SDG_12_Option_12_04_pdf_PT_freigabe_20231119_182402.txt

Optionen
und
Maßnahmen
Österreichs Handlungsoptionen
zur Umsetzung
der UN-Agenda 2030
für eine lebenswerte Zukunft.
UniNEtZ –
Universitäten und nachhaltige
Entwicklungsziele
Optionen und Maßnahmen
12_04 / Änderung des Abfallregimes (Beginn und Ende der Abfalleigenschaft)
zur Verstärkung der Kreislaufwirtschaft12_04
Target 12.4,12.5,11.6,14.1 Autor_innen:
Bergthaler, Wilhelm ( Johannes-Kepler-Universität );
Krasznai, Reka ( Haslinger/Nagele Rechtsanwälte )
Reviewer_innen:
Allesch, Astrid ( Universität für Bodenkultur Wien );
Scherhaufer, Silvia ( Universität für Bodenkultur Wien )Änderung des Abfallregimes
(Beginn und Ende der Abfalleigenschaft)
zur Verstärkung der Kreislaufwirtschaft

3 12_04.1 Ziele der Option
3 12_04 .2 Hintergrund der Option
4 12_04 .3 Optionenbeschreibung
4 12_04 .3.1 Beschreibung der Option bzw. der zugehörigen Maßnahmen
bzw. Maßnahmenkombinationen
7 12_04 .3.2 Erwartete Wirkungsweise
8 12_04 .3.3 Bisherige Erfahrungen mit dieser Option oder ähnlichen
8 12_04 .3.4 Zeithorizont der Wirksamkeit
8 12_04 .3.5 Vergleich mit anderen Optionen, mit denen das Ziel erreicht werden kann
8 LiteraturInhalt
Optionen und Maßnahmen12_04.1 Ziele der Option
Ziel der Option ist, Schwachstellen und Vollzugspro –
bleme des österreichischen Abfallregimes – insbesondere betreffend den Beginn
und das Ende der Abfalleigenschaft – im Hinblick auf abfallspezifische Nachhaltig –
keitsziele auszumerzen; dies bezieht sich vorrangig auf Target 12.5 („ Abfallauf –
kommen durch Vermeidung, Verminderung, Wiederverwertung und Wiederverwen –
dung deutlich verringern “ bis 2030 (Vereinte Nationen (UN), 2015, S. 24)), darüber
hinaus betroffen sind auch die Targets 11.6, 12.2, 12.4 und 14.1.
Konkret sollen einerseits durch Klarstellungen zum
Abfallbegriff Wiederverwendungen erleichtert werden, weil bestimmte Materia –
lien, die Gegenstand von Forschungstätigkeiten sind, in größerem Umfang als
bisher vom Abfallregime ausgenommen werden, sowie andererseits Rückführun –
gen aufbereiteter Abfälle in den Wirtschaftskreislauf gefördert werden (weil das
Abfallende generell durch eine Aufbereitung produktgleiche Qualität erlangt und
das Recyclingprodukt damit sofort marktfähig wird). Gerade für Universitäten und
Fachhochschulen ist es essenziell, für Forschungsarbeiten Ausnahmen von den
abfallrechtlichen Regelungen vorzusehen. Dies beginnt bei der Abfalleinstufung
und gilt für den gesamten rechtlichen Weg des Abfalls bis hin zum Ende der Abfall –
eigenschaft.
Umzusetzen ist dies durch eine Novellierung des
österreichischen Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 (die im Zuge der Umsetzung
des EU-Kreislaufwirtschaftspakets ohnehin notwendig ist). Die vorgeschlagenen
Änderung en bewegen sich im Rahmen des Unionsrechts.
12_04.2 Hintergrund der Option
Ausgangspunkt dieser Option ist die besondere Aus –
prägung des österreichischen Abfallbegriffs und der damit zusammenhängenden
Regelungen betreffend der Nebenprodukte, Wiederverwendung und Verwertung
sowie des Abfallendes, die in der aktuellen Vollzugspraxis dazu führen, dass
—einerseits Stoffe, für die noch ein sinnvoller Verwendungszweck im Wirtschafts –
kreislauf besteht, zu früh als Abfall deklariert werden und
—andererseits Stoffe, die als Abfall anfallen, aber für eine sinnvolle Verwendung
aufbereitet werden, zu spät aus dem Abfallregime entlassen werden.

Dies führt dazu, dass Materialkreisläufe durch spezifisch abfallrechtliche Regula –
rien unnötig behindert werden. Beispiele:
1) Ein Elektrogerät, welches in die kommunale Altstoff –
sammelstelle gebracht wird, wird als Abfall deklariert, weil sich der_die Besitzer_in
dessen entledigen will. Nur weil der_die Besitzer_in eine Entledigungsabsicht hat,
heißt das nicht zwingend, dass das Elektrogerät nicht mehr funktioniert. Das heißt,
das Gerät könnte noch weiter genutzt werden, dies wird aber rechtlich erschwert,
sobald es als Abfall qualifiziert wird, weil es in weiterer Folge den abfallrechtlichen
Regelungen unterliegt.
2) Nicht kontaminiertes Bodenaushubmaterial, das aus
rechtlicher Sicht zum Abfall geworden ist, weil sich der_die Besitzer_in im Zuge
eines Bauvorhabens des Materials entledigt hat, verliert erst dann seine Abfall –
eigenschaft, wenn es anstatt eines Primärrohstoffs unmittelbar verwendet bzw.
verfüllt wird. Bis zur konkreten Verfüllung gilt das Bodenaushubmaterial als Abfall
und unterliegt dem Abfallregime – es kann daher insbesondere nur von Personen
3
12_04 / Änderung des Abfallregimes (Beginn und Ende der Abfalleigenschaft)
zur Verstärkung der Kreislaufwirtschaftverwertet werden, die über eine abfallrechtliche Behandlererlaubnis gemäß §24a
Abfallwirtschaftsgesetz (AWG) 2002 verfügen.
12_04 .3 Optionenbeschreibung
In diesem Abschnitt werden die zugehörigen Maßnah –
men bzw. Maßnahmenkombinationen der entwickelten Option beschrieben. Für die
Umsetzung der vorgeschlagenen Option sind Maßnahmen innerhalb der folgenden
zwei Maßnahmenkombinationen notwendig:
1) Abfalleinstufung (Definition Abfallbegriff)
2) Ende der Abfalleigenschaft
12_04.3.1 Beschreibung der Option
bzw. der zugehörigen Maßnahmen
bzw. Maßnahmenkombinationen
1) Abfalleinstufung (Definitionen Abfallbegriff)
Der Rechtsbegriff Abfall wird in § 2 Abs 1 AWG 2002
definiert. Abfälle sind demnach „ bewegliche Sachen,
—deren sich der Besitzer entledigen will oder entledigt hat“ (subjektiver Abfallbe –
griff) oder
—„deren Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforder –
lich ist, um die öffentlichen Interessen (§ 1 Abs 3 AWG 2002) nicht zu beein –
trächtigen.“ (objektiver Abfallbegriff)
Determiniert wird diese Definition durch den unions –
rechtlichen Abfallbegriff in Art  3 Abs 1 Abfallrahmenrichtlinie, RL 2008/98/EG:
„Abfall ist jeder Stoff oder Gegenstand, dessen sich
sein Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muss.“
Während sich also der subjektive Abfallbegriff des
AWG 2002 („ entledigen will oder entledigt hat“ ) mit dem unionsrechtlichen Wort –
laut im Wesentlichen deckt („ entledigt, entledigen will“ ), weicht der österreichische
objektive Abfallbegriff („ deren Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung
als Abfall erforderlich ist, um die öffentlichen Interessen (§1 Abs .3 AWG 2002)
nicht zu beeinträchtigen“ ) vom unionsrechtlichen („ entledigen muss“ ) ab (Krämer,
2000; Berl, 2013; Krasznai, 2019).
Der subjektive Abfallbegriff gemäß § 2 Abs 1 Z 1 AWG
2002 („ entledigen will oder entledigt hat“ ) deckt sich im Wesentlichen mit dem
unionsrechtlichen Wortlaut („ entledigt, entledigen will“ ). Zentrale Rolle spielt dabei
der Entledigungswille bzw. die Entledigungsabsicht des_der Besitzer_in. Weder
das AWG 2002 noch die Abfallrahmenrichtlinie sehen Kriterien für die Ermittlung
der Entledigungsabsicht vor. Es ist daher anhand von objektiven Anhaltspunkten
festzustellen, ob sich der_die Besitzer_in einer Sache entledigen will. (Krasznai,
2019) Die dazu ergangene Rechtsprechung – sowohl auf unionsrechtlicher, als
auch nationaler Ebene – ist sehr weitreichend und geht zum Teil von einem weiten
Entledigungsbegriff aus. Diese weite Auslegung führt dazu, dass Sachen, ohne
dass eine Gefahr für Mensch und Umwelt von ihnen ausgeht, lediglich aufgrund
des (Entledigungs-)Willens des_der Besitzer_in rechtlich als Abfälle eingestuft
werden, in weiterer Folge den umfassenden abfallrechtlichen Bestimmungen unter –
liegen und daher nur eingeschränkt marktfähig bleiben.
Um die Kreislaufwirtschaft zu fördern, bedürfte es
von Gesetzes wegen einer Einschränkung des subjektiven Abfallbegriffs bzw. der
4
Optionen und MaßnahmenDeterminierung der Entledigungsabsicht, um weite Gesetzesauslegungen durch
Höchstgerichte hintanzuhalten. Dem_der österreichischen Gesetzgeber_in kommt
dabei wenig Spielraum zu – der subjektive Abfallbegriff des AWG 2002 entspricht
der Abfalldefinition der Abfallrahmenrichtlinie –, vielmehr müsste eine entspre –
chende Ergänzung in der Abfallrahmenrichtlinie erfolgen.
Anders verhält es sich mit dem österreichischen objek –
tiven Abfallbegriff nach § 2 Abs 1 Z 2 AWG 2002. Dieser weicht von der unions –
rechtlichen Definition („ entledigen muss“ ) insofern ab, als er die Behandlung einer
Sache als Abfall normiert, um die öffentlichen Interessen gemäß § 1 Abs 3 AWG
2002 nicht zu beeinträchtigen. (Krämer, 2000; Krasznai, 2019)
In welchen Fällen eine Entledigungspflicht nach dem
Unionsrecht besteht, wird in der Abfallrahmenrichtlinie nicht näher definiert. Ledig –
lich aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) (z. B. EuGH
7.9.2004, Rs C-1/03, Paul Van de Walle) lassen sich Anhaltspunkte dafür ableiten,
dass ein „entledigen müssen“ sich ausdrücklich aus einer Rechtsvorschrift erge –
ben muss (siehe z. B. Richtlinie 96/59/EG über die Beseitigung polychlorierter Bi –
phenyle und polychlorierter Terphenyle, wonach Altöl, das mehr als 50 ppm enthält,
beseitigt werden muss) (Piska, 2007; Krasznai, 2019).
Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass der objek –
tive Abfallbegriff des AWG 2002 in Verbindung mit dem öffentlichen Interessens –
katalog des § 1 Abs 3 AWG 2002 über die unionsrechtlichen Vorgaben hinaus –
geht. So können nach österreichischem Recht bewegliche Sachen beispielsweise
lediglich aus dem Grund, dass die bloße Möglichkeit einer Gefährdung irgendeines
öffentlichen Interesses (wie z. B. des Kulturgüterschutzes) besteht (ohne, dass
es darauf ankäme, dass konkret ausreichend Vorsorge getroffen wird), als Abfälle
eingestuft werden (Krämer, 2000; Berl, 2013; Krasznai, 2019). Es kommt daher
gewissermaßen zu einer Abfalleinstufung auf Verdacht , die sowohl Forschung als
auch Innovation blockiert.
Bedenkt man, dass an die rechtliche Einstufung einer
Sache als Abfall umfassende Rechtsfolgen geknüpft sind – nämlich die Anwen –
dung der abfallrechtlichen Regelungen des AWG 2002 und seiner Durchführungs –
verordnungen – ist es fraglich, ob nicht im Sinne der obersten Stufe der in § 1 Abs
2 AWG 2002 normierten Abfallhierarchie sowie der Abfallvermeidung, die von einer
Sache ausgehenden Auswirkungen auf öffentliche Interessen durch andere Maß –
nahmen, die weniger weitreichend sind, beseitigt werden könnten.
Ein zeitgemäßer Abfallbegriff sollte nämlich einerseits
den durch das Abfallrecht gebotenen Gesundheits- und Umweltschutz sicherstel –
len, anderseits aber im Sinne der Abfallhierarchie auch den Ressourcenschutz
fördern . Der Abfallbegriff der Abfallrahmenrichtlinie wird dieser Anforderung besser
gerecht als die gegenwärtige österreichische Umsetzung, sodass die Abfalldefini –
tion im AWG 2002 an die Abfallrahmenrichtlinie angepasst werden sollte (Niede –
rhuber, 2000; Piska, 2003; Piska, 2007, Berl 2013; Krasznai, 2019).
Dies könnte durch eine Adaptierung des bestehenden
Gesetzestextes (z. B. durch die Einschränkung des öffentlichen Interessenskata –
logs in § 1 Abs 3 AWG 2002) erfolgen, oder durch eine gänzliche Neuformulierung
der Abfalldefinition in § 2 Abs 1 Z 2 AWG 2002 im Sinne der unionsrechtlichen
Bestimmung („ entledigen muss“ ).
In jedem Fall aber sollte die Abfalleinstufung einer
Sache durch ihre bestimmungsgemäße Verwendung ausgeschlossen werden.
Eine solche Ausnahme besteht zwar schon nach geltendem Recht (§ 2 Abs 3 Z 2
AWG 2002), allerdings wird diese nach der ständigen Judikatur insofern restriktiv
5
12_04 / Änderung des Abfallregimes (Beginn und Ende der Abfalleigenschaft)
zur Verstärkung der Kreislaufwirtschaftausgelegt, als einer Sache grundsätzlich nur eine mögliche bestimmungsgemäße
Verwendung zugesprochen wird. Im Sinne der Abfallhierarchie sollte das Tatbe –
standselement bestimmungsgemäß weit ausgelegt und somit einer Sache mehrere
mögliche bestimmungsgemäße Verwendungszwecke zugestanden werden (Piska,
2003; Krasznai 2019). So könnte die Verwendung einer beweglichen Sache für
Forschungsarbeiten beispielsweise durchaus noch als eine bestimmungs –
gemäße Verwendung erachtet und dadurch Forschungstätigkeiten, die der
besseren Umsetzung der Abfallhierarchie dienen, erleichtert werden. Durch
eine entsprechende Adaptierung des Gesetzestextes könnte eine solch weite Aus –
legung sichergestellt werden.
Maßnahme:
Einschränkung des subjektiven Abfallbegriffs in der Abfallrahmenrichtlinie durch
Determinierung der Entledigungsabsicht
Maßnahme:
Anpassung des österreichischen Abfallbegriffs gemäß § 2 Abs 1 AWG 2002, ins –
besondere des objektiven Abfallbegriffs, an die unionsrechtlichen Vorgaben.
Maßnahme:
Weite Auslegung der „bestimmungsgemäßen Verwendung“ iSd § 2 Abs 3 Z 2
AWG 2002 .
2) Entlassung aus dem Abfallregime
Bewegliche Sachen, die einmal zu Abfällen wurden,
können bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen die Abfalleigenschaft aus
rechtlicher Sicht wieder verlieren. Wann die Abfalleigenschaft endet, bzw. unter
welchen Voraussetzungen, wird in § 5 AWG 2002 geregelt.
Die rechtliche Qualifikation einer Sache als Abfall
bedeutet somit nicht, dass diese Sache für immer im Regime des Abfallrechts
verbleibt. Regelungen zum Ende der Abfalleigenschaft ermöglichen einen Ausweg
aus dem Abfallrecht – mit der Konsequenz, dass eine Sache, nachdem sie die für
Abfälle geltenden Bestimmungen durchlaufen hat, rechtlich wieder als Produkt
dem Wirtschaftskreislauf zugeführt wird. Aus diesem Grund ist das Abfallende ein
wichtiges Rechtsinstrument für die Ressourcenschonung und spielt eine bedeuten –
de Rolle bei der Umsetzung einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft (Krasznai,
2019).
Eine zu einem Abfall gewordene Sache kann ihre Ab –
falleigenschaft gemäß § 5 Abs 1 AWG 2002 allerdings nur dann wieder verlieren
und aus rechtlicher Sicht zum Produkt werden, wenn sie unmittelbar als Substitu –
tion von Rohstoffen oder von aus Primärrohstoffen erzeugten Produkten verwendet
wird. Maßgeblich für das Abfallende ist daher erst der konkrete Einsatz eines
Abfalls als Rohstoffsubstitution, nicht aber, wie dies auch die Regelung der
Abfallrahmenrichtlinie vorsieht, die Qualität des aufbereiteten Abfalls . Nur
wenn eine spezielle Abfallende-Verordnung gemäß § 5 Abs 2 AWG 2002 erlassen
wurde, kann die Abfalleigenschaft einer Sache vorzeitig, d. h. vor ihrem konkreten
Einsatz, enden. Abfallende-Verordnungen wurden auf nationaler Ebene bisher nur
sehr eingeschränkt für bestimmte Abfallströme, insbesondere für Kompost, Recyc –
lingholz sowie Recycling-Baustoffe, erlassen. Ohne eine solche Abfallende-Verord –
nung können Abfälle, auch wenn sie durch eine entsprechende Abfallbehandlung
zu einer Qualität aufbereitet wurden, die mit einem Primärprodukt vergleichbar
ist, nach österreichischem Recht erst durch eine unmittelbare Verwendung ihre
Abfalleigenschaft verlieren. Bis zu diesem Zeitpunkt unterliegen die Abfälle dem
Geltungsbereich des Abfallrechts.
6
Optionen und MaßnahmenFür das Ende der Abfalleigenschaft sollte, wie es
auch Art 6 Abs 1 Abfallrahmenrichtlinie in der Fassung der RL (EU) 2018/851 vor –
sieht, grundsätzlich die Qualität bzw. die stofflichen Eigenschaften des Abfalls
maßgeblich sein. Das Abfallende gemäß § 5 Abs 1 AWG 2002 sollte daher vor –
verlagert werden und dann eintreten, wenn der Abfall zu einer produktähnlichen
Qualität aufbereitet wird und folglich – als contrarius actus zur Abfalleinstufung
einer Sache aus objektiver Sicht – von diesem Abfall keine Gefahr mehr für die
öffentlichen Interessen ausgeht (Piska, 2007; Piska, 2017; Krasznai, 2019). Wann
die produktähnliche Qualität erreicht ist, würde im Einzelfall von der zuständigen
Abfallbehörde – allenfalls in Anlehnung an technische Gutachten, wie z. B. dem
Bundes-Abfallwirtschaftsplan 2017 – festgelegt werden. Der_Dem zuständigen
Bundesminister_in würde es darüber hinaus weiterhin offenstehen, das Abfallende
für eine bestimmte Abfallart in Form einer Verordnung zu regeln und darin gene –
relle und einheitliche Vorgaben für die produktähnliche Qualität dieser Abfallart
festzulegen.
Durch ein allgemein gültiges vorzeitiges Abfallende
wird die weitere Verwendung der Sache erleichtert bzw. gefördert, da sie als Pro –
dukt nicht mehr den abfallrechtlichen Regelungen unterliegt (und somit auch von
Personen verwendet werden kann, die nicht über eine abfallrechtliche Erlaubnis
gemäß § 24a AWG 2002 verfügen). Die tatsächliche Verwendung des Abfalls, im
Sinne eines unmittelbaren Einsatzes, als Voraussetzung für den Verlust der Abfall –
eigenschaft, so wie nach derzeitiger Rechtslage gefordert, scheint vor dem Hinter –
grund einer Kreislaufwirtschaft nicht mehr zeitgemäß.
Maßnahme: Anpassung der österreichischen Abfal –
lende-Regelung gemäß § 5 Abs 1 AWG 2002 an die unionsrechtlichen Vorgaben.
Maßnahme: Anknüpfung an die produkt- bzw. primär –
rohstoff ähnliche Qualität eines Abfalls für das Ende der Abfalleigenschaft.
12_04 .3.2 Erwartete Wirkungsweise
Eine Änderung dieser zentralen abfallrechtlichen Be –
stimmungen wird eine Umstellung für die österreichische Abfallwirtschaft – sowohl
für die Rechtsanwender_innen als auch die Vollzugsbehörden sowie Verwaltungs –
gerichte – bedeuten und anfänglich möglicherweise auch mit Rechtsunsicherheiten
verbunden sein (Krasznai, 2019).
Auf lange Sicht wäre eine entsprechende Rechtsfort –
bildung aber nicht nur aufgrund der stärkeren Harmonisierung mit den unionsrecht –
lichen Vorgaben, sondern vor allem im Hinblick auf die Förderung einer nachhalti –
gen, europaweiten Kreislaufwirtschaft zweckmäßig. Stoffe bzw. Materialien können
länger im Wirtschaftskreislauf verbleiben, Abfälle können schneller wieder in den
Wirtschaftskreislauf gelangen. Dadurch kann, neben der Schutzfunktion, auch die
Nutzfunktion des Abfallrechts im Sinne des Ressourcenschonungsziels in § 1 Z 3
AWG 2002 verstärkt zum Tragen kommen.
12_04.3.3 Bisherige Erfahrungen
mit dieser Option oder ähnlichen Optionen
Erfahrungen zu der vorgeschlagenen Option gibt es
aus dem deutschen Recht. Das deutsche Kreislaufwirtschaftsgesetz hat sowohl im
Hinblick auf den Abfallbegriff als auch in Bezug auf das Abfallende die Regelungen
aus der Abfallrahmenrichtlinie übernommen und diese im Zuge ihrer Umsetzung le –
diglich präzisiert (siehe § 5 Kreislaufwirtschaftsgesetz; Berl, 2013; Krasznai, 2019).
7
12_04 / Änderung des Abfallregimes (Beginn und Ende der Abfalleigenschaft)
zur Verstärkung der KreislaufwirtschaftAuch andere EU-Mitgliedstaaten folgen durch die
meist wortwörtliche Übernahme des Richtlinientextes den unionsrechtlichen Vorga –
ben und lassen insbesondere die Abfalleigenschaft einer Sache enden, sobald sie
zu einer produktähnlichen Qualität aufbereitet wurde, ohne dass die unmittelbare,
tatsächliche Verwendung der Sache gefordert wird.
12_04 .3.4 Zeithorizont der Wirksamkeit
Die vorgeschlagenen Änderungen könnten im Rahmen
der nächsten Novelle des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002, die aufgrund der Imple –
mentierung des EU-Kreislaufwirtschaftspakets ohnehin ansteht (die Umsetzungs –
frist endete am 5. Juli 2020), umgesetzt werden.
12_04 .3.5 Vergleich mit anderen Optionen,
mit denen das Ziel erreicht werden kann
Option 12.1: Maßnahmenkombination 2: Ganzheitliche
Verwendung von Rohstoffen und alternativen Rohstoffquellen (Hier vor allem aus
Halden, Deponien oder während des Abbaus).
Option 12.2: Aktionsplan Hochwertiges Recycling:
Design for Recycling, Schadstofffreiheit & Einsatz von Sekundärrohstoffen.
8Literatur
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