SDG_03_Option_03_11_pdf_20231119_182344.txt

Optionen
und
Maßnahmen
Österreichs Handlungsoptionen
zur Umsetzung
der UN-Agenda 2030
für eine lebenswerte Zukunft.
UniNEtZ –
Universitäten und Nachhaltige
Entwicklungsziele
Optionen und Maßnahmen
03_11 / Ausbau der ELGA03_11
Target 3.8Lead – Autor_innen:
em. o. Univ. – Prof. DI Dr. Pfeiffer, Karl Peter
(Fachhochschule Joanneum )
Co – Autor_innen:
Mair, Katharina ( Medizinische Universität Wien,
Studentin )Ausbau der ELGA
3 Abbildungsverzeichnis
3 Tabellenverzeichnis
4 03_11 .1 Ziele der Option
4 03_11 .2 Hintergrund der Option
6 03_11 .3 Optionenbeschreibung
6 03_11 .3.1 Beschreibung der Option bzw. der zugehörigen Maßnahmen
bzw. Maßnahmenkombinationen
7 03_11 .3.2 Erwartete Wirkweise
8 03_11 .3.3 Bisherige Erfahrungen mit dieser Option oder ähnlichen Optionen
9 03_11 .3.4 Zeithorizont der Wirksamkeit
9 03_11 .3.5 Vergleich mit anderen Optionen,
mit denen das Ziel erreicht werden kann
10 03_11 .3.6 Interaktionen mit anderen Optionen
12 03_ 11.3.7 Offene Forschungsfragen
12 LiteraturInhalt
Optionen und Maßnahmen303_11.1 Ziele der Option
Hauptziel der Option ist der Ausbau der elektroni –
schen Gesundheitsakte ( ELGA ) zu einem institutionsübergreifenden und auch
Landesgrenzen überschreitenden Informationssystem für alle Gesundheitsdienste –
anbieter_innen und auch Patient_innen. Wie man schon bei vielen Krankenhaus –
informationssystemen sehen konnte, kann die Zahl der Dokumente für Patient_in –
nen oft sehr umfangreich sein, weshalb Filterfunktionen zur Verfügung zu stellen
sind, um den Nutzer_innen eine Übersicht über die für sie relevanten Dokumente
zu geben. Hier könnte die Umsetzung von standardisierten, strukturierten Zusam –
menfassungen der Patient_innenhistorie, sogenannten Patient Summaries , sehr
hilfreich sein. Patient Summaries enthalten in einer übersichtlichen Darstellung
die wichtigsten Diagnosen, Prozeduren, Medikamente etc. Sie haben derzeit je
nach KIS-Anbieter und Krankenanstalt unterschiedliche Merkmale.
Basierend auf den in ELGA verfügbaren Daten sollen
durch den Einsatz von Methoden der künstlichen Intelligenz zusätzlich entschei –
dungsunterstützende Systeme in Verbindung mit klinischen bzw. medizinischen
Leitlinien die Qualität und Effizienz der Diagnose und Therapie erhöhen.
03_11.2 Hintergrund der Option
Mit der Implementierung von ELGA (Eletronische
Gesundheitsakte (ELGA), 2020) wurde in Österreich ein wichtiger Schritt für
eine patient_innenzentrierte Kommunikation gesetzt. Derzeit sind einerseits nur
sehr wenige Inhalte in ELGA gespeichert wie z. B. Entlassungsbriefe, Laborbe –
funde, Radiologiebefunde und Medikamente, andererseits haben von den mög –
lichen Gesundheitsdiensteanbieter_innen derzeit nur berechtigte Ärzt_innen und
Krankenanstalten Zugriffsrechte. Patient_innen haben ebenfalls Zugriff auf ihre
eigenen ELGA -Daten. Apotheken haben über die eCard der Patient_innen Zugang
zu den verordneten Medikamenten. Die Krankenhausinformationssysteme, die in
vielen Krankenanstalten bzw. bei vielen Träger_innen von Krankenanstalten bereits
seit langer Zeit implementiert sind, beinhalten wesentlich mehr Daten als derzeit
in ELGA verfügbar. Ebenso nutzen sehr viele Ärzt_innen und Ambulatorien eigene
Praxisinformationssysteme, sodass auch diese Informationen in ELGA eingebun –
den werden könnten.
Nicht zuletzt könnten Patient_innen und Bürger_innen
gesundheitsrelevante Daten und Informationen im Sinne eines Personal Patient
Records einbringen und einsehen (Ammenwerth et al. 2021; Neves et al. 2020).
Ebenso könnten Daten von Apps und telemedizinischen Anwendungen direkt in
ELGA eingebracht werden, sodass diese Daten, wenn sie optimal aufbereitet wer –
den, die Tätigkeit von Gesundheitsdienstleister_innen unterstützen können.
Aus Sicht der Finanzierung bedeutet die zeit- und
ortsunabhängige Verfügbarkeit von patientenbezogenen Daten eine Effizienz –
steigerung, z. B. die Vermeidung von Mehrfachuntersuchungen, die Vermeidung
von Verschreibungen von Medikamenten mit ähnlichen Wirkstoffen sowie die
bessere Information zu Medikamenten mit Wechselwirkungen. Die Verschreibung
von Medikamenten im Rahmen von ELGA , die sog. eMedikation bzw. das eR –
ezept, verknüpft mit entscheidungsunterstützenden Systemen, hätte das Potential
Mehrfachverschreibungen (Polypharmazie) oder Verschreibungen mit antagonisti –
scher Wirkung zu vermeiden. Studien zeigen, dass bei Patient_innen, die über 60
03_11 / Ausbau der ELGA4Jahre alt sind, ÜBER 25 % von Polypharmazie betroffen sind (Deutsche Gesell –
schaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM), 2017; Schuler et al.
2008). Ein Überblick über die aktuellen Verschreibungen auf Basis der eMedika –
tion könnte wesentlich zur Qualitätssteigerung beitragen und sogar vermeidbare
Todesfälle verhindern.
Der Vorteil von ELGA ist die Nutzung von technischen
und semantischen Standards, die auch bei einer Weiterentwicklung benutzt wer –
den, um die Interoperabilität in Krankenhaus- und Praxisinformationssystemen zu
gewährleisten.
03_11.3 Optionenbeschreibung
03_11 .3.1 Beschreibung der Option
bzw. der zugehörigen Maßnahmen
bzw. Maßnahmenkombinationen
ELGA sollte ausgebaut werden, indem weitere Funk –
tionen eingeführt und der extramurale Bereich sowie weitere Gesundheitsdienste –
anbieter ( GDA ) eingebunden werden. Weiters sollte es bei einem Ausbau auch
möglich sein, dass andere GDAs auch Dokumente in standardisierter Form in
ELGA einbringen.
−Bürger_innen bzw. Patient_innen soll es ermöglicht werden, in einem Personal-
Health-Record (PHR ) gesundheitsbezogene Daten dokumentieren und auch ein –
sehen zu können. Ein wichtiger Input könnte von diversen Apps und telemedizini –
schen Anwendungen online kommen, ebenso wie von Patient_innentagebüchern,
Herz-Schrittmachermonitoring etc.
−Da die in ELGA oder im PHR enthaltenen Daten sehr umfangreich werden
könnten, müssen Unterstützungen für die GDAs entwickelt werden. Das können
fach- oder personenspezifische Filterfunktionen sein, um z. B. die für ein Fach
relevanten Daten übersichtlich zur Verfügung zu stellen, wobei immer der Zugriff
auf alle weiteren Daten möglich sein sollte.
−Um die Übersichtlichkeit zu erhöhen, wurden bereits Pilotprojekte in der Steier –
mark mit einer sog. Patient Summary durchgeführt. Dabei werden automatisiert
aus den bestehenden Dokumenten wesentliche Informationen, wie z. B. Diagno –
sen, Prozeduren, Medikamente, Allergien usw. extrahiert und in einer übersicht –
lichen komprimierten Form dargestellt.
−Der Einsatz von künstlicher Intelligenz in Form von (institutionsübergreifenden)
entscheidungsunterstützenden Systemen oder Verfahren zur Bild- und Signal –
verarbeitung wird in den nächsten Jahren zunehmen. Potenziale und Gefahren
dieser Systeme sollten frühzeitig geprüft und in die gesundheitspolitischen Über –
legungen integriert werden. Die Nutzung vorhandener Daten in entscheidungs –
unterstützenden Systemen wäre ein wichtiger Schritt für ein zukunftsfähiges
System.
−Daten aus der ELGA könnten in anonymisierter Form für Forschungszwecke zur
Verfügung gestellt werden.
Beschreibung von potenziellen Konflikten,
Systemwiderständen sowie Barrieren
Der größte Widerstand gegen ELGA ist aufgrund des
hohen Dokumentationsaufwandes zu erwarten. Um dem vorzubeugen, müssen in
Zukunft Systeme angeboten werden, welche die klinisch-medizinische Dokumenta –
Optionen und Maßnahmen5tion unterstützen. Um die Akzeptanz zu erhöhen, muss die Benutzer_innenfreund –
lichkeit von Informationssystemen verbessert werden, dann wird auch der Wider –
stand von GDAs wesentlich geringer werden.
Außerdem ist die Bevölkerung über datenschutzrecht –
liche Befürchtungen aufzuklären: Die gesetzliche Grundlage für die ELGA ist das
Gesundheitstelematikgesetz, ein Missbrauch der über ELGA ausgelesenen Daten
hat strafrechtliche Konsequenzen. Die ELGA ist keine zentrale Datensammlung,
sondern stellt Links zu den in der jeweiligen Institution gespeicherten Daten zur
Verfügung. Es gibt ein klares Berechtigungssystem, alle Zugriffe auf die persön –
liche Akte sind dokumentiert und für die Bürger_innen einsehbar und steuerbar.
Durch die persönliche Einsichtnahme kann die Sicherheit und das Vertrauen in die
gespeicherten Daten erhöht werden.
Die Beschreibung des Transformationspotenzials
Das Ziel von ELGA ist eine patient_innenzentrierte,
umfassende und auf technischen und semantischen Standards basierende Doku –
mentation, um den Informationsfluss zu verbessern. Ziel ist es, die wesentlichen
Daten und Informationen – zeit- und ortsunabhängig – unter Berücksichtigung des
Datenschutzes verfügbar zu haben. Einige skandinavische Länder haben in den
letzten Jahren digitale Dokumentations- und Informationssysteme auf nationaler
Ebene systematisch weiter ausgebaut.
Ein weiteres wichtiges Potenzial der ELGA liegt in der
Nutzbarkeit für die in der ELGA enthalten Daten und Informationen als wesentliche
Grundlage für Forschung in der evidenzbasierten Medizin, Epidemiologie, Nutzen-
Schaden-Bewertung, Gesundheitsökonomie, Qualitätssicherung usw. Ein gutes
Beispiel ist Dänemark, hier wurden diese Daten in anonymisierter Form für wissen –
schaftliche Forschung freigegeben (Explore the Danish Health Data., 2020).
03_11 .3.2 Erwartete Wirkungsweise
−Bessere Kooperation zwischen Gesundheitsdienstanbietern durch umfassenden
Informationsaustausch in Echtzeit;
−verbesserte Versorgung durch verbesserte Information;
−Vermeidung von nicht leitlinienkonformen Verschreibungen / Therapien und da –
mit Steigerung der Systemsicherheit und Effektivität;
−Steigerung der Effizienz medizinischer Dienstleistungen durch standardisiertes
Informationssystem (einheitliche Bedienung);
−finanzielle Entlastung des Gesundheitsbudgets durch Vermeidung von redundan –
ten medizinischen Dienstleistungen, wie z. B. der Wiederholung von radiologi –
schen Untersuchungen, weil die Daten von vorherigen Untersuchungen auch aus
anderen Gesundheitseinrichtungen in ELGA zur Verfügung stehen.
03_11 .3.3 Bisherige Erfahrungen mit dieser
Option oder ähnlichen Optionen
−ELGA ist etabliert und wurde von einem Großteil der Ärzt_innen gut
angenommen.
−Die eMedikation ist eingeführt; eine Erweiterung auf ein eRezept wurde durch
die COVID-19 -Krise deutlich.
−Der eImpfpass ist in Umsetzung (seit 2020).
03_11 / Ausbau der ELGA03_11 .3.4 Zeithorizont der Wirksamkeit
Kurzfristig
Ab Implementierung sind nach einer kurzen Eingewöh –
nungsphase zunehmende Nutzung der digitalen Kommunikation innerhalb von 1 – 2
Jahren zu erwarten. Es werden bereits bestehende Systeme genutzt und auf ein
bestehendes System aufgebaut. Die COVID -Pandemie hat deutlich die Möglichkei –
ten und Chancen der digitalen Kommunikation im Gesundheitssystem gezeigt.
03_11 .3.5 Interaktionen mit anderen Optionen
Eine Steigerung der Effizienz der Gesundheitsversor –
gung wirkt sich positiv auf alle Targets des SDG 3 aus. Ebenso können durch die
Vermeidung von Mehrfachuntersuchungen und/oder -verschreibungen Einsparun –
gen bei der Finanzierung gemacht werden. Daraus ergeben sich positive Auswir –
kungen auf alle SDGs.
03_11.3.6 Offene Forschungsfragen
−Aus technischer Sicht geht es um die Weiterentwicklung der semantischen Inter –
operabilität, z. B. durch die Nutzung von SNOMED.CT oder die Weiterentwick –
lung der Prozedurenkataloge.
−Die Entwicklung von entscheidungsunterstützenden Systemen und deren Integ –
ration in ELGA
−Nutzung der ELGA Daten für die klinische, epidemiologische und gesundheits –
ökonomische Forschung
−Nutzung der ELGA Daten für die Qualitätssicherung
6Literatur
Explore the Danish Health
Data. (2020). Von https://www.
danishhealthdata.com/ abgerufen
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Die elektronische Gesund –
heitsakte (ELGA). Von https://
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Wissenswertes zu ELGA. Von
https://www.elga.gv.at/faq/wis –
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