SDG_03_Option_03_08_pdf_20231119_182344.txt
Optionen
und
Maßnahmen
Österreichs Handlungsoptionen
zur Umsetzung
der UN-Agenda 2030
für eine lebenswerte Zukunft.
UniNEtZ –
Universitäten und Nachhaltige
Entwicklungsziele
Optionen und Maßnahmen1
03_08 / Nudges als Mittel, die Verkehrssicherheit zu erhöhen03_08
Target 3.6Autor:
Pillei, Michael (Universität für Bodenkultur Wien)Nudges als Mittel, die Verkehrssicherheit
zu erhöhen
23 Abbildungsverzeichnis
4 03_08 .1 Ziele der Option
4 03_08 .2 Hintergrund der Option
5 03_08 .3 Optionenbeschreibung
5 03_08 .3.1 Beschreibung der Option bzw. der zugehörigen Maßnahmen
bzw. Maßnahmenkombinationen
9 03_08 .3.2 Erwartete Wirkweise
9 03_08 .3.3 Zeithorizont der Wirksamkeit
9 03_08.3.4 Offene Forschungsfragen
10 LiteraturInhalt
Optionen und Maßnahmen3Abbildungsverzeichnis
Abb. O_3-08_01 : Nudge
für Fußgänger_innen –
Markierung am Boden.
Quelle: Clemensfranz
(2005).
// Fig. O_3-08_01 : Nudge
for pedestrians – marking
on the ground. Source:
Clemensfranz (2005).
Abb. O_3-08_02 : Nudge
für Fußgänger_innen
– Bodenampel in Köln.
Quelle: Nicola (2016).
//Fig. O_3-08_02 : Nudge
for pedestrians – ground
traffic lights in Cologne.
Source: Nicola (2016).
Abb. O_3-08_03 : Nudge
fürs Fahrradfahren – Klare
farbliche Fahrspurmarkie –
rung. Quelle: Kleist-Hein –
rich (2020).
//Fig. O_3-08_03 : Nudge
for cycling – Clear colou –
red lane marking. Source:
Kleist Heinrich (2020).
Abb. O_3-08_04 : Nudge
für Fahrradfahrer_innen
– Verweilhilfe. Quelle:
Heerde (2021).
// Fig. O_3-08_04 : Nudge
for cyclists – dwelling aid.
Source: Heerde (2021).
Abb. O_3-08_05 :
Nudge für Radfahrer_in –
nen – Unterstand. Quelle:
Zhang & Wu (2012).
// Fig. O_3-08_05 : Nudge
for cyclists – shelter.
Source Zhang & Wu
(2012).5
Abb. O_3-08_06 : Nudge
für Autofahrer_innen –
Lobende Geschwindig –
keitskontrolle. Quelle:
Ehtreiber (2014).
// Fig. O_3-08-06 : Nudge
for drivers – Praising
speed control. Source:
Ehtreiber (2014).
Abb. O_3-08_07 : Nudge
für Autofahrer:innen –
Bremsende Bodenmarkie –
rungen. Quelle: Urbano
(2018):
// Fig. O_3-08-07 : Nudge
for drivers:inside – Braking
floor markings. Source.
Urbano (2018).
Abb. O_3-08_08 : Nudge
für Verkehrsteilnehmer_in –
nen – Countdown bei
Ampeln. Quelle: Charisius
(2013).
// Fig. O_3-08_08 : Nudge
for road users – count –
down at traffic lights.
Source: Charisius (2013).6
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8
9
03_08 / Nudges als Mittel, die Verkehrssicherheit zu erhöhen403_08.1 Ziele der Option
Mit dieser Option wird aufgezeigt, wie durch den Ein –
satz von Nudges die Verkehrssicherheit erhöht werden und ein Beitrag zur Reduk –
tion der Zahl der Toten im und durch den Verkehr geleistet werden kann.
03_08.2 Hintergrund der Option
Die Zuhilfenahme technischer Hilfsmittel, wie bspw.
Automobile, Züge, Straßenbahnen, Lastwägen aber auch Schiffe und Flugzeuge
ermöglicht es uns, in kurzer Zeit einfach von A nach B zu gelangen. Das über die
Jahre immer weiter zunehmende Verkehrsaufkommen auf der Straße erfordert
eine effizientere Nutzung des vorhandenen Systems, um die Verkehrssicherheit zu
erhöhen (Riegelhut 2018) und um weitere negative Effekte des Verkehrs, wie Emis –
sionen (Luftverschmutzung, Lärm) zu reduzieren (Schmeddinck, 2017).
Als Verkehrsteilnehmer_innen reagieren Menschen oft
irrational (Kovic, 2017). Wie Lehner, Mont und Heiskanen (2015) beschreiben, liegt
dies in der Komplexität menschlichen Verhaltens. Grund dafür sind oft kognitive
Verzerrungen, die uns aufgrund von intrinsischen, heuristischen Annahmen zu
irrationalen Verhaltensweisen anleiten. Im konkreten mobilen Handeln äußert sich
dies oft bspw. in einer ineffizienten Verkehrsmittelwahl und im Eingehen unnö –
tig großer Risiken (Kovic, 2017). Es scheint in der menschlichen Natur zu liegen,
sobald die Möglichkeit besteht, auch für Strecken, die problemlos zu Fuß oder mit
dem Rad gemeistert werden können, in vielen Fällen den PKW zu bevorzugen. So
enden rund „7 % aller Fahrten“ im motorisierten Individualverkehr ( MIV) bereits
nach nur 1 km (Tomschy, Herry, Sammer, Klementschitz, Riegler, Follmer et al.,
2016, S. 90-91). Im Einzelfall mag es Gründe geben auf den MIV zurückzugreifen,
wenn bspw. ein Transport durchgeführt wird. Es ist allerdings sicher nicht notwen –
dig alle diese Fahrten motorisiert zu bestreiten. Um Verhaltensänderungen, wie
eine aktivere Mobilität zu erreichen, können unterstützende Elemente wie Nudges
helfen, die Verkehrsteilnehmer_innen besser zu sensibilisieren.
In der Verkehrsplanung beschreiben Nudges Anrei –
ze, die helfen sollen, ein Verhalten in eine gewünschte Richtung zu lenken. Sie
sprechen Präferenzen eines Individuums, wie Vorlieben, Geschmack und Sicher –
heits- und Bequemlichkeitsempfinden an und sind als unterstützte Kommunikati –
onsstrategie zu verstehen. Sie werden eingesetzt, um Veränderungen im Verhalten
unterschwellig herbeizuführen. Somit unterstützen sie eine langfristige Verkehrs –
wende.
Das individuelle Verkehrsverhalten wird von eigenen
Routinen und Gewohnheiten geprägt (Lehner, Mont, Heiskanen, 2015; Rammler,
2014). Die Entscheidungstheorie geht dabei davon aus, dass Präferenzen „eines
Individuums im Bezug auf die Entscheidungssituation auch im Zeitablauf“ (Jaku –
bowski, 2018, S. 6) konstant sind. Dies trifft allerdings nicht immer zu, da Präferen –
zen im Zeitablauf auch angepasst werden können. Nudging geht davon aus, dass
Entscheidungen oft intuitiv getroffen werden, um so die für die Situation beste Lö –
sung zu erhalten. Die Entscheidungsfreiheit für das Individuum bleibt gewahrt. Das
individuelle Verhalten wird von einem Wollen in ein aktives Handeln zu transferiert
(Adler & Sedlak, 2018).
Nudging im Verkehrsverhalten greift auf Methoden
zurück, die, aus der Psychologie und der Suchtprävention kommend, auf die Ver –
kehrssicherheit umgelegt werden. Als theoretische Basis für diesen Ansatz zur
Optionen und Maßnahmen5Verhaltensänderung, bietet sich bspw. das transtheoretische Modell (Diclemente,
Prohaska, Fairhurst, Velicer, Velasquez, 1991; Prochaska & Velicer, 1997) an. Nur
das Wissen über einen Umstand bedeutet noch keine Verhaltensänderung. Nud –
ges setzen dort an und erzielen durch kleine praktische Anreize mit Hilfe positiver
und unbewusster Steuerung eine Änderung im Verhalten, ohne dass diese auf –
gedrängt werden.
Damit steht Nudging in einer Linie mit Elementen wie
Framing , in dem Informationen, Sachverhalte und Ereignisse in einen größeren
Zusammenhang gegeben werden und Storytelling , das darauf abzielt, dass gute
Geschichten schneller und dauerhafter behalten werden als reine Informationen
(Adler & Sedlak 2018).
03_08.3 Optionenbeschreibung
03_08 .3.1 Beschreibung der Option
bzw. der zugehörigen Maßnahmen
bzw. Maßnahmenkombinationen
Als Verkehrsteilnehmer_innen sind wir unmittelbar
gleichermaßen für unsere eigene Sicherheit wie auch für jene der anderen verant –
wortlich. Zwischen aktiven und passiven Mobilitätsformen gibt es unterschiedliche
Herangehensweisen, die im Folgenden erläutert werden.
Fußgänger_innen
Für Fußgänger_innen ist Sicherheit, vor allem vor
anderen Mobilitätsarten, eine zentrale Frage. Bei Unfällen mit motorisierten
Fahrzeugen sind Fußgänger_innen am schwächsten und haben die größten Ge –
fahrenpotentiale, verletzt zu werden. Nudges können helfen die Sicherheit für
Fußgänger _innen einfach und effektiv zu erhöhen (Kovac, 2017). Ein gutes Beispiel
sind Anweisungen am Boden, die auffordern beim Queren der Straße nach links
und rechts zu sehen (siehe O_3-08_01).
Abb. O_3-08_01 : Nudge für Fußgän-
ger_innen – Markierung am Boden.
Quelle: Clemensfranz (2005). // Fig. O_3-08_01: Nudge for pe-
destrians – marking on the ground.
Source: Clemensfranz (2005).
03_08 / Nudges als Mittel, die Verkehrssicherheit zu erhöhenAm Boden abgebildete Nudges eignen sich für Fuß –
gänger_innen sehr gut, da Gehende oft den Kopf leicht geneigt halten oder mit ge –
senktem Blick unterwegs sind. Dabei müssen es nicht nur textliche Aufforderungen
sein, auch Bilder können funktionieren (Kovac, 2017).
6
Abb. O_3-08_02: Nudge für Fuß-
gänger_innen – Bodenampel in Köln.
Quelle: Nicola (2016). // Fig. O_3-08_02: Nudge for pede –
strians – ground traffic lights in Co –
logne. Source: Nicola (2016).
Nudges für Fußgänger _innen können sehr einfach
sein und haben – richtig eingesetzt – eine unmittelbare Wirkung auf die Verkehrs –
sicherheit.
Radfahrer_innen
Fahrräder sind platzsparend und flexibel im Straßen –
verkehr. Sie sind aber auch anfällig für Gefahren vor allem im befahrenen Stra –
ßenraum. Oft ist der Raum für Fahrradfahrer_innen nicht klar erkennbar. Dies
gilt sowohl für Fahrradfahrer_innen selbst, als auch für Fußgänger_innen oder
Autofahrer_innen. Ein sehr einfacher Nudge liegt daher in der klaren farblichen
Markierung der Fahrstreifen. Eine klare farbliche Darstellung ist für alle Verkehrs –
teilnehmer_innen intuitiv verständlich (Kovic, 2017).
Abb. O_3-08_03: Nudge fürs Fahrrad –
fahren – Klare farbliche Fahrspurmar –
kierung. Quelle: Kleist-Heinrich (2020). // Fig. O_3-08_03: Nudge for cyc-
ling – Clear coloured lane marking.
Source: Kleist Heinrich (2020).
Optionen und Maßnahmen7Radfahrer_innen werden oft als nicht sehr rücksichts –
voll im Straßenverkehr wahrgenommen. Der hohe Wert an Effizienz, den einige
Radfahrer durch waghalsiges Verhalten sich selbst und anderen gegenüber an
den Tag legen, führt regelmäßig zu riskanten Situationen. Es scheint besonders
unbeliebt zu sein, mit dem Rad stehenbleiben zu müssen und dabei abzusteigen.
Dem kann mit Fußstützen und Geländern bspw. an Kreuzungen entgegengewirkt
werden (Abb. O_3-08_04).
Abb. O_3-08_04: Nudge für Fahr-
radfahrer_innen – Verweilhilfe.
Quelle: Heerde (2021). // Fig. O_3-08_04: Nudge for cyc-
lists – dwelling aid. Source: Heerde
(2021).
Eine weitere Möglichkeit bieten Überdachungen, die
bspw. an Kreuzungen vor Niederschlägen oder der Sonne schützen.
Abb. O_3-08_05: Nudge für
Radfahrer_innen – Unterstand.
Quelle: Zhang & Wu (2012). // Fig. O_3-08_05: Nudge for cyc-
lists – shelter. Source Zhang & Wu
(2012).
03_08 / Nudges als Mittel, die Verkehrssicherheit zu erhöhenMotorisierter Individualverkehr
Die meisten Fahrzeuglenker_innen beurteilen ihre
eigenen Fahrkünste als überdurchschnittlich und sind überzeugt, besser zu fahren
als alle anderen (Gosselin, Gagnon, Stinchcombe & Joanisse, 2010). Dieser nach
Kruger & Dunning (1999) benannte Effekt der Selbstüberschätzung führt dazu,
dass das eigene Risiko unter- und im Gegensatz dazu die Fähigkeiten überschätzt
werden. Gefahren im Autoverkehr, wie Übermüdung, Ablenkung, oder der Einfluss
von Rauschmitteln, führen dazu, zu schnell zu fahren, was die Hauptursache für
tödliche Verkehrsunfälle in Österreich im Jahr 2020 war (Bundesministerium für
Inneres, 2021). Nudging ist daher dann erfolgreich, wenn es zur Verkehrsberuhi –
gung beiträgt. Hochwirksam sind bspw. Radartafeln, welche die Geschwindigkeit
messen und ein direktes Feedback in Form eines lachenden Gesichtes geben.
8
Abb. O_3-08_06: Nudge für Auto-
fahrer_innen – Lobende Geschwin –
digkeitskontrolle. Quelle: Ehtreiber
(2014). // Fig. O_3-08-06: Nudge for drivers
– Praising speed control. Source:
Ehtreiber (2014).
Ein weiterer Nudge sind herunterzählende Ampeln, die den Verkehrsteilnehmern
eine Information zur Wartezeit geben (Smeddinck, 2017).
Am Lake Shore Drive in Chicago sind vor einer schar –
fen Kurve am Straßenbelag mehrerer Reihen von quer aufgemalten, weißen Linien
aufgebracht. Der Abstand der Linien verringert sich, umso näher die Kurve kommt.
Der natürliche Instinkt lässt Fahrer_innen langsamer werden, da die Linien den
Eindruck erwecken, dass man schneller wird.
Abb. O_3-08_07: Nudge für Autofah-
rer:innen – Bremsende Bodenmar –
kierungen. Quelle: Urbano (2018): // Fig. O_3-08-07: Nudge for dri-
vers:inside – Braking floor markings.
Source. Urbano (2018).
Optionen und Maßnahmen
Abb. O_3-08_08: Nudge für Ver-
kehrsteilnehmer_innen – Count –
down bei Ampeln. Quelle: Charisius
(2013). // Fig. O_3-08_08: Nudge for road
users – countdown at traffic lights.
Source: Charisius (2013).
Die zunehmende Gestaltung von Straßenräumen als
Kreisverkehre ermöglicht es, das Verkehrsgeschehen flüssiger zu machen und die
erhöhte Aufmerksamkeit zur Sicherung des Verkehrs nutzen.
Eine kritische Einschränkung bei der Anwendung von
Nudges im Mobilitätsverhalten ist jedoch der Mangel an Studien, die die Effektivi –
tät von spezifischen Mobilitätsmaßnahmen zeigen. Kritiker_innen wie Tschechne
(2019) befürchten, dass durch Nudges einem fürsorglichen und einfallsreichen
Paternalismus kaum Grenzen gesetzt werden.
Das Verhalten wird dabei von einer Vielzahl an Fakto –
ren beeinflusst und ist nicht einheitlich. Selbst bei ein und derselben Person kann
die Reaktion auf den gleichen Einflussfaktor unter sich ändernden Umständen
unterschiedlich sein (Department for Transport 2011a, 2011b).
03_08 .3.2 Erwartete Wirkungsweise
Richtig eingesetzt können Nudges durch Beeinflussung des individuellen Verhal –
tens zur Steigerung der Verkehrssicherheit beitragen.
03_08 .3.3 Zeithorizont der Wirksamkeit
kurzfristig
Einfache Nudges können kurzfristig und kostengünstig eingesetzt werden und
wirken unmitte lbar.
03_08.3.4 Offene Forschungsfragen
Welche Nudges wirken unter welchen Voraussetzungen am besten?
9
03_08 / Nudges als Mittel, die Verkehrssicherheit zu erhöhenLiteratur
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