrastruktur umzustellen. Diesbezüglich
ist wegen des Föderalismus in 9 verschiedenen Ländern eine
alleinige Umsetzung auf Landesebene nicht zielführend, da
der Bund für die Einhaltung der Klimaziele einstehen muss.
Anzudenken ist ein Rahmengesetz, das all die maßgeblichen
Aspekte für den Bau erneuerbarer Anlagen, die maßgebliche
27 Österreichische Umweltanwaltschaften , Stellungnahme zur Klima- und Energiestrategie – mission2030,
Positionspapier der österreichischen Umweltanwaltschaften (2018).
28 Österreichische Umweltanwaltschaften , Stellungnahme zur Klima- und Energiestrategie – mission2030
(2018).
29 Österreichische Umweltanwaltschaften , Stellungnahme zur Klima- und Energiestrategie – mission2030
(2018).
30 Österreichische Umweltanwaltschaften , Stellungnahme zur Klima- und Energiestrategie – mission2030
(2018).
31 Österreichische Umweltanwaltschaften , Stellungnahme zur Klima- und Energiestrategie – mission2030
(2018).
9
13_06 / Korrekte und engagierte Umsetzung der neuen energie- und klimarelevanten Rechtsakte der EUInfrastruktur sowie die Hausanschlüsse enthält. Sollte dies
nicht erfolgen, wäre auch eine Gliedstaatsvereinbarung nach
Art. 15a B-VG denkbar.32
e. Abwicklung beschleunigter Verfahren bei der Errichtung
von Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energie
Kleinere Anlagen müssen einem beschleunigten Verfahren
unterworfen werden (Genehmigungsdauer unter einem Jahr),
größere Anlagen müssen nach der Richtlinie binnen 2 Jahren
eine Entscheidung über die Genehmigung erhalten. Im Sinne
der nachhaltigen Entwicklungsziele, denen sich Österreich
verpflichtet hat, ist es nicht zielführend, bei konfligierenden
ökologischen Interessen, das eine um des anderen Willens zu
opfern (Beispiel: Konflikt bei Windkraftanlagen, Opferung der
Biodiversität zugunsten des Klimaschutzes oder Kraftwerks –
bauten). Vielmehr ist darauf abzustellen, dass sich die konfligie –
renden Interessen in Einklang bringen lassen.33
f. Energiewende muss naturverträglich abgewickelt werden
(Paket Saubere Energie für alle Europäer )
Bezüglich des Ausbaus der erneuerbaren Energieerzeugung
siehe auch SDG 7 Option 7_01.
−Zu bedenken ist, dass bei der Errichtung und beim Betrieb von
Windkraftanlagen den konfligierenden Interessen Rechnung
getragen werden muss (kollisionsbedingte Mortalität, Verdrän –
gungs- und Störeffekte, Habitatveränderung).
−Zu bedenken ist, dass Wasserkraftwerke zur Unterbrechung
des Fließwasserkontinuums führen und dies Auswirkungen auf
das Ökosystem Fluss hat.
−Zu bedenken ist ferner, dass die Bereitstellung von Biomasse
folgende Prioritäten einzuhalten hat: Lebensmittel und Futter –
produktion vor stofflicher vor energetischer Nutzung. Ebenso
zu bedenken sind Forderungen im Hinblick auf die Biodiversität.
−Zu bedenken ist auch, dass gewissen Formen der Gewinnung
von Solarenergie – sofern sie nicht auf den Dächern erfolgt –
unbebaute Flächen beansprucht, die wiederum in Konkurrenz
zu anderen Nutzungsarten treten (z. B. Landwirtschaft).
g. Forcierung Photovoltaik bei Einfamilienhäusern
Die Erneuerbare-Energien-Richtlinie bezweckt die stärkere Markt –
integration der erneuerbaren Energien, und zwar auch für Einfami –
lienhäuser.34 Werden in Einfamilienhäusern Photovoltaikanlagen
errichtet, so hat der_die Einzelne das Recht, erneuerbare Energie
zu erzeugen, die Überschussproduktion zu speichern und mittels
Verträgen an EU-Versorgungsunternehmen zu verkaufen, gegebe –
nenfalls auch im Rahmen von Förderregeln eine Vergütung für die
ins Netz eigens eingespeiste erneuerbare Energie zu erhalten.35
Im Regierungsprogramm ist ein 1-Million-Dächer-

Programm für Photovoltaikanlagen enthalten. Ob damit die europarechtlich gebo –
32 Wagner in Wagner (Hrsg), Umwelt- und Anlagenrecht Band I2 313.
33 Wagner in Wagner (Hrsg), Umwelt- und Anlagenrecht Band I2 313.
34 EG 66 Richtlinie 2018/2001.
35 Wagner in Wagner (Hrsg), Umwelt- und Anlagenrecht Band I2 311 ff.
10
Optionen und Maßnahmen11tenen Quoten erfüllt werden können, kann hier nicht beurteilt werden.
Im Jahr 2018 gab es von den Umweltanwaltschaften
die Forderung einer Photovoltaik-Offensive mit einer jährlichen Zuwachsrate von
850 MW bis 2030 und 1.000 MW bis 2050 ausschließlich an und auf Gebäuden zu
errichten.36
h. Stärkung der Rechte privater Verbraucher_innen (Art.
23,24 der Richtlinie)
Jedes Fernwärmenetz stellt ein Monopol dar. Bislang war der
Wechsel des Fernwärmeversorgers wie im Strom- und Gasbereich
nicht möglich. Das bewirkt die Bindung von Verbraucher_innen an
den_die Fernwärmeversorger_in und kann die Preise in die Höhe
treiben (bisher war auch die Offenlegung und Kennzeichnung
der in der Fernwärme eingesetzten Brennstoffe nicht notwendig).
Zudem herrscht ein Mangel an Transparenz und Verbraucher_in –
nenrechten im Fernwärme- und Fernkältesektor. Mit der neuen
Erneuerbare-Energie-Richtlinie werden diese Defizite behoben. Es
besteht eine Informationspflicht des_der Fernwärme- und Fern –
kälteerzeuger_in gegenüber Verbraucher_innen über die Energie –
effizienz und den Anteil der erneuerbaren Energien im System. Es
besteht ein Recht der Verbraucher_innen, sich von ineffizienter
Fernwärme loszusagen. Der Anbieter_innenwechsel und ein
diskriminierungsfreier Netzzugang zu neuen Anbieter_innen von
erneuerbarer Fernwärme und -kälte wird garantiert.37
i. Anpassung der Raumordnungsgesetze an die Struktur der
Energieversorgung
In der Erneuerbare-Energie-Richtlinie ist auch vorgesehen, dass
die Raumordnungen bei ihren Entscheidungen die Energiever –
sorgung aus erneuerbaren Energien sowie die Versorgung mit
Fernwärme und Fernkälte mit zu berücksichtigen hat. Hier kann
vermehrt Abwärme aus Industriebetrieben einbezogen werden.38
Der österreichische Raumordnungsgesetzgeber ist hier mehr oder
weniger mit einem Neudenken der Raumordnung konfrontiert
(siehe oben).
2. Energieeffizienz
a. Evaluierung des Energieeffizienzgesetzes
Österreich konnte die Energieeinsparzielsetzungen leicht erreichen,
weil einerseits die Ziele mit der Zeit systematisch sinken und
andererseits die Effizienzgewinne überbewertet werden. So senkt
die Richtlinie die bisherige Energieeinsparungsverpflichtung in
Höhe von 1,5 % auf jährlich 0,8 %.39 Für den Zeitraum 1.1.2021 –
31.12.2030 beträgt das Einsparungsziel daher nur 0,8 %.40
Die Richtlinie sieht verpflichtend die Verbrauchserfassung für
Strom, Gas, Wärme und Kälte durch individuelle Zähler vor. Auch
nach dieser Richtlinie besteht eine Ausbauverpflichtung der
36 Österreichische Umweltanwaltschaften , Stellungnahme zur Klima- und Energiestrategie – mission2030
(2018).
37 Wagner in Wagner (Hrsg), Umwelt- und Anlagenrecht Band I2 315 f.
38 Österreichische Umweltanwaltschaften , Stellungnahme zur Klima- und Energiestrategie – mission2030
(2018).
39 Wagner, Energieeffizienzgesetz in Christian/Kerschner/Wagner (Hrsg), Rechtsrahmen für eine
Energiewende Österreichs (2016), 49 ff.
40 Wagner in Wagner (Hrsg), Umwelt- und Anlagenrecht Band I2 320 f.
13_06 / Korrekte und engagierte Umsetzung der neuen energie- und klimarelevanten Rechtsakte der EU12Fernwärmenetze als Teil der öffentlichen Raumordnung.41
b. Umstellung der öffentlichen Beleuchtung
Wie bereits die Umweltanwaltschaften in ihrem Positionspapier
vom Oktober 201842 dargelegt haben, kann die schrittweise
Umstellung der Außenbeleuchtung Effizienzgewinne generie –
ren: Ein großes Einsparungspotential liegt in der Reduktion
der Außenbeleuchtung (Dauer und Intensität) im öffentlichen
und gewerblichen Bereich. Hier können legislative Maßnahmen
ohne den Einsatz von Kapital nicht nur viel Energie einsparen,
auch die Lichtverschmutzung kann eingedämmt werden.
3. Gebäudesektor
Reduzierungen sowohl des Energiebedarfs als auch
der Emissionen können durch höhere Energiestandards für neue Gebäude sowie
durch die Sanierung des aktuellen Gebäudebestands erreicht werden. Mit der De –
karbonisierung des Gebäudesektors in Österreich wird der Einsatz von Techno –
logien für kohlenstoffarme Gebäudekomponenten, Wärmerückgewinnung und
Heizsysteme notwendig werden. Die grauen Energien und Emissionen in neuen
Konstruktionen können durch die Verwendung von Baumaterialien mit einem nied –
rigen Carbon footprint und insbesondere biogenen Materialien wie Holz, Zellulose,
Stroh usw. reduziert werden.43
a. Gebäudeneubau
Die EE-Richtlinie sieht vor, dass beim Gebäudeneubau zu
prüfen ist, inwiefern Elemente der Versorgung mit erneuerbarer
Energie im Rahmen des Gebäudeneubaus umgesetzt werden
können (Solartechnik, Photovoltaik). Die Verpflichtung muss in
einem Bundesrahmengesetz bzw. in den landesgesetzlichen
Materiengesetzen vorgesehen werden.44
b. Renovierungen
Sowohl die EE-Richtlinie als auch die Gebäude-Richtlinie ent –
halten die Vorgabe, dass bei größeren Renovierungen die
Verpflichtung zur Nutzung erneuerbarer Energie bzw. zur Ge –
bäudeeffizienz schlagend wird. Die diesbezüglichen Renovie –
rungen im Bereich der öffentlichen Gebäude müssen engagiert
betrieben werden.45 In allen Bereichen der Renovierung und
des Neubaus gilt das Prinzip efficiency first .
c. Langfristige Renovierungsstrategie
Entsprechend der Richtlinie 2018/844 müssen die Mitgliedstaaten
langfristige Renovierungsstrategien46 festlegen. Sowohl der
öffentliche, als auch der private Wohn- und Nichtwohnbereich fallen
darunter. Ziel ist ein kosteneffizienter Umbau bestehender Gebäu

de in Niedrigstenergiegebäude47.
41 Wagner in Christian/Kerschner/Wagner (Hrsg), Rechtsrahmen für eine Energiewende Österreichs (2016), 59 ff.
42 Österreichische Umweltanwaltschaften , Stellungnahme zur Klima- und Energiestrategie – mission2030
(2018).
43 The Economic Effects of Achieving the 2030 EU Climate Targets in the Context of the Corona Crisis An
Austrian perspective, noch nicht publizierter Bericht von WegenerCenter, Universität Innsbruck, TU Graz
und Umweltbundesamt)
44 Wagner in Christian/Kerschner/Wagner (Hrsg), Rechtsrahmen für eine Energiewende Österreichs (2016), 64 ff.
45 Wagner in Christian/Kerschner/Wagner (Hrsg), Rechtsrahmen für eine Energiewende Österreichs (2016), 71 ff.
46 Art 2a Richtlinie 2018/844.
47 Art 6 Richtlinie 2018/844.
Optionen und Maßnahmen13Schon die ursprüngliche Gebäudeeffizienz-Richtlinie
2010/31 enthielt als Renovierungsquote für öffentliche Gebäude eine Verpflichtung
zur Renovierung von jährlich durchschnittlich 3 % des Gebäudebestands. Zu
überprüfen wäre, ob Österreich dies erreicht hat. Laut einer aktuellen Studie des
Umweltbundesamts48 betrug der erreichte Renovierungsprozentsatz im Jahr 2018
1,4 %.
Insgesamt prognostiziert die Kommission in der neuen
Gebäudeeffizienz-Richtlinie, dass sowohl für den öffentlichen als auch privaten
Wohnbau im Gesamten eine Renovierungsquote von 3 % nötig wäre. Dazu müssen
die Mitgliedstaaten sowohl für den öffentlichen als auch den privaten Wohn- und
Nichtwohnbereich eine langfristige Renovierungsstrategie festlegen. Die Richt –
linie enthält neben ihrem Kernregelungsbereich der gebäudetechnischen Systeme
(vollständige und homogene Isolierung, Entfernung von Giftstoffen in Wohngebäu –
den) auch das Bekenntnis zu neuen Lösungen im Gebäudebereich (grüne Dächer,
grüne Außenwände, Stadtbegrünung, gut konzipierte Straßenbepflanzung), um die
Gebäudeeffizienz zu verbessern.49
Sanierungsrate
Auf den Gebäudebereich entfallen 40 % des Energieverbrauchs, die jährliche Re –
novierungsquote der EU liegt zwischen 0,4 % und 1,2 %. Der Green Deal forciert
eine Renovierungswelle für öffentliche und private Gebäude, die durchschnittliche
jährliche Quote sollte 3 % betragen (im Positionspapier der Umweltanwaltschaft
werden sogar 5 % gefordert50). Besondere Aufmerksamkeit gilt aber der Renovie –
rung von Sozialwohnungen, Schulen und Haushalten.51
Entsprechend der Gebäudeeffizienz-Richtlinie müssen
ab 01.01.2021 alle neuen Gebäude Niedrigstenergiegebäude sein. Beim Neubau
öffentlicher Gebäude musste dieser Standard bereits ab 01.01.2019 eingehalten
werden. Die Vorreiterrolle des öffentlichen Sektors wird in jedem einschlägigen
EU-Papier betont.
d. Elektroladepunkte
Neu ist, dass Elektroladepunkte vorgeschrieben werden. Bei neuen
Nichtwohnungsgebäuden und Nichtwohnungsgebäuden, die einer
größeren Renovierung unterzogen werden (bei mehr als 10 Stell –
plätzen), muss mindestens ein Elektroladepunkt in erreichbarer
Nähe (im Gebäude oder daneben) vorhanden sein.52 In Bezug
auf neue Wohngebäude und größerer Renovierungen an Wohn –
gebäuden, die über mehr als 10 Stellplätze verfügen, tragen die
Mitgliedstaaten dafür Sorge, dass an jedem Stellplatz die Ladeinf –
rastruktur vorhanden ist. Insofern ist das im Regierungsprogramm
präsentierte Right to Plug schon europarechtlich vorgegeben. Der
Einbau von Ladestationen in Mehrfamilienhäusern ist grundsätz –
lich verpflichtend vorzusehen (außer bei Renovierungen, wenn die
Leistungsinstallation 7 % der Gesamtkosten der Renovierung über –
schreitet). Bei Renovierungen stellt sich das Problem im Miet

rechtsbereich und Miteigentumsbereich. Dazu ist folgendes anzu –
merken: In einer jüngsten Entscheidung des Obersten Gerichtshofs
48 https://www.umweltbundesamt.at/news200428-1 (abgerufen am 5.10.2020).
49 Wagner in Wagner (Hrsg), Umwelt- und Anlagenrecht Band I2 316 f.
50 Positionspapier der österreichischen Umweltanwaltschaften, Stellungnahme zur Klima- und
Energiestrategie -mission2030 (2018).
51 https://www.umweltbundesamt.at/news200428-1 (abgerufen am 5.10.2020).
52 Art 8 Richtlinie 2018/844.
13_06 / Korrekte und engagierte Umsetzung der neuen energie- und klimarelevanten Rechtsakte der EU14(OGH)53 stellt sich das Problem im Miet- und Miteigentumsbereich,
wobei die Rechtslage diesbezüglich verbesserungswürdig ist. Der
OGH hat darin dargelegt, dass einzelne Miteigentümer_innen einen
einphasigen Anschluss bis zu 3,7 kW durchsetzen können. Der
mehrphasige Anschluss bedarf im Wohnungseigentumsverhältnis
des Mehrheitsbeschlusses. Es ist zutreffend und sollte rechtlich
klargestellt werden, dass der Einbau von Elektroladestationen eine
Maßnahme der ordentlichen Verwaltung darstellt, die mit Mehr –
heitsbeschluss durchgesetzt werden kann. Im Mietrechtsverhältnis
sind Vermieter_innen berechtigt, nach § 3 Z 5 MRG Einrichtungen,
die den Energieverbrauch senken, zu installieren und deren Kosten
den Mieter_innen weiterzuberechnen. Unbestritten ist, dass sowohl
die Gebäudeeffizienz-Richtlinie als auch die Erneuerbare-Energie-
Richtlinie sich dazu bekennt, den Gebäudebereich einerseits mög –
lichst energieeffizient zu gestalten, andererseits mit Vorkehrungen
zur Versorgung mit erneuerbarer Energie zu versehen.54
Unbestritten ist, dass nicht nur im privatrechtlichen
Bereich (Wohnungseigentumsgesetz (WEG), Mietrechtsgesetz (MRG)) Novellie –
rungsbedarf besteht, sondern auch in den Bauordnungen beim Neubau und bei der
Renovierung die entsprechenden Verpflichtungen zur Schaffung von Elektrolade –
stationen enthalten sein müssen.
Im Green Deal wird angekündigt, bis 2025 1 Million
öffentliche Ladestationen und Tankstellen für die 13 Millionen emissionsfreien und
emissionsarmen Fahrzeuge, die voraussichtlich auf europäischen Straßen fahren
werden, als Zielwert erreichen zu wollen.55 Es darf freilich nicht verkannt wer –
den, dass sich die Mobilitätswende nicht lediglich im Eins-zu-Eins-Eintausch
Benziner in Elektrofahrzeuge erschöpft, vielmehr die Mobilitätswende alle
Bereiche erfassen muss und eines geänderten Mobilitätsverhaltens – insbe –
sondere im Individualverkehr – bedarf.
e. Lebenszykluskonzept von Gebäuden
Auch der Lebenszyklus der Gebäude ist verstärkt zu berück –
sichtigen:
„Bei der Lebenszyklus-Perspektive geht es darum, dass ‚nicht
Planung- und Errichtungsphase, sondern auch der Betrieb, die
zyklischen Sanierungsarbeiten und der Abriss bzw. die Entsorgung
einzelner Gebäudeteile oder des Gesamtgebäudes zum Lebens –
zyklus eines Bauwerks gehören. […]“56 Schon bei der Errichtung
soll an ein Rückbaukonzept und die Recycelbarkeit der Baustoffe
gedacht werden.57

Zu berücksichtigen ist ferner, dass die Sanierung von Gebäuden dem Neubau vor –
zuziehen ist. Dabei ist die lebenszyklische Berechnung der Energie zu berücksich –
53 OGH 18.12.2019, 5 Ob 173/19f.
54 Fidler , Elektromobilität im Wohnungseigentumsrecht, wobl 2017, 369.
55 Mitteilung Der Kommission An Das Europäische Parlament, Den Europäischen Rat, Den Rat, Den
Europäischen Wirtschafts- Und Sozialausschuss Und Den Ausschuss Der Regionen: Der europäische
Grüne Deal, COM (2019) 640 final, 11.12.2019.
56 Kirchengast/Kromp-Kolb/Steininger/Stagl/Kirchner/Ambach/Grohs/Gutson/Peisker/Strunk , Referenzplan
als Grundlage f ür einen wissenschaftlich fundierten und mit den Pariser Klimazielen in Einklang stehenden
Nationalen Energie- und Klimaplan f ür Österreich (Ref-NEKP) (2019), 165.
57 Kirchengast/Kromp-Kolb/Steininger/Stagl/Kirchner/Ambach/Grohs/Gutson/Peisker/Strunk , Referenzplan
als Grundlage f ür einen wissenschaftlich fundierten und mit den Pariser Klimazielen in Einklang stehenden
Nationalen Energie- und Klimaplan f ür Österreich (Ref-NEKP) (2019), 165.
Optionen und Maßnahmentigen, wo rund 50 % der Energie schon in den Baustoffen verbraucht wird.58
4. Landwirtschaft – Sektor LULUCF
a. Schutz alter Wälder und Erhöhung des Anteils von Totholz
Alte Wälder (Naturwälder) haben großes Potential als Kohlenstoff –
speicher und -senke zu fungieren und somit CO2 aus der Atmo –
sphäre zu absorbieren. Vor allem auf den hohen Totholzanteil wird
hingewiesen, da der Waldboden in der CO2-Bilanz auch eine große
Rolle spielt (vgl. dazu SDG 15 Option 15_04).59

b. Synergien zwischen Klimaschutz und Naturschutz in der
Landwirtschaft
Klimaschutzmaßnahmen und Naturschutz sollen miteinander
einhergehen. Derzeit entsteht politisch oft ein Interessenkonflikt
(Klimaschutz versus Naturschutz), da die Themen meist getrennt
voneinander abgehandelt werden. Besonders die Landwirtschaft ist
jedoch stark bedingt durch die Natur und auf ihren Schutz angewie –
sen (Bodenstruktur, Biodiversität, Nährstoffkreislauf, Erosions- und
Hochwasserschutz, natürliche Schädlingsregulation, etc.).60 Das
Potential der Landwirtschaft, der Erderwärmung entgegenzuwirken,
ist noch nicht ausgeschöpft. Eine vollständige Umstellung auf bio –
logische Landwirtschaft wäre freilich die beste Maßnahme, um die
natürlichen Ressourcen zu schützen.
Maßnahmen um Synergien in der Landbewirtschaftung zu fördern61
−Der Moorschutz durch Moorrestaurierung sowie die Erhaltung von Grünland
können
i. sowohl durch Förderungen (finanziert durch Klimaschutzfonds oder durch
THG-Vermeidungszertifikate);
ii. als auch mittels ordnungsrechtlicher Maßnahmen zum Schutz von Grünland –
flächen garantiert werden.
−Es können durch die Erhöhung der Stickstoffeffizienz beim Düngen Emissionen
vermieden werden (zum Beispiel durch Stickstoff-Steuer, die Anreize schafft,
Dünger noch effizienter einzusetzen).
−Der Einsatz von Reststoffen bei der Biogaserzeugung sollte belohnt werden.
−Vermehrte öffentliche Beratung und Informationsbereitstellung (Effizienzerhö –
hung, die Kostenvorteile für Landwirt_innen hat und gleichzeitig THG-Emissio –
nen reduziert).
−Es sollten vermehrt steuerliche Anreize auch im landwirtschaftlichen Bereich ge –
schaffen werden, vor allem durch Steuervergünstigungen für THG-relevante
Produktionsmittel.62

c. Umstellung auf Humusanreicherung
58 Ipser/Floegl/Mötzl/Huemer-Kals/Radosch/Geissler LEKOECOS : Kombiniertes ökonomisch-ökologisches
Gebäudelebenszyklusmodell (2014); https://nachhaltigwirtschaften.at/resources/hdz_pdf/berichte/
endbericht_1449_lekoecos.pdf (abgerufen am 14.10.2020).
59 Positionspapier der österreichischen Umweltanwaltschaften, Stellungnahme zur Klima- und
Energiestrategie -mission2030 (2018).
60 Schuler/Bues/Henseler/Krämer/Krampe/Kreis/Liebersbach/Osterburg/Röder/Uckert , Instrumente zur
Stärkung von Synergien zwischen Natur- und Klimaschutz im Bereich Landbewirtschaftung, BfN-Skripten
2017/382, 14 ff.
61 Schuler/Bues/Henseler/Krämer/Krampe/Kreis/Liebersbach/Osterburg/Röder/Uckert, Instrumente zur
Stärkung von Synergien zwischen Natur- und Klimaschutz im Bereich Landbewirtschaftung, BfN-Skripten
2017/382, 127 ff.
62 Wagner in Christian/Kerschner/Wagner (Hrsg), Rechtsrahmen für eine Energiewende Österreichs (2016),
102 ff.
15
13_06 / Korrekte und engagierte Umsetzung der neuen energie- und klimarelevanten Rechtsakte der EUDurch die Humusanreicherung kann einerseits CO2 gebunden werden und ande –
rerseits zum Beispiel die Bodenstruktur verbessert, höhere Erträge generiert und
Wasserspeicherf ähigkeit gewährleistet werden. Durch Kohlenstoffbindung sollten
laut den österreichischen Bundesumweltanwaltschaften zumindest die in der
Landwirtschaft produzierten THG ab 2030 kompensiert werden.63

d. Vermeidung Treibhausgasemissionen durch Versiegelungen
Die zunehmende Bodenversiegelung und der Flächenverbrauch durch den Bau von
Straßen und Bauwerken verhindern die Kohlenstoffaufnahme im Boden und reduzie –
ren damit die natürlichen Senken. Darüber hinaus stören sie die Wasserdurchlässig –
keit des Bodens und die Bodenfruchtbarkeit und führen zu erhöhter Hochwasserge –
fahr.
e. Holz als nachhaltiger Baustoff
Es bestehen große Potentiale für Holz als Alternative zu fossilen Baustoffen, was
durch immer mehr Pilotprojekte in allen Bereichen des Hochbaus belegt ist. Be –
sonders große Potentiale liegen im Bereich mehrgeschossiger Wohnbauten und im
öffentlichen Bereich64, wobei die Eigenschaften unterschiedlicher Holzarten zu beach –
ten sind.65 Im Gegensatz zu den fossilen Baustoffen, bei deren Erzeugung Treibhaus –
gase freigesetzt werden, ist Holz eine ziemlich dauerhafte Kohlenstoffsenke.
5. Treibhausgasemissionshandels-Richtlinie
Die in der Richtlinie enthaltenen Möglichkeiten, Ausnahmen vom System des
Treibhausgashandels vorzusehen (neue Kriterien für Carbon-Leakage ), sollten
nicht genutzt werden.
6. Verkehr
Umstellung auf nachhaltige und intelligente Mobilität
Um Klimaneutralität zu erreichen, müssen verkehrsbedingte Emissionen drama –
tisch gesenkt werden. Die Kommission prüft seit Langem auch die Anwendung des
europäischen Emissionshandels auf den Straßenverkehr als Alternative zu einer fixen
CO2-Abgabe.66 Als notorisch festzuhalten ist aus unserer Sicht jedenfalls, dass der
Preis für Verkehrsdienstleitungen die Auswirkungen für die Umwelt widerspiegeln
müsste. D. h. fossile Brennstoffe müssten verteuert (CO2-Steuer) und die Subvention
fossiler Brennstoffe abgeschafft werden.
7. Ganzheitlicher Nachhaltigkeitsansatz Just-Transition
Es müssten jene Bereiche, die unter der Umstellung auf erneuerbare Energien,
der Einführung einer Kohlenstoffbepreisung etc. besonders leiden, im Transfor –
mationsprozess begleitet werden (Gewährleistung von sozialer Sicherheit in der
Energiewende). Kohlenstoffabhängige Bereiche müssen begleitet werden.
13_06 .3.2 Erwartete Wirkungsweise
Eine korrekte Umsetzung der Richtlinien ist erforder –
lich, um die Stellung Österreichs in Sachen Klimaschutz generell zu verbessern.67
Um die Klimaziele erreichen zu können, muss jedenfalls eine engagierte Umset –
zung der Rechtsakte erfolgen, die auf die Inanspruchnahme von möglichen Aus –
63 Positionspapier der österreichischen Umweltanwaltschaften, Stellungnahme zur Klima- und
Energiestrategie -mission2030 (2018).
64 https://www.waldverband.at/proholz-austria-mehr-holzbau-hilft-klima-und-wald/ (abgerufen am 27.10.2020).
65 A. Windsperger/B. Windsperger (Institut für industrielle Ökologie), CO2-Bilanzierung von Bauprodukten
– Aktuelle Praxis der Klimabewertung von Holz- und Massivbaustoffen – Überlegungen zu neuen
methodischen Ansätzen der Bilanzierung (2015).
66 Wagner in Christian/Kerschner/Wagner (Hrsg), Rechtsrahmen für eine Energiewende Österreichs (2016),
64 ff.
67 https://germanwatch.org/sites/germanwatch.org/files/KSI-2019-Zusammenfassung.pdf (abgerufen am
27.10.2020).
16
Optionen und Maßnahmennahmen verzichtet.
Die EU stellt derzeit in Aussicht, die Rechtsakte des
Winterpakets nochmals zu verschärfen. Die Zielvorgaben der EU lagen bisher bei
40 % CO2-Reduktion (im Vergleich zu 1990) bis 2030. Das EU-Klimaziel wurde
jüngst angehoben (mindestens 55 % CO2-Reduktion bis 2030). Eine damit einher –
gehende Verschärfung der angesprochenen EU-Legislativakte wird folgen. Es ist
zu erwarten, dass zusätzliche Anstrengungen von Österreich stets gefordert sind.68
Die Maßnahme engagierte Umsetzung des Winter –
pakets ist somit bereits jetzt ein Muss , um die derzeitigen Zielvorgaben der EU
einhalten zu können und erneute Verfehlungen der Klimaziele hintanzuhalten. Eine
Anpassung des gesetzlichen Rahmens und der (im nationalen Energie- und Klima –
plan [NEKP] vorgeschlagenen) Maßnahmen in Österreich an die Zielvorgaben der
Richtlinie ist unerlässlich. Schon die derzeitige, noch unvollständige Umsetzung
der unionsrechtlichen Vorgaben liefert ein Mehr an Klarheit für Reduktionsszena –
rien und Entwicklungspfade.
13_06 .3.3 Bisherige Erfahrungen mit dieser
Option oder ähnlichen Optionen
Nach der Lastenteilungsverordnung muss Österreich
seine Treibhausgasemissionen bis 2030 um 36 % im Vergleich zu 2005 reduzie –
ren (außerhalb des Emissionshandelssektors). Laut der Wirkungsfolgenanalyse
des Bundesumweltamts können die Treibhausgasemissionen bis 2030 mit den
geplanten zusätzlichen Maßnahmen um 27 % reduziert werden. In einem Szenario
mit bestehenden Maßnahmen (WEM) wird hingegen ein Rückgang von lediglich 16
% erwartet.69
13_06 .3.4 Zeithorizont der Wirksamkeit
Die vorgeschlagenen Maßnahmen sind überwiegend
kurzfristig zu realisieren. Die Umsetzungsfrist der Rechtsakte ist teils bereits ab –
gelaufen, teils läuft sie noch bis 2021. Bis dahin sind die Maßnahmen zu realisie –
ren. Eine über die Vorgaben hinausgehende Umsetzung ist erforderlich, um die
positiven Auswirkungen auf den Klimaschutz bereits zeitnah zu erreichen.
13_06 .3.5 Vergleich mit anderen Optionen,
mit denen das Ziel erreicht werden kann
Zur engagierten und korrekten Umsetzung des kom –
pletten Winterpakets trägt keine andere Option aus UniNEtZ bei. Einzelne andere
Optionen enthalten meist technologische, administrative oder finanzpolitische Vor –
schläge zur Erfüllung von Teilaspekten des Winterpaketes (siehe unten).
68 https://ec.europa.eu/germany/news/20200917-neues-klimaziel_de (abgerufen am 27.10.2020).
69 https://www.umweltbundesamt.at/fileadmin/site/publikationen/rep0738.pdf (abgerufen am 27.10.2020).
17
13_06 / Korrekte und engagierte Umsetzung der neuen energie- und klimarelevanten Rechtsakte der EU13_06.3.6 Interaktionen mit anderen Optionen
−Option 7_01: Ausbau der Erneuerbaren Energien;
−Option 08_02: Investitionsprogramm zur Bewältigung der Covid-19-Wirtschafts –
krise
−Option 08_03: „Faktor X“: Verbesserung der Ressourceneffizienz durch steuer –
liche und regulatorische Maßnahmen;Option 09_01: Entwicklung und Förderung
einer nachhaltigkeitsorientierten Güterverkehrsinfrastruktur ( von der Straße auf
die Schiene );
−Option 10_06: Maßnahmen zur Policy Begleitung;
−Option 11_02: Förderung aktiver Mobilität;
−Option 11_03: Förderung des öffentlichen Verkehrs in kleinen Städten und Ge –
meinden im ländlichen Raum;
−Option 11_06: Bereinigung der Kompetenzzersplitterung im Naturgefahrenrecht;
−Option 11_07: Bewusstsein für Renaturierung schaffen;
−Option 11_08: Schaffung klar definierter Verantwortungsbereiche zwischen staat –
licher Gewährleistungs- und Eigenverantwortung;
−Option 11_10: Treibhausgasemissions-Bonus / Malus-System für öffentliche
Gebäude;
−Option 12_06: Integration von Ökobilanzen in öffentliche Bauausschreibungsver –
fahren unter Berücksichtigung der Pre- und Post-Procurement-Phase;
−Option 13_01: Ökosoziale CO2-Steuerreform;
−Option 15_02: Rettungsinseln für die Natur: Ökoflächen in der Land- und Forst –
wirtschaft zur Bewältigung der Biodiversitätskrise;
−Option 15_04: Nachhaltige Waldbewirtschaftung – Naturschutzelemente im Wirt –
schaftswald;
−Option 15_09: Neudenken des Naturschutzes.
13_06.3.7 Offene Forschungsfragen
−Rechtserheblichkeit des Winterpakets in anderen Ländern;
−Welchen Standard kann und will der_die österreichische Gesetzgeber_in, über
den hier beschriebenen Mindeststandard im Detail, noch leisten;
−Im Gebäudesektor: Verpflichtende Durchführung der Ökobilanz in der Ausschrei –
bung und Vergabe von Gebäuden (vgl. SDG 11_06 und SDG 12_06).
Literatur
A. Windsperger/B. Winds –
perger (Institut für industrielle
Ökologie), CO2-Bilanzierung
von Bauprodukten – Aktuelle
Praxis der Klimabewertung
von Holz- und Massivbaustof –
fen – Überlegungen zu neuen
methodischen Ansätzen der
Bilanzierung (2015)
Fidler, Elektromobilität im
Wohnungseigentumsrecht, wobl
2017, 369
Ipser/Floegl/Mötzl/Hue –
mer-Kals/Radosch/Geissler
LEKOECOS: Kombiniertes öko –
nomisch-ökologisches Gebäu –
delebenszyklusmodell (2014)
Kirchengast/Kromp-Kolb/
Steininger/Stagl/Kirchner/
Ambach/Grohs/Gutson/Peis -ker/Strunk, Referenzplan als
Grundlage f ür einen wissen –
schaftlich fundierten und mit den
Pariser Klimazielen in Einklang
stehenden Nationalen Energie-
und Klimaplan f ür Österreich
(Ref-NEKP) (2019)
Kirchengast/Madner/
Schulev-Steindl/Steininger/
Hollaus/Karl , Flughafen Wien:
Untersagung der dritten Piste
durch das BVwG, RdU 2017/104,
121; BVwG 2.2.2017, W109
2000179-1
Madner/Schulev-Steindl ,
Dritte Piste – Klimaschutz als
Willkür? Anmerkungen zu VfGH
29.06.2017, E 875/2017, E
886/2017, ZÖR 2017, 589
Österreichische
Umweltanwaltschaften , Stellungnahme zur Klima- und
Energiestrategie – mission2030,
Positionspapier der österreichi –
schen Umweltanwaltschaften
(2018)
Schuler/Bues/Henseler/
Krämer/Krampe/Kreis/Liebers –
bach/Osterburg/Röder/Uckert ,
Instrumente zur Stärkung von
Synergien zwischen Natur- und
Klimaschutz im Bereich Land –
bewirtschaftung, BfN-Skripten
2017/382
The Economic Effects of
Achieving the 2030 EU Climate
Targets in the Context of the
Corona Crisis An Austrian per –
spective, noch nicht publizierter
Bericht von WegenerCenter,
Universität Innsbruck, TU Graz
und Umweltbundesamt)Wagner , Die Judikatur zur „3.
Piste“ – Vom Senkrechtstart zur
Bruchlandung in Sachen Klima –
schutz, ZGV 2017, 282
Wagner , Energieeffizienz –
gesetz in Christian/Kerschner/
Wagner (Hrsg), Rechtsrahmen
für eine Energiewende Öster –
reichs (2016), 49
Wagner, Europäisches
Umweltrecht – Besonderer Teil
in Wagner (Hrsg) Umwelt- und
Anlagenrecht Band I: Interdiszi –
plinäre Grundlagen2 (2021)
Wagner , Was bislang ge –
schah: Staatszieldebatte/VfGH
hebt Urteil Dritte Piste auf, RdU
2017, 149
18

0 Kommentare

Dein Kommentar

An Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns Deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar