SDG_16_Option_16_10_pdf_20231119_182413.txt

Optionen
und
Maßnahmen
Österreichs Handlungsoptionen
zur Umsetzung
der UN-Agenda 2030
für eine lebenswerte Zukunft.
UniNEtZ –
Universitäten und Nachhaltige
Entwicklungsziele
Optionen und Maßnahmen1
16_10 / Förderung der Rechtsstaatlichkeit16_10
Target 16.3Autorinnen:
Prof.in Dr.in Erika Wagner ( JKU Linz, Institut für Um –
weltrecht ); Mag.a Daniela Ecker ( JKU Linz, Institut für
Umweltrecht )
Reviewer:
Ao. Univ. Prof. Dr. Wilhelm Guggenberger ( LFU Inns –
bruck, Institut für Systematische Theologie ); Dr. Daniel
Wehinger ( LFU Innsbruck, Institut für Christliche Philo –
sophie )Förderung der Rechtsstaatlichkeit

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3 16_10 .1 Ziele der Option
3 16_10.2 Hintergrund der Option
4 16_10.3 Optionenbeschreibung
4 16_10.3.1 Beschreibung der Option bzw. der zugehörigen Maßnahmen
bzw. Maßnahmenkombinationen
7 16_10.3.2 Erwartete Wirkweise
7 16_10.3.3 Bisherige Erfahrungen mit dieser Option oder ähnlichen
7 16_10.3.4 Zeithorizont der Wirksamkeit
8 16_10.3.5 Vergleich mit anderen Optionen,
mit denen das Ziel erreicht werden kann
8 16_10.3.6 Interaktionen mit anderen Optionen
8 16_10.3.7 Offene Fragestellungen
8 LiteraturInhalt
Optionen und Maßnahmen16_10.1 Ziele der Option
Der Begriff der Rechtsstaatlichkeit beruht auf meh –
reren Fundamenten: 1. der Gewaltenteilung und 2. dem Legalitätsprinzip, d.h. der
Bindung der Vollziehung an das von der Legislative geschaffene Recht – das be –
trifft die Exekutive und die Judikative. Umgekehrt legitimiert das vom Volk geschaf –
fene Recht das Handeln der Vollziehung und schützt vor staatlicher Willkür. Zudem
werden 3. durch die Grundrechte dem/der Einzelnen Freiheitsräume zugesichert,
zugleich aber auch materielle Positionen gewährleistet.
Sämtliche dieser Bereiche müssen den besonderen
Herausforderungen des 21. Jahrhunderts standhalten. Damit ist die Rechtsstaat –
lichkeit Fundament und Bedingung jeder gesellschaftlichen Weiterentwicklung.
Andersherum sollen diese gesellschaftlichen Weiterentwicklungen so gestaltet
sein, dass sie der Rechtsstaatlichkeit bestmöglich Rechnung tragen. Das Prinzip
der Rechtsstaatlichkeit ist damit jener Anker, der bestens geeignet ist, den Heraus –
forderungen des 21. Jahrhunderts zu begegnen.
16_10.2 Hintergrund der Option
Gewaltenteilung/Legalitätsprinzip
Damit die vollziehenden Organe rechtsstaatlich han –
deln können, bedarf es selbst bei komplexen Sachverhalten verständlicher und hin –
reichend bestimmter Normen. Bis zu welchem Punkt technokratisches Recht dem
entspricht, gilt es im Blick zu behalten.
Das Legalitätsprinzip erfordert die Bestimmtheit von
Gesetzen – derzeit sind viele Gesetze lückenhaft, die Rechtsprechung hat dazu
Analogien und Konzepte entwickelt, die zum Teil in Hinblick auf das Legalitäts –
prinzip kritisch gesehen werden. In manchen Fällen wird sogar von der „Verant –
wortungsdelegation“ des Gesetzgebers an die Gerichte gesprochen. Dies zeigt
sich etwa anhand jener Bereiche, in denen Gerichte auf Grund gesetzgeberischen
Vakuums Recht schaffen (z.B. „Ehe für alle“, Klimaschutz als [fehlendes?] Ge –
nehmigungskriterium etc.). Für die Willensbildung dessen, was rechtens ist, sind
demokratische Strukturen entscheidend. Recht gilt, weil der Wille der Gesell –
schaft über demokratische Institutionen gesetzt wird. Art. 18 des Bundes-Verfas –
sungsgesetzes (B-VG) ist Ausdruck dieses Grundprinzips. Normen, die sich auf
Grund von Offenheit und Unbestimmtheit inhaltlich darauf reduzieren lassen, der/
die Richter_in solle „gerecht und billig“ Recht im Einzelfall zusprechen, wider –
sprechen Art. 18 B-VG. Die Gerichte haben in jüngster Zeit Wertungsdilemmata
ohne die demokratische Rückbindung entschieden – Stichwort Rechtsprechung
zu wrongful birth bzw. wrongful conception – Stichwort Schock- und Trauerscha –
densjudikatur etc. Derartig wesentliche gesellschaftliche Entscheidungen müssen
vom Volk ausgehen . Sie verlangen Transparenz und sind auf Basis eines breiten
gesellschaftlichen Diskurses unter Einbindung von Expert_innen und Wissenschaft
zu erarbeiten. Gesetzlichen „Schnellschüssen“ mangelt es an diesem hinreichend
gesicherten Diskurs. „Gefälligkeitsgesetze“ unterlaufen die Demokratie (Wagner &
Récsey, 2012, 283ff.).
Transparenz und Information der Bürger_innen ist
einerseits sichernde Komponente staatlichen Handelns, andererseits Vorausset –
zung, dass diese die ihnen durch demokratische Gesetze eingeräumten Positionen
wahrnehmen können.
3
16_10 / Förderung der RechtsstaatlichkeitFür die Gewährleistung der Rechtsstaatlichkeit muss
sichergestellt sein, dass unabhängige Organe zumindest in einem Rechtsgang
Entscheidungen treffen. Wichtig ist, dass Verquickungen (die sich zum Teil gar
nicht nachweisen lassen) nicht zwingend nachgewiesen werden müssen, da schon
der Anschein der Befangenheit genügt. Um das Vertrauen in den Rechtsstaat zu
sichern, müssen entscheidende Organe auch unbefangen sein, schon der An –
schein der Befangenheit schadet. Wenn Amtssachverständige im Verfahren gut –
achterliche Beweismittel abgeben, so sind sie auf Grund ihrer Spezialkenntnis de
facto entscheidungssetzend. Daher ist die Zulässigkeit des Einsatzes ein und des-/
derselben Sachverständigen in unterschiedlichen Stadien der Verfahren zu über –
denken, da damit der Rechtsschutz Betroffener in Frage gestellt wird.
Sicherung materieller Positionen
Grundrechtlich gesicherte Positionen müssen durch
die einfachgesetzliche Ebene gewährleistet werden und bereits dort durchsetzbar
sein. Dies ist einfachgesetzlich in Österreich beim Recht auf körperliche Unver –
sehrtheit und Integrität nicht durchgehend der Fall.
Es ist zu überdenken, inwiefern die Negierung eines
Grundrechts auf saubere Umwelt zeitgemäß ist.
Fehlende Durchsetzbarkeit materieller Positionen
Zum einen fehlt, wie oben erwähnt, dem/der Einzelnen
ein Recht auf Durchsetzung des Erhalts der für das menschliche Leben notwen –
digen Lebensgrundlagen. Zum anderen sind diese Interessen auch als „bloße“
öffentliche Interessen nur ungenügend durchsetzbar. Ihr Vollzug leidet unter einer
nicht vorhersehbaren, von politischen Strömungen geprägten Interessenabwägung
und von fehlenden Rechtsschutzmöglichkeiten für die zum Vollzug berufenen Um –
weltanwaltschaften. Einerseits wurde in der Vergangenheit die materielle Position
bewusst geschwächt, andererseits wurde die Rechtsdurchsetzung absichtlich
beschränkt. Vor dem Hintergrund der drohenden Szenarien der Erderwärmung und
deren negativen Auswirkungen muss daher konstatiert werden, dass das geltende
materielle Recht sowie das Verfahrensrecht dem Schutz der Umwelt ungenügend
Rechnung tragen. Zu fordern ist daher der Umstieg auf das Konzept der Eigen –
rechtlichkeit der Natur.
16_10.3 Optionenbeschreibung
16_10 .3.1 Beschreibung der Option
bzw. der zugehörigen Maßnahmen
bzw. Maßnahmenkombinationen
Eine Maßnahmenkombination zur Förderung der
Rechtsstaatlichkeit könnte folgendermaßen aussehen:
−Transparenz und Information als sichernde Komponente rechtsstaatlichen Han –
delns
Bürger_innen müssen Zugang zu den maßgebli –
chen Informationen haben, um ihre Rechte zu wahren, Einblick in Geschehnisse
nehmen zu können und Missstände aufzugreifen. Die Informationserteilung wird
oftmals unter Hinweis auf Geheimnis und Datenschutz anderer Bürger_innen ver –
weigert. Die Lösung dieses Konflikts durch die Gerichte im Einzelfall ist oft nicht
nachvollziehbar. So haben etwa jüngst das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG)
und der VwGH entschieden, dass die Veröffentlichung einer von der Behörde im
Wege des Umweltinformationsgesetzes eingeholten Umweltinformation Daten –
schutzinteressen einer anderen Person zuwiderläuft. Eine derartige Sichtweise ist
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Optionen und Maßnahmender Transparenz abträglich, die gerade im Wege des Umweltinformationsgesetzes
hergestellt werden soll. Der/Die Einzelne hat zwar das Recht auf Einholung von
Informationen, muss aber damit rechnen, dass die Weitergabe dieser Information
seiner-/ihrerseits eine Verletzung des Datenschutzes nach sich zieht. Fehlende
Transparenz gibt es auch in anderen Konstellationen, zum Teil beruht sie auch auf
Sachverhalten in rechtlichen „Grenzgängen“. Fehlende Transparenz leistet dem
Vorschub. (Beispiel: In Zusammenhang mit Massentierhaltungsanlagen könnte die
Transparenz sowohl für die Umweltinteressierten als auch für die Endkund_innen
verbessert werden.)
Information des Bürgers/der Bürgerin durch staatliche
Organe fördert nicht nur die Fremdkontrolle durch den/die Bürger _in, sondern auch
die Eigenkontrolle des jeweiligen Organs, da Defizite leichter erkennbar werden.
Mancherseits wird sogar die Forderung nach gänz –
licher Abschaffung der Amtsverschwiegenheit erhoben, da sie dem Interesse des
Bürgers/der Bürgerin nach Transparenz widerspräche. Ob ein derart weitgehender
Schritt einen wesentlichen Beitrag zur Rechtsstaatlichkeit bildet, kann nur nach
einer gründlichen Analyse festgestellt werden.
−Gewährleistung der Unabhängigkeit der entscheidenden Organe
Anerkannt ist, dass zum rechtsstaatlichen Maßstab
gehört, dass im Bereich der Justiz, aber auch im Bereich der Kollegialorgane mit
richterlichem Einschlag die Unabhängigkeit der entscheidenden Organe gewähr –
leistet sein muss. Unabhängigkeit kennzeichnet sich im nationalen und internatio –
nalen Kontext unter anderem durch das Fehlen des Anscheins von Befangenheit
aus. Insofern erscheint das den politischen Parteien zukommende Vorschlagsrecht
der Höchstrichter problematisch.
Anzustreben wäre die Nominierung durch unabhäng-
ige, wissenschaftlich facheinschlägige Kollegien.
−Beseitigung struktureller Abhängigkeiten in allen gerichtlichen und gerichtsnahen
Verfahren (z.B. Überarbeitung der Konstruktion des Amtssachverständigen)
Von Seiten der Wissenschaft wird auch seit Jahren
Kritik an der Organisation und rechtlichen Ausgestaltung des Amtssachverstän –
digenapparates geübt. Im Fokus der Bedenken steht eine strukturelle Befan –
genheit, die sich daraus ergibt, dass der/die Amts-Sachverständige (Amts-SV)
organisatorisch in den Behördenapparat eingebunden ist. Eine Verbesserung der
Unabhängigkeit der Amts-SV, gerade in Hinblick auf die Anscheinsjudikatur der
Höchstgerichte, wäre wünschenswert. Zu kritisieren ist auch, dass im Rahmen der
öffentlich-rechtlichen Gerichtsbarkeit kein generelles Verbot besteht, Amts-SV, die
bereits in der ersten Instanz gegutachtet haben, in zweiter Instanz wiederum als
Gutachter_in zu bestellen. Das schwächt zu Lasten der Rechtsschutzsuchenden
die Kontrolle im Rahmen der Erhebung des maßgeblichen Sachverhalts.
−Ausbau des materiellen Rechtsschutzstandards bezüglich Gesundheitsschäden
in Umweltcausen
Man möchte meinen, dass im Rechtsstaat das höchste
Rechtsgut der Bürger_innen – die Gesundheit – den bestmöglichen Schutz ge –
nießt. Tatsächlich ist es so, dass sämtliche Causen, in denen die Bürger_innen die
Gerichte wegen gesundheitsschädlicher Handlungen anderer, aber auch staat –
licher Organe aufsuchen, vielfältigen Hürden im materiellen aber auch im Verfah –
rensrecht ausgesetzt sind, um die Gesundheitsinteressen effektiv verteidigen zu
können. SDG 3 nennt die Gesundheit der Bürger_innen als Ziel der nachhaltigen
Entwicklung. Zum Recht gehört es, dass diese Gesundheitsinteressen vor den
Gerichten auch effektiv durchgesetzt werden können. Eine zentrale Hürde ist hier
5
16_10 / Förderung der Rechtsstaatlichkeitder Kausalitätsbeweis, der den Betroffenen den Nachweis zwischen der inkrimi –
nierten Handlung und dem Schaden an der eigenen Gesundheit auferlegt. Dieser
Kausalitätsbeweis ist angesichts der Unsicherheit zahlreicher Sachverhalte auf
wissenschaftlicher und medizinischer Ebene kaum zu erbringen. Paradefälle sind
gesundheitliche Beeinträchtigungen aufgrund des Klimawandels, Pestizideinsat –
zes, Lärmeinwirkungen, schädlicher Luftverunreinigungen (Stickoxide, Feinstaub)
etc. Da dieser Kausalitätsbeweis nicht geführt werden kann, begnügen sich die
Gerichte mit dem Hinweis der Übersensibilität der Betroffenen, obwohl eine solche
gar nicht vorliegt. Damit ist das höchste Rechtsgut nicht effektiv geschützt.
−Staatsziel Nachhaltigkeit – Anerkennung der Gleichrangigkeit der in der Nachhal –
tigkeit vereinten Ziele in der Gesellschaft und Politik
Staatsziele geben Handlungsmaximen an verantwortli –
che Organe (Gesetzgebung und Vollziehung) vor, begründen aber kein subjektives
Recht der/des Einzelnen.
Erkennend, dass Nachhaltigkeit neben der ökologi –
schen auch die Dimension der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung in sich
trägt (siehe die entsprechenden SDGs 5, 7, 8, 9, 10, 12 etc.) ist die Forderung in
Österreich, das Staatsziel Nachhaltigkeit um ein Staatsziel „Wirtschaftswachstum“
bzw. „nachhaltiger Wirtschaftsstandort“ zu ergänzen, rechtlich sinnentleert. Es be –
darf der Anerkennung der Gleichrangigkeit der in der Nachhaltigkeit vereinten Ziele
in der Gesellschaft und Politik.
Jede in dieser Hinsicht im Rahmen von Entschei –
dungsprozessen zu treffende Abwägung muss auf nachvollziehbaren Kriterien
beruhen und diese offenlegen.
−Explizite gesetzliche Verankerung eines Grundrechts jedes Einzelnen auf saube –
re Umwelt
Ein Grundrecht jedes/jeder Einzelnen auf saubere Um –
welt wird bislang von Lehre und Rechtsprechung abgelehnt. Die Diskussion rund
um ein Grundrecht auf saubere Umwelt besteht bereits seit geraumer Zeit und soll –
te – angesichts der Notwendigkeit einer massiven Trendumkehr in Wirtschaft und
Gesellschaft – wieder aufgenommen werden. Derzeit können menschenbezogene
Umweltauswirkungen über die Grundrechte auf Leben und körperliche Integrität
(Art. 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK)) und das Grundrecht
auf Privat- und Familienleben (Art. 8 EMRK) releviert werden.
Damit bleibt insbesondere in „bloßen“ Belästigungs –
causen in zahlreichen Fällen der gerichtliche Rechtsschutz auf der Strecke. Auch
dann, wenn schwere Umweltbeeinträchtigungen unabhängig von Leben und der
Privatsphäre des Menschen verursacht werden, ist die Durchsetzung der Siche –
rung der Lebensgrundlagen sinnvoll. Die Diskussion rund um die Schaffung eines
eigenen Grundrechts auf saubere Umwelt erscheint daher jedenfalls wiederaufneh –
menswert, dies auch im Kontext der Grundrechtecharta (GRC). Denn zu Art. 37 der
GRC (Bekenntnis zum Umweltschutz) wird vertreten, dass diese Bestimmung kein
Grundrecht auf saubere Umwelt beinhaltet bzw. lediglich die Union verpflichtet, in
ihren Politiken Umweltschutz zu berücksichtigen.
−Verankerung der Eigenrechte bzw. Rechtspersönlichkeit der Natur bzw. gewisser
Naturgüter
Wenn von Eigenrechtlichkeit der Natur die Rede ist,
so steht dahinter die Überlegung, Teilen der Natur (Ökosystemen, Gewässern,
Landschaften) Rechtspersönlichkeit zuzubilligen und diesen dadurch im Wege der
Wahrnehmung durch einen Vertretenden effektiven materiell- und formell-rechtli –
chen Schutz zukommen zu lassen.
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Optionen und MaßnahmenDas Konzept der Eigenrechtlichkeit der Natur gehört
schnellstmöglich auf normativer Ebene konzipiert, da die Zerstörung der Biodiver –
sität massiv voranschreitet (Europäische Kommission, 2020): Dies zeigt, dass die
bisherigen Schutzkonzepte, die auf einer Wahrnehmung ökologischer Interessen
behördlicherseits bestehen, das Rechtsgut Biodiversität nicht ausreichend schüt –
zen.
Sowohl in materiell-rechtlicher als auch in verfahrens –
rechtlicher Hinsicht bedarf es eines Umdenkens des Schutzkonzepts im Sinne
einer zu gewährenden Eigenrechtlichkeit, die in manchen anderen Staaten der
Welt wie etwa in den USA, Neuseeland und Südamerika bereits besteht oder im
Vordringen ist.
−Stärkung der Position der Umweltanwaltschaften
Eine Beschneidung der Kompetenzen der Umweltan –
waltschaften wird von der Aarhus-Konvention in keinster Weise gefordert, beruht
auf einem Fehlverst ändnis des sogenannten Postulats des golden plating und
läuft im Ü brigen auf eine Abwertung von Nachhaltigkeitsinteressen im Rahmen
staatlicher Institutionen hinaus. Ein solches Signal widerspricht daher dem Ziel der
nachhaltigen Entwicklung, dessen Instrumente insbesondere im rechtlichen Be –
reich einen hohen Wirkungsgrad haben. Es bedarf des Ausbaus der Kompetenzen
der Umweltanwaltschaften, der Zurverfügungstellung entsprechender Ressourcen
und der Schaffung einer Clearingstelle in Umweltangelegenheiten bei den Umwelt –
anwaltschaften.
16_10 .3.2 Erwartete Wirkungsweise
Die vorgeschlagenen Maßnahmen würden zu einer
stärkeren Bindung der Vollziehung an die Gesetze führen und damit der Rechts –
staatlichkeit zuträglich sein.
16_10 .3.3 Bisherige Erfahrungen mit dieser
Option oder ähnlichen Optionen
Es ist zu konstatieren, dass Österreich sicherlich nicht
am unteren Ende der rechtsstaatlichen Staaten anzusiedeln ist. Es besteht aber
auch noch „Luft nach oben“. Die am schwersten wiegenden Defizite bestehen in
Sachen Bürger_innenpartizipation und Durchsetzbarkeit materieller Rechte der
Bürger_innen.
Der Ausbau der Rechtsstaatlichkeit hat sich bisher
vor allem auf den gerichtlichen Bereich konzentriert, während dies auf Ebene der
Verwaltung nicht der Fall war: Durch die gesetzlich mögliche der politische Ein –
flussnahme im Rahmen der Gesetzesvollziehung kann durch das Instrumment der
Weisung, die politische Entscheidung zum maßgeblichen Faktor werden. Selbst
bei gesetzlich vorgesehener Interessenabwägung sind aber die maßgeblichen
Interessen den Gesetzen selbst zu entnehmen und decken sich nicht notwendiger –
weise mit den Wertungen politischer Entscheidungen.
16_10 .3.4 Zeithorizont der Wirksamkeit
Das Umdenken ist höchst an der Zeit. Um Konzepte
entwickeln zu können, bedarf es eines gewissen Zeitrahmens. Da die im Text vor –
geschlagenen Maßnahmen gründliche Erwägungen und dogmatisch fundierte Kon –
zepte benötigen, ist bestenfalls mit einer mittelfristigen Wirksamkeit zu rechnen.
7
6 Sogenannte Pariser Prinzipien für Nationale Menschenrechtsinstitutionen ( GANHRI, o. J.) und
Standards des European Network of Ombudspersons for Children (ENOC; http://enoc.eu/).
7 Siehe die zahlreichen Stellungnahmen im Begutachtungsprozess (Republik Österreich – Parlament,
2018), einschließlich der aus Kinderrechtsperspektive kritischen Stellungnahme des Ludwig Boltzmann-
Instituts für Menschenrechte.
8 Siehe Punkt „child protection“ in UNICEF (o. J. (b)).
9 Siehe Bundesministerium für Arbeit, Familie und Jugend (2019); Bundesministerium für Arbeit, Familie
und Jugend Sektion II – Familie und Jugend (o. J. (b)).
10 Siehe Kapella et al. (2018); Österreichisches Institut für Familienforschung (2011); Bundesministerium
für Wissenschaft und Forschung (2009); Möwe Gewaltschutzzentren (2016); Sax (2020 ).rizont de
16_10 / Förderung der RechtsstaatlichkeitLiteratur
Europäische Kommission
(2020). Mitteilung der Kommission
an das Europäische Parlament,
den Rat, den Europäischen
Wirtschafts- und Sozialaus –
schuss und den Ausschuss der
Regionen: EU-Biodiversitäts -strategie für 2030: Mehr Raum
für die Natur in unserem Leben
(EU Dok. COM/2020/380fi –
nal). Brüssel. https://eur-lex.
europa.eu/resource.html?uri=cel –
lar:a3c806a6-9ab3-11ea-
9d2d-01aa75ed71a1.0002.02/
DOC_1&format=PDF [26.11.2021]. Kerschner, F. (2019). Klima –
schutz aus umweltrechtlicher,
insbesondere auch aus völker –
rechtskonformer Sicht. Recht der
Umwelt , (2), 49-52.
Wagner, E., & Récsey, C.
(2012). Die Gesellschaftliche
Bedeutung des Zivilrechts im Wandel unserer Zeit. In T. Ehs,
S. Gschiegl, K. Ucakar & M.
Welan (Hrsg.), Politik und Recht.
Spannungsfelder der Gesellschaft
(S. 283-308). Wien: WUV. ISBN:
978-3-7089-0841-0.16_10.3.5 Vergleich mit anderen Optionen,
mit denen das Ziel erreicht werden kann
Die Förderung der Rechtsstaatlichkeit ist ein zentrales
Ziel, das mit allen anderen SGDs verwoben ist und in engster Konnexität steht. Ein
Vergleich mit anderen Optionen lässt sich im gegebenen Kontext nicht herstellen.
16_10.3.6 Interaktionen mit anderen Optionen
Sämtliche Optionen aller SDGs müssen strikt den
rechtsstaatlichen Kriterien entsprechen. Durch die hohe konditionale Verknüpfung
und Konnektivität ist die Rechtsstaatlichkeit Teil jedes SDGs, jeder Option und
daher zwingender Bestandteil jedes Optionenbündels.
16_10.3.7 Offene Fragestellungen
Die offenen Forschungsfragen wurden bereits im Fließtext angesprochen.
8

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