SDG_13_Option_13_02_20231119_182404.txt
Optionen
und
Maßnahmen
Österreichs Handlungsoptionen
zur Umsetzung
der UN-Agenda 2030
für eine lebenswerte Zukunft.
UniNEtZ –
Universitäten und Nachhaltige
Entwicklungsziele
Optionen und Maßnahmen
13_02 / Evaluierung und Erweiterung der bestehenden Hitzeschutzpläne13_02
Target 13.1Autor_innen:
Formayer, Herbert ( Universität für Bodenkultur ); Rie –
der, Harald ( Universität für Bodenkultur ); Waldschütz
Lisa ( Universität für Bodenkultur, Studentin ), Schwarz –
furtner, Katharina ( Universität für Bodenkultur )
Wir bedanken uns für die inhaltliche Kommentie –
rung zum Text bei:
Fuchsig, Heinz ( Allgemeine Unfallversicherungsan –
stalt); Haas, Willi (Universität für Bodenkultur)
Reviewer_innen:
Balas, Maria ( Umweltbundesamt ); Oswald, Sandro
(Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik );
Schickl, Maximilian ( Universität Innsbruck )Evaluierung und Erweiterung der
bestehenden Hitzeschutzpläne
3 Tabellenverzeichnis
4 13_02 .1 Ziele der Option
4 13_02.2 Hintergrund der Option
7 13_02.3 Optionenbeschreibung
7 13_02.3.1 Beschreibung der Option bzw. der zugehörigen Maßnahmen
bzw. Maßnahmenkombinationen
15 13_02.3.2 Erwartete Wirkweise
16 13_02.3.3 Bisherige Erfahrungen mit dieser Option oder ähnlichen Optionen
16 13_02.3.4 Zeithorizont der Wirksamkeit
17 13_02.3.5 Interaktionen mit anderen SDGs
19 Literatur
20 AnhangInhalt
Optionen und Maßnahmen3Tabellenverzeichnis
Tab. O_13-02_01 : Pro –
cess-, Outcome- und
Outreach-Indikatoren der
Wirksamkeitsanalyse für
Hitzeaktionspläne. Grün
= qualitative Indikatoren;
Blau = quantitative In –
dikatoren. Quelle: eigene
Darstellung.
// Tab. O_13-02_01 :
Process, outcome and
outreach indicators of the
effectiveness analysis for
heat action plans. Green
= qualitative indica –
tors; Blue = quantitative
indicators. Source: own
representation.11 18 Tab. O_13-02_02 : Inter –
aktion der Option 13_02
mit anderen SDGs. Quel –
le: eigene Darstellung.
(2021).
// Tab. O_13-02_02: Inter –
actions of option 13_02
with other SDGs. Source:
own representation.
(2021).
13_02 / Evaluierung und Erweiterung der bestehenden Hitzeschutzpläne13_02.1 Ziele der Option
Das Ziel dieser Option ist, aufbauend auf den SDG 13 Targets 13.1 und 13.2:
−auf die mögliche österreichweite Implementierung von regional angepassten
Hitzeschutzplänen, sowie deren Ausbau zu Hitzeaktionsplänen hinzuweisen;
−eine regelmäßige Evaluierung bestehender Systeme (Hitzewarndienste, Hitze –
schutzpläne) vorzuschlagen, und ein erstes Evaluierungskonzept für Wirkungs –
analysen von möglichen Hitzeaktionsplänen vorzustellen;
−erste Ideen für kurzfristig umsetzbare Maßnahmen als Pilotversuche zur mög –
lichen Implementierung von Hitzeaktionsplänen aufzuzeigen;
−einen Hinweis auf die Notwendigkeit der Optimierung von Kommunikationsflüs –
sen zu geben;
−Bewusstseinsbildung zur Erreichung von Risikogruppen zu geben.
13_02.2 Hintergrund der Option
Ist die Bevölkerung auf das Auftreten einer Hitze –
welle, wie etwa jene europäische Hitzeperiode im August 2003, nicht vorbereitet,
kann diese Hitzebelastung schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben und im
Extremfall zum Tod führen. Man spricht von Übersterblichkeit, wenn die Sterbe –
fallzahlen während eines gewissen Zeitraumes deutlich über dem langjährigen
Durchschnitt (Vergleichszeitraum) liegen. Korreliert eine Übersterblichkeit mit
einem Hitze-Extremereignis spricht man von Hitzetoten. Im August 2003 verzeich –
neten zwölf europäische Länder, darunter Deutschland, Frankreich, Spanien und
Italien, insgesamt ein Plus von fast 45.000 Todesfällen in diesem Monat verglichen
mit dem entsprechenden Monat in den Jahren 1998 bis 2002. Insgesamt wurden
in den Sommermonaten (Juni – September) des Jahres 2003 70.000 zusätzliche
Todesfälle verzeichnet (Robine, Cheung & Roy, 2007). Für Österreich veröffentlicht
die Agentur für Ernährungssicherheit (AGES) jährlich die Todeszahlen der Hitze-
assoziierten Übersterblichkeit. So zählte man etwa im Jahr 2018 550 Hitzetote
(Agentur für Gesundheits- und Ernährungssicherheit (AGES), 2020). Im Zuge der
interdisziplinären Studie Cost of Inaction – Assessing the Costs of Climate Change
for Austria (COIN) wurden unter anderem die Auswirkungen des Klimawandels auf
die Gesundheit des Menschen analysiert (Haas et al., 2014). Unter der Annahme
einer moderaten klimatischen Entwicklung, definiert mit 16 Hitzetagen in Hitze –
perioden pro Jahr, werden zwischen 2036 und 2065 pro Jahr bis zu etwa 1.000
Hitzetote erwartet (mittlere Annahme). Adaptiert man diese Berechnungen für ein
Szenario mit starkem Klimawandel, so zeigt sich ein deutlich stärkerer Anstieg in
der hitzebedingten Mortalität auf rund 3.000 Hitzetote pro Jahr.
Hitzewellen werden weltweit unterschiedlich definiert.
Laut einer für Mitteleuropa sehr brauchbaren und häufig verwendeten Definition
handelt es sich bei einer Hitzewelle um mindestens drei aufeinanderfolgende Tage,
an denen das Temperaturmaximum mindestens 30°C entspricht1 (Kysely, 2004).
Jeder einzelne Tag einer derart definierten Hitzewelle wird Kysely-Tag genannt, in
Anlehnung an Jan Kysely, den Autor dieser Definition. Die österreichische Zentral –
anstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG), welche bundesweit für die He –
rausgabe von Hitzewarnungen zuständig ist (siehe Anhang C.13.6.4), bezieht sich
1 Wenn eine Serie von heißen Tagen an einzelnen Tagen durch eine Maximaltemperatur zwischen
25 und 30°C unterbrochen wird, jedoch die mittlere Maximaltemperatur über die gesamte Periode über 30°C
beträgt, gilt die gesamte Periode als eine Hitzewelle nach Kysely.
4
Optionen und Maßnahmenbei ihren Vorhersagen auch auf diese Definition.
Da das Sterberisiko bei früh im Sommer auftretenden
Hitzeextremen deutlich höher ist als bei späteren (Gasparrini et al., 2016), besteht
der dringlichste Handlungsbedarf folglich vor und während der ersten Hitzewel –
le des Jahres, doch auch nachfolgende Hitzewellen sind gefährlich und dürfen
nicht unterschätzt werden. Durch den fortschreitenden Klimawandel wird sich die
Häufigkeit von Hitzewellen in Europa erhöhen (Intergovernmental Panel on Climate
Change (IPCC), 2014). Diese Situation wird durch die damit einhergehende Zu –
nahme der Tropennächte in den letzten Jahren (Stangl et al., 2020) zusätzlich
verschärft, da diese, besonders in dicht verbauten, besiedelten Gebieten, not –
wendige nächtliche Abkühlung verhindern, und so wesentlich dazu beitragen, dass
Hitzewellen zu einem Gesundheitsproblem werden.
Zusätzlich dazu wächst der Anteil der vulnerablen
Gruppe der Bevölkerung über 65 Jahren immer stärker und chronische Erkrankun –
gen werden häufiger. Während im Jahr 2018 ungefähr 1,65 Millionen Menschen in
Österreich älter als 65 Jahre waren, werden es Projektionen folgend im Jahr 2050
ungefähr 2,64 Millionen Menschen sein (Statistik Austria, 2019). Parallel dazu
wird ein Anstieg der Inzidenz an chronischen Erkrankungen wie Atemwegserkran –
kungen oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu verzeichnen sein (Austrian Panel on
Climate Change (APCC), 2018). Dadurch vergrößert sich die vulnerable Gruppe
der älteren und chronisch kranken Bevölkerung stark, wodurch die Belastung
des Gesundheitssystems bei Hitzewellen stark anwächst. Auch der sozio-öko –
nomische Faktor spielt eine wichtige Rolle, da ärmere Personen und Haushalte
Hitzewellen überproportional stärker ausgesetzt sind und deshalb mehr darunter
leiden (European Environment Agency, 2020). Um das Gesundheitssystem darauf
vorzubereiten, müssen Gesundheitsinformationen über Vorerkrankungen oder
Medikamenteneinnahme schnell und akkurat zur Verfügung stehen. Ebenso kann
die Steigerung der individuellen Gesundheitskompetenz der Bevölkerung und der
Arbeitgeber_innen dazu führen, dass zusätzliche physische Belastungen besser
bewältigt werden können (APCC, 2018).
Die negativen Gesundheitsauswirkungen durch starke
Hitzebelastung sind vielfältig. Hitzebedingte Müdigkeit und Erschöpfung zählen
neben Synkopen (Kreislaufkollaps) zu den klassischen Hitze-assoziierten Erkran –
kungen (Koppe et al., 2004). Durch die hitzebedingte stärkere Belastung des Herz-
Kreislauf-Systems kann die körpereigene Temperaturregulation gestört werden
und bei unzureichender Flüssigkeitszufuhr und Vorerkrankungen zum Tod führen
(Stark, Niedrig, Biederbick, Merkert & Hacker, 2009). Die psychische Belastung
durch Hitzewellen und die dadurch entstehenden psychischen Erkrankungen dür –
fen dabei nicht vernachlässigt werden (Hutter, Mooshammer & Wallner, 2017). Die
Gesundheitsprobleme, ausgelöst durch UV-Strahlung, sind ein weiteres wichtiges
Themengebiet, auf das in dieser Option jedoch nicht weiter eingegangen wird.
Laut Hübler und Klepper (2007) trägt ein Hitzewarn –
system zusammen mit geeigneten Maßnahmen erheblich dazu bei, die Mortalität
in Hitzeperioden zu verringern, wodurch zusätzlich auch eine Entlastung des Ge –
sundheitswesens stattfindet. Österreich hat im Jahr 2017 einen gesamtstaatlichen
Hitzeschutzplan entwickelt (Bundesministerium für Gesundheit und Frauen, 2017a).
Durch Hitzeschutzpläne soll mittels Aufklärung zum Thema Hitze, Verhaltens –
empfehlungen, Handlungsanweisungen und Hitzewarnungen gesundheitlichen
Problemen durch Hitzebelastung vorgebeugt werden. Zusätzlich zu dem gesamt –
staatlichen Hitzeschutzplan haben die Länder Steiermark, Kärnten und Vorarlberg
eigene Hitzeschutzpläne ausgearbeitet.
5
13_02 / Evaluierung und Erweiterung der bestehenden HitzeschutzpläneEin Hitzeschutzplan ist nicht mit einem Hitzeaktions –
plan gleichzusetzen. Während ein Hitzeschutzplan lediglich eine Informations –
sammlung mit konkreten Handlungsempfehlungen darstellt, verfolgt ein Hitze –
aktionsplan nach deutschem Vorbild (Deutsches Bundesministerium für Umwelt,
Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, 2017) einen integrativen Ansatz und
beinhaltet kurz-, mittel- und langfristige Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit,
wobei verschiedene Handlungsfelder definiert werden. Damit enthalten Aktionsplä –
ne nicht nur Empfehlungen, sondern auch konkrete Maßnahmen sowie Vorgaben
zu deren zeitlicher Umsetzung und die Festlegung von einzubindenden Einrich –
tungen und Zuständigkeiten. Die Effektivität von Hitzeaktionsplänen bezüglich der
Vermeidung hitzebedingter Gesundheitsschäden wird für Deutschland mit 30 %
eingeschätzt (APCC, 2018). In Österreich existieren derzeit Hitzeschutzpläne, aber
keine Hitzeaktionspläne, weder auf Bundes- noch auf Landesebene.
Neben Hitzeschutzplänen existieren in Österreich
Hitzewarndienste, etwa in Wien, Tirol und Niederösterreich. In bestimmten Bun –
desländern sind diese in die Hitzeschutzpläne integriert (siehe Anhang). Die Be –
schreibung der bestehenden Hitzeschutzpläne und Hitzewarndienste in Österreich
befindet sich im Anhang. Hitzewarndienste informieren die Bevölkerung und be –
stimmte soziale Einrichtungen, wie etwa Krankenhäuser, Altersheime und Kinder –
gärten sowie Einsatzorganisationen, rechtzeitig über das Auftreten von Hitzewel –
len. Damit sollen vorbeugende Maßnahmen ermöglicht werden und die individuelle
Hitzebelastung und die damit einhergehende Häufung von medizinischen Notfällen
reduziert werden, um das Gesundheitssystem zu entlasten. Um dies zu erreichen,
müssen sich die Hitzewarnungen rechtzeitig an die gesamte Bevölkerung richten,
insbesondere an vulnerable Gruppen (Personen über 65 Jahren, Personen mit
Vorerkrankungen (Adipositas, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, COPD), Einnahme von
Medikamenten (Blutverdünner), Kinder, Schwangere, Bauarbeiter_innen und Hand –
werker_innen, welche ihre Arbeit im Freien verrichten, sozio-ökonomisch benach –
teiligte Gruppen, Personen mit schlechten Deutschkenntnissen) und die mit ihnen
in Verbindung stehenden Einrichtungen (Altersheime, Kindergärten etc.), sowie
deren Angehörige.
Die bestehenden Systeme (Hitzewarndienste und
Hitzeschutzpläne) können derzeit nicht auf ihre Wirksamkeit hin überprüft werden,
da sie keine verbindlichen Maßnahmen beinhalten. Um diese dennoch fortlaufend
verbessern und anpassen zu können, bedarf es regelmäßiger Evaluierungen auf
Landes- und Bundesebene, welche etwa auf Erfahrungsaustausch beruhen kön –
nen. Die daraus gewonnen Erkenntnisse können folglich als Orientierungshilfe die –
nen, um im nächsten Schritt die Hitzeschutzpläne, sowie die in ihnen enthaltenen
Empfehlungen, um konkrete kurz-, mittel- und langfristige Maßnahmen in verschie –
denen Handlungsfeldern hin zu Hitzeaktionsplänen zu erweitern. Die verbindlichen
Maßnahmen von Hitzeaktionsplänen sind auf ihre Wirksamkeit hin überprüfbar. Ein
mögliches Evaluierungskonzept hierfür wird in der vorliegenden Option vorgestellt.
Auch gilt es, die Kommunikation zielgruppenorientiert anzupassen und zu verbes –
sern. Um langfristig die Auswirkungen von Hitzewellen zu mindern, ist die Ausbil –
dung einer hitzekompetenten und gesundheitskompetenten Gesellschaft notwen –
dig. Durch die erworbene Gesundheitskompetenz soll die Bevölkerung lernen, im
Alltag eigenverantwortlich Entscheidungen zu treffen, die ihre Gesundheit fördern
(Bundesministerium für Gesundheit und Frauen, 2017b).
Das Bewusstsein für die Thematik Hitze und Hitzewel –
len soll auf allen Ebenen mittels geeigneter Maßnahmen geschaffen werden. Dies
lässt sich etwa in Form von Informationsweitergabe, welche sich gezielt an den be –
6
Optionen und Maßnahmentroffenen Zielgruppen orientiert, erreichen. Vielfach sind bereits einfach verständli –
che Informationen, auch für spezifische Zielgruppen, vorhanden (z. B. für Personen
in der Pflege, für Elementarpädagog_innen, auch in verschiedenen Sprachen). Um
Verwirrung aufgrund der Fülle an Informationen zu vermeiden, muss von Seiten
der zuständigen Behörden festgelegt werden, welche Maßnahmen verbindlich sind
und welche nicht. Möchte man mit den in den Hitzeschutzplänen, und zukünftigen
Hitzeaktionsplänen enthaltenen Informationen auch jene besonders betroffenen
Personengruppen (siehe oben) und ihre Angehörigen erreichen, welche über her –
kömmliche Wege nur unzureichend oder gar nicht erreicht werden können, etwa
aufgrund von Sprachbarrieren und/oder mangelnder sozialer oder technischer
Anbindung (z. B. kein Internetzugang), gilt es hier, geeignete Kommunikationswege
zu finden. Die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung im Umgang mit Hitzeextre –
men kann durch Aufklärungsarbeit und Bewusstseinsbildung zusätzlich gefördert
werden.
Die unten dargestellten Maßnahmen der Option 13_02 treffen eine Reihe an Ak –
teur_innen, Zielgruppen und Stakeholder_innen:
1. Institutioneller Rahmen: Bund und Länder
a. Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation
und Technologie;
b. Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumenten –
schutz;
c. Sanitätsdirektionen der Bundesländer (Landessanitätsdirektion);
d. Klimaschutzkoordiator_in/Klimaschutzbeauftragte.
2. Organisationen:
a. Apothekerkammer (Landesgeschäftsstelle);
b. Arbeitgeber_innen/Unternehmer_innen, deren Mitarbeiter_innen im Freien
arbeiten;
c. Betreuungs- und Pflegeeinrichtungen;
d. Krankenhäuser;
e. Kuranstalten;
f. Kinderbetreuungseinrichtungen;
g. mobile Pflegedienste;
h. Ärztekammer;
i. Einsatzorganisationen (Rotes Kreuz, Samariterbund,…);
j. Caritas.
3. Kinderbetreuungseinrichtungen;
4. Schulen;
5. Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik;
6. Medien (Fernsehen, Rundfunk, Print, Social Media).
13_01.3 Optionenbeschreibung
13_01 .3.1 Beschreibung der Option
bzw. der zugehörigen Maßnahmen
bzw. Maßnahmenkombinationen
Um eine bessere Vorbereitung der österreichischen
Bevölkerung auf zukünftige Hitzeextreme zu gewährleisten, ist folgende Maßnah –
menkombination vorgesehen:
1. Flächendeckende Implementierung von an die jeweiligen Regionen (urban,
alpin etc.) angepassten Hitzeschutzplänen sowie Hitzeaktionsplänen
Explizite Handlungsanweisungen sind besonders vor
7
13_02 / Evaluierung und Erweiterung der bestehenden Hitzeschutzpläneund während der ersten Hitzewelle des Jahres von enormer Bedeutung, um ge –
sundheitliche Schäden zu minimieren, da hier die Thermoregulation der Menschen
am meisten gefordert ist. Doch auch folgende Hitzewellen sind gefährlich und
dürfen nicht unterschätzt werden. Dabei sind die Betroffenheit und Auswirkungen
regional verschieden. So ist zum Beispiel in den Hochlagen des alpinen Raums,
mit Abgrenzung des österreichischen Alpenraums gemäß der Alpenkonvention
(Alpenkonvention, 1991) die Hitzebelastung naturgemäß geringer als im Flachland
oder in urbanen Räumen. Alpine Tallagen erhitzen sich bei Sonneneinstrahlung
jedoch rasch, sodass die Hitzebelastung unter Tags ein ähnliches Ausmaß erreicht
wie im Flachland. Dies zeigt sich deutlich am Beispiel der Tiroler Landeshauptstadt
Innsbruck: hier wurden im Jahr 2019 mit 29 Kyselytagen rund sechsmal so viele
Hitzetage verzeichnet wie in einem durchschnittlichen Jahr des Bezugszeitraumes
1961 – 1990 (Stangl et al., 2020). Eine effiziente, österreichweite Vorbereitung auf
zukünftige Hitzewellen erfordert daher die Entwicklung von regional angepassten
Hitzeschutzplänen.
Neben der flächendeckenden und regional angepass –
ten Einführung von Hitzeschutzplänen können als zusätzlicher Schritt Hitzeaktions –
pläne eingeführt werden, welche die Auswirkungen von Hitze auf die menschliche
Gesundheit zusätzlich reduzieren. Denn, während es sich bei Hitzeschutzplänen
nur um eine Informationssammlung mit Handlungsan leitungen handelt, beinhalten
Hitzeaktionspläne konkrete und verbindliche kurz-, mittel- und langfristige Prä –
ventionsmaßnahmen zum Schutz der menschlichen Gesundheit. Hierbei gilt es zu
beachten, dass die Hitzewirkung nicht überall gleich empfunden wird und es dies –
bezüglich unterschiedliche räumliche und sozio-ökonomische Betroffenheit gibt
(z. B. exponierte Arbeits- und Wohnsituationen; Schwerarbeit im Freien, etwa auf
Baustellen; kleinere, schlecht isolierte Wohnräume ohne wohnortnahe Grünräume).
2. Evaluierung bestehender Systeme (Hitzewarndienste, Hitzeschutzpläne)
und Evaluierungskonzept für Wirksamkeitsanalysen von Hitzeaktionsplä –
nen
Die Evaluierung schon bestehender Hitzewarndienste
und Hitzeschutzpläne kann zu deren Nachbesserung und Weiterentwicklung bei –
tragen und erleichtert die Implementierung von Hitzeaktionsplänen.
Die bisher einzige Evaluierung eines bestehenden
Hitzeschutzplanes erfolgte im Oktober 2017. Evaluiert wurde der steirische Hitze –
schutzplan von der zuständigen Landessanitätsdirektion mit Hilfe einer Online-
Umfrage. Als Adressat_innen wurden Ansprechpersonen aus Alten- und Kinder –
betreuungseinrichtungen, Pflegedienste und Blaulichtorganisationen ausgewählt.
Die Umfrage ergab sehr gut allgemeine Zufriedenheitswerte, wobei 50 % der
Befragten das Hitzewarnsystem des steirischen Hitzeschutzplanes für die Arbeit in
den Einrichtungen als sehr hilfreich bewerteten. Von 52 % wurde ein maßgeblicher
Beitrag zur Verminderung von negativen Gesundheitsfolgen gesehen (Pollhammer,
2019). Da diese Evaluierung mehr einer Zufriedenheitsanalyse gleicht als einer
konkreten Wirksamkeitsanalyse, wurde von den Autor_innen der Option 13_02
das nachstehende Evaluierungskonzept entwickelt. Damit lässt sich die Wirksam –
keit von verbindlichen Maßnahmen zukünftiger Hitzeaktionsplänen feststellen. Für
Hitzeschutzpläne als reine Informationssammlungen, ohne verbindliche Maßnah –
men, sind solche auf Indikatoren beruhende Wirksamkeitsanalysen hingegen nicht
durchführbar. Die Evaluierung der bestehenden Systeme (Hitzewarndienste und
Hitzeschutzpläne) kann etwa mittels regelmäßiger Treffen zwischen den Städten,
Gemeinden und Bundesländern zum Erfahrungsaustausch erfolgen. Zusätzliche
Expertise kann von Fachexpert_innen und betroffenen Blaulichtorganisationen ein –
8
Optionen und Maßnahmengeholt werden.
Eine Wirksamkeitsanalyse hilft dabei, die Ausgangs –
bedingungen von Hitzeaktionsplänen und deren Maßnahmen zu optimieren und die
Qualität zu sichern. So können inhaltliche Verbesserungen für zukünftige Hitzewel –
len herausgefunden und die Zielerreichung gemessen werden. Die Evaluation kann
entweder intern, von Mitarbeiter_innen der Landessanitätsdirektion des jeweiligen
Bundeslandes, oder extern, durch Außenstehende, vorgenommen werden (Kanat –
schnig & Schmutz, 2000). Eine Mischform verbindet die Vorteile der halbexternen
Evaluation, an der sowohl externe Fachleute als auch die an dem Projekt beteilig –
ten Mitarbeiter_innen gemeinsam arbeiten. Dadurch werden Objektivität und eine
hohe Glaubwürdigkeit erreicht (Kanatschnig & Schmutz, 2000).
Das Konzept der Wirksamkeitsanalyse der Hitzeak –
tionspläne kann auf die drei Standardfragen für Wirksamkeitsanalysen zurückgrei –
fen:
−Process – Was beeinflusst die Wirksamkeit der Maßnahmen?
−Outcome – Wie groß ist die Wirksamkeit der Maßnahmen?
−Outreach – Inwieweit werden die Ziele und Zielgruppen erreicht?
Ausgewählte Indikatoren zu Process, Outcome und
Outreach können der Tab. O_13-02_01 entnommen werden. Ein Großteil der In –
dikatoren wurde, wie in der Abbildung ausgewiesen, von dem Heat-Health-Action
Plan der Weltgesundheitsorganisation (WHO) übernommen. Das Vorhandensein
einer Echtzeiterfassung von Morbidität und Mortalität ist von großer Wichtigkeit,
um bei Übersterblichkeit schneller reagieren zu können und auf lange Sicht eine
Übersterblichkeit bei bestimmten Wetterbedingungen vorhersagen zu können. Um
es den Allgemeinmediziner_innen, Gemeindeärzt_innen und Sprengelärzt_innen
zu ermöglichen, aktiv auf Vorerkrankte und Risikogruppen zuzugehen und dafür
entlohnt zu werden, braucht es eine flexiblere Gestaltung des Vergütungsmecha –
nismus des Gesundheitssystems. Ein erster Schritt dahin ist die Sensibilisierung
des Gesundheitspersonal für die Problematik, dies betrifft auch die Allgemeinmedi –
ziner_innen und Gemeindeärzt_innen.
Die langfristige Einbeziehung der Stadtplanung zur
Reduktion der Hitzeexposition ist ein weiterer wichtiger Faktor, auf den in Hitze –
aktionsplänen eingegangen werden muss, wenn man eine (zusätzliche) langfris –
tige Reduktion von hitzebedingter Morbidität und Mortalität erreichen möchte. An
dieser Stelle sei auf die Option 13_03 Langfristige Sicherstellung der Wasserver –
sorgung bei Siedlungsbegrünungsmaßnahmen verwiesen.
Die Erhebung der Daten für die Outcome -Indikatoren
beruht vorrangig auf der Dokumentation der Diagnosen durch das medizinische
Personal. Um die Erfassung von Hitze-assoziierter Übersterblichkeit überhaupt zu
ermöglichen und um keinen neuen bürokratischen Mehraufwand zu generieren, gilt
es, diese Dokumentation vorerst zu optimieren. Definitive Hitzeschäden (Hitze –
kollaps, Sonnenstich etc.) sind eher selten und auch nicht immer sicher diagnosti –
zierbar. Die Patient_innen erkranken an Kreislauf-, Nieren- oder Atemproblemen,
welche sich während Hitzeextremen und Hitzewellen häufen. Die entsprechenden
Diagnosen sollen gemäß der von der Weltgesundheitsorganisation initiierten Inter –
nationalen Klassifikation von Krankheiten , den ICD-Codes, erfolgen. Die Klassi –
fikation nach ICD-10 ermöglicht eine Einteilung der Hitzeschäden in Hitzeschlag
und Sonnenstich, Hitzesynope (Hitzekollaps), Hitzekrampf, Hitzeerschöpfung
durch Wasserverlust, Hitzeerschöpfung durch Salzverlust und Hitzeerschöpfung,
nicht näher bezeichnet (Weltgesundheitsorganisation (WHO), 2019). Eine mög –
liche Dokumentation hitzebedingter Erkrankungen könnte in Folge darin bestehen,
9
13_02 / Evaluierung und Erweiterung der bestehenden Hitzeschutzplänedie Diagnosen von Kreislauf-, Nieren- oder Atemproblemen, welche an heißen
Tagen häufiger sind, zu erfassen und den erhöhten Anteil der Hitze zuzurechnen.
Dadurch können langfristig Vergleiche zu früheren Hitzewellen angestellt werden
und erkannt werden, ob neuerliche Maßnahmen eine Verringerung der Indikatoren
mit sich bringen. Zusätzlich können die Indikatoren durch Fragebögen, Interviews
oder Fokusgruppen, welche man mit den Angestellten in Krankenhäusern, Schu –
len, Pflegeanstalten, bei Einsatzorganisationen usw. durchführt, erhoben werden.
Durch die Ergebnisse lässt sich die Wirksamkeit von verbindlichen Maßnahmen
zukünftiger Hitzeaktionspläne feststellen.
Die Auswertung der Wirkungsanalyse sollte außerhalb
der Hitzesaison, September bis April, einmal jährlich im Zuge einer Querschnitter –
hebung stattfinden, um dadurch wieder besser auf die nächste Hitzesaison vorbe –
reitet zu sein. Nach der Bewertung der Ergebnisse gezogene Schlussfolgerungen
können dazu beitragen, die verschiedenen Maßnahmen zu den Indikatoren zu
verbessern. So können Maßnahmen entweder überdacht, besser angepasst oder
auch gestrichen werden. Durch die Dokumentation der hitzebedingten Gesund –
heitsfälle und der Übersterblichkeit kann auch die zeitliche Setzung und Abfolge
einzelner Maßnahmen optimiert werden.
10
Optionen und Maßnahmen11nach dem
Heat-Health-
Action-Plan
der WHO −Einrichtung eines akkuraten und zeitge –
rechten Alarmsystems
−zentrale Koordnination
−Verfügbarkeit eines hitzerelevanten Ge –
sundheitsinformationsplans
−kurz- und mittelfristige Maßnahmen zur
Reduktion der Hitzebelastung in Innen –
räumen
−Es muss sich explizit um die vulnerable
Bevölkerung gekümmert werden
−Vorbereitung des Gesundheits- und So –
zialsystems
−langfristige Stadtplanung zur Reduktion
der Hitzebelastung
−Verfügbarkeit einer Echtzeitberwachung
von Morbidität und Mortalität −Gespräche mit den Organisa –
tionen, inwiefern sie sich gut
auf eine Hitzewelle vorbereitet
fühlen −Vorbereitung der be –
troffenen Organisa –
tionen (Krankenhäu –
ser, Kuranstalten)
auf Hitzewellen
−Vorbereitung der
Bevölkerung auf
Hitzewellen
−Verringerung der
hitze-assoziierten
Übersterblichkeit
−Verringerung von
Gesundheitsschä –
den durch Hitze
−Entlastung Gesund –
heitssystem
betrifft die
gegebene
Infrastruktur
zur
Umsetzung
der
Maßnahmen −Anteil der Bewusstseinsbildung zum
Thema Hitze in Curricula der Schulen und
Hochschulen
−Detailgrad der gewählten Maßnahmen in
Hitzeaktionsplänen
−langfristige Änderung der Stadtplanung,
um Hitzeexposition in Städten zu ver –
ringern
−Anteil der Bevölkerung, der sich der Exis –
tenz eines Hitzeaktionsplans bewusst ist
betrifft die
gegebene
Infrastruktur
zur
Umsetzung
der
Maßnahmen −Anteil der E-Mail-Aussendungen an Bun –
desländer, Ministerien, Organisationen
−Geschwindigkeit, mit der Zielorganisatio –
nen und Zielpersonen erreicht werden
−Anzahl an geschultem Personal in Pflege –
einrichtungen
−Art der Informationsvermittlung
−Anzahl der verfügbaren Informations-
materialien −Anzahl der Aktivierungen des
Hitzeaktionsplans in einer
Saison
−Hitze-assoziierte Übersterblich –
keit im Vergleich zu früheren
vergleichbaren Hitzewellen
−Hitze-assoziierte Krankenhaus –
aufenthalte im Vergleich zu
früheren vergleichbaren
Hitzewellen −relativer Anteil der
erreichten Personen
gesamt
−relativer Anteil der
erreichten Personen
über 65 Jahren
−relativer Anteil der
erreichten Personen
ohne Internetzugang
betrifft
Mediziner_in –
nen −Schulungen der Allgemeinmediziner_in –
nen, Gemeindeärzt_innen und Sprenge –
lärzt_innen, um hitzebedingte Krankhei –
ten zu erkennen (Bewusstseinsbildung)
im 5-Jahres-Zyklus
−Vergütungsmechanismus des Gesund –
heitssystems −Hitze-assoziierte Rettungsein –
sätze im Vergleich zu früheren
vergleichbaren Hitzewellen
−Fragebogen für Organisationen,
wie Pflegeheime, Krankenhäu –
ser, Kulturanstalten etc., um re –
gionale Unterschiede erkennen
zu können
−Informationsgrad über Hitzeak –
tionspläne in der Bevölkerung −relativer Anteil der
erreichten Personen
mit schlechten
DeutschkenntnissenProcess- Indikatoren Outcome- Indikatoren Outreach- Indikatorenqualitativ quantitativ
13_02 / Evaluierung und Erweiterung der bestehenden Hitzeschutzpläne123. Umsetzung kurzfristiger Maßnahmen vor und während Hitzewellen
In Folge werden eine Reihe an kurzfristigen (Akut-)
Maßnahmen, geordnet nach Überthemen, vorgeschlagen, welche einerseits zur
Ergänzung bestehender Hitzeschutzpläne dienen, aber auch als Pilotversuche für
eine eventuelle Implementierung von konkreten Hitzeaktionsplänen verstanden
werden können. Die Wirksamkeit von Hitzeaktionsplänen kann durch mittel- und
kurzfristige Maßnahmen in verschiedenen Handlungsfeldern erhöht werden, wie
etwa dem Gesundheitssystem und der gebauten Umwelt; diese werden im vorlie –
genden Dokument nicht behandelt.
I. Abkühlungsmöglichkeiten im öffentlichen Raum
−Schaffung von öffentlichen (Gratis-)Zugängen und Bademöglichkeiten in
natürlichen Gewässern (Seen, Grundwasserteichen, Altarmen von Flüssen,
etc.) und kostenloser Eintritt in Schwimmbäder. Der Ausbau künstlicher Ge –
wässer bzw. die Installation von so genannten Nebelduschen, bei denen
feine Tröpfchen versprüht werden, um die Umgebungstemperatur zu senken,
wird von den Autor_innen der Option 13_02 nicht empfohlen. Einerseits wird
bei den Nebelduschen wertvolles Trinkwasser versprüht und andererseits
besteht die Befürchtung, dass zu viele (seichte und daher warme) Gewässer
zu einer erhöhten Anzahl an Tropennächten führen können;
−Öffentliche, kühle (klimatisierte) Räume nutzen oder auf ökologisch
vertretbare, nachhaltige Art schaffen (z. B. in Einkaufszentren, ungenutzte
Gemeindebauten, leer stehende Geschäftslokale, Kirchen) und auch die An –
fahrt zu diesen bei akutem Bedarf durch den öffentlichen Verkehr erleichtern
(Allex et al., 2018). Hier kann auch aktiv ein Fahrtendienst angeboten werden.
Damit ginge für alleinstehende, einkommensschwache Personen, die es sich
nicht leisten können, ins klimatisierte Kaffeehaus zu gehen, auch ein sozialer
Vorteil einher. Grundsätzlich sollte, wenn möglich, nicht nur auf Klimatisie –
rung, sondern besonders auf nachhaltige Kühlung, z. B. Dach- und Fassa –
denbegrünung, gesetzt werden;
−Installierung öffentlicher Trinkbrunnen um Menschen, die Wege in der Hitze
zurücklegen müssen, den kostenlosen Zugang zu Wasser zu ermöglichen.
Dieses Ziel könnte auch unterstützt werden durch die Ausgabe wiederver –
wendbarer Wasserflaschen oder von Trinkwasser an besonders frequentier –
ten, heißen Stellen, bzw. an Kindergärten, Altersheimen etc.
II. Hitzeangepasste Öffnungszeiten
−Parks länger oder durchgehend geöffnet lassen;
−Geschäfte des täglichen Bedarfs zu bestimmten Zeiten primär für vulnerable
Gruppen öffnen sowie Ordinationszeiten vorverlegen (z. B. Start um 6 Uhr
statt um 9 Uhr) speziell für vulnerable Gruppen;
−Verlängerte Öffnungszeiten in Apotheken.
III. Hitzewarnungen
−Hitzewarnungen mit Handlungsempfehlungen über Radio und Fernsehen;
Sollen Warnungen wirksam sein und die Bevölkerung Tab. O_13-02_01 :
Process-, Outcome- und
Outreach-Indikatoren der
Wirksamkeitsanalyse für
Hitzeaktionspläne. Grün =
qualitative Indikatoren; Blau =
quantitative Indikatoren. Quelle:
eigene Darstellung. // Tab. O_13-02_01 : Process,
outcome and outreach indicators
of the effectiveness analysis
for heat action plans. Green =
qualitative indicators; Blue =
quantitative indicators. Source:
own representation.
Optionen und Maßnahmen13erreichen, müssen Hitzewarnungen über Medien wie Radio und Fernsehen vor
jeder erwarteten Hitzewelle geschalten werden. Um möglichst viele Menschen
zu erreichen, bietet es sich an, Warnungen vormittags und nachmittags, vor oder
nach den Nachrichten in mehreren Sprachen zu schalten, und sie nicht nur in die
Wetterberichte zu inkludieren. Da das Gefährdungspotential von frühen Hitzewel –
len am größten ist, wäre die Ausgabe von Handlungsempfehlungen vor allem vor
und während der ersten Hitzewelle im Jahr am wichtigsten.
−Installation von Hitzeapps.
Darin können etwa Information wie die aktuelle Außen –
temperatur, Verhaltenstipps und Trinkbrunnenstandorte beinhaltet sein. Zusätzlich
empfehlen die Autor_innen der Option 13_02 die Versendung von Hitzewarnungen
entweder per SMS oder automatisiert durch eine App. Beispiel für eine bereits
bestehende App wie etwa City Oases2 . Diese App stellt einen Beitrag zu Citizen
Science in Wien dar und wurde vom Institut für angewandte Systemanalyse (IIASA)
entwickelt, um die vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten von Freiräumen in Wien
aufzuzeigen. So kann man mit der App auch an heißen Tagen einen kühlen Ort im
Freien finden (Institut für angewandte Systemanalyse (IIASA), 2021).
IV. Erreichbarkeit vulnerabler Gruppen
−Freiwillige Registrierung vulnerabler Personen in Telefonlisten.
Diese Maßnahme wurde in Luxemburg erfolgreich
implementiert. Über 75-jährige können sich hier selbst beziehungsweise über
ihre Angehörigen und Betreuenden in Telefonlisten eintragen lassen und werden,
sobald eine Hitzewelle bevorsteht und eintritt, regelmäßig über Telefonanrufe nach
ihrem Befinden gefragt. Ist eine Person nicht erreichbar, wird ein Sanitätsteam
zum Wohnort geschickt, um den Gesundheitszustand der Person zu überprüfen. In
Frankreich besteht neben der freiwilligen Registrierung sogar eine Verpflichtung
der Kommunen, jährlich Listen gefährdeter Personen zu erstellen (Grewe & Blätt –
ner, 2011).
V. Hitze als Todesursache
−Echtzeiterfassung von durch die Hitze ausgelöste Morbidität und Mortalität.
Dafür wäre es wichtig zu erfassen, ob und welche Vor –
erkrankungen die betroffenen Personen aufwiesen, sowie welche Medikamente re –
gelmäßig eingenommen wurden und wie der soziale Hintergrund der Verstorbenen/
Erkrankten ist. Hierzu werden klare Vorgaben benötigt, unter welchen Bedingun –
gen die Verstorbenen als Hitzetote geführt werden.
VI. Klimabezogenen Gesundheitskompetenz
−Aus-, Weiter- und Fortbildungsprogramme für das Gesundheitspersonal, so –
wie für Apotheker_innen, zur Schaffung einer klimabezogenen Gesundheits –
kompetenz bei den Betreuenden zum Beispiel in Bezug auf die Wechselwir –
kungen von Medikamenten bei Hitze;
−Erweiterung des Curriculums der Medizinstudiengänge um das Thema Klima –
wandel und Gesundheit;
−Gesprächsqualität in der Krankenbehandlung um den Klimaaspekt erweitern;
−Vermittlung von klimaspezifischem Gesundheitswissen (z. B. richtige Er –
nährung während Hitzeperioden (leichte Speisen, wenig tierische Fette und
Fleisch, Speisen mit einem hohen Wassergehalt etc.)).
2 für mehr Informationen siehe: https://iiasa.ac.at/web/home/research/researchPrograms/Ecosys –
temsServicesandManagement/Landsense-App-CityOases.html [24.8.2021]
13_02 / Evaluierung und Erweiterung der bestehenden Hitzeschutzpläne14VII. Hitze am Arbeitsplatz
In den bestehenden Hitzeschutzplänen ist das Thema
Hitze am Arbeitsplatz noch nicht integriert. Aufgrund dessen Wichtigkeit empfiehlt
es sich, dies nachzuholen, und das Thema auch in zukünftige Hitzeschutzpläne
stärker einfließen zu lassen. Erste mögliche Maßnahmen wären etwa:
−Die Ermöglichung von individuellen Arbeitszeiten (sehr früh oder Siestamo –
dell), um den Hitzespitzen zu Mittag und am Nachmittag auszuweichen. Zum
Beispiel ein zeitlich früherer Baubeginn bei Verwendung leiser elektrischer
Geräte ( Zero Emission -Baustellen in Kopenhagen und Oslo), um die (Nach-)
Mittagshitze in der Bauarbeiter_innenbranche besser vermeiden zu können;
−Ein Recht auf Arbeit im Home-Office für alle Bürobeschäftigten und ein
Recht auf Hitzefrei für Arbeitnehmer_innen, welche schwere körperliche
Arbeit im Freien verrichten müssen und daher der Hitze besonders ausge –
setzt sind (z. B. Bauarbeiter_innen);
−Installierung weißer Sonnensegel auf Dachniveau (effektiv, kostengünstig
und einfach umzusetzen).
4. Bestehende Kommunikationswege zur Erreichbarkeit vulnerabler Gruppen
nutzen und ausbauen
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk (ORF) kann dazu
beitragen, im Sinne seines Bildungsauftrages die Bevölkerung über das richtige
Verhalten bei Hitzewellen zu schulen und stetig aufzuklären. Zusätzlich können
Sender mit hohen Einschaltquoten der vulnerablen Bevölkerung, zum Beispiel Per –
sonen über 65 Jahren, ihre Reichweite zur Informationsvermittlung nutzen.
Die Studie EthniCityHeat (Allex et al., 2018) hat sich
mit den Auswirkungen von Hitzewellen auf Personen mit türkischem Migrations –
hintergrund und mangelhaften Deutschkenntnissen beschäftigt. Die Ergebnisse der
Studie können unter Betracht kultureller Gewohnheiten auf die vulnerable Gruppe
der Personen mit Migrationshintergrund umgelegt werden. Fremdsprachige Gra –
tis-Zeitungen, welche in den jeweiligen Supermärkten oder Vereinslokalen, aber
auch bei den Apotheken aufliegen, können eingesetzt werden, um die vulnerable
Gruppe der Personen mit Migrationshintergrund und mangelhaften Deutschkennt –
nissen mit Informationen und Handlungsmaßnahmen zu versorgen. Eine weite –
re Möglichkeit hierfür stellen mehrsprachige, einfach gehaltene Broschüren mit
Handlungsanweisungen, wie sie etwa in Wartezimmern von Ärzt_innen aufliegen,
dar. Ältere Personen ab 65 Jahren mit Migrationshintergrund und mangelhaften
Deutschkenntnissen erhalten einen Großteil der Informationen über ihre Kinder.
Der Fokus sollte deshalb auf der Förderung der Kommunikation zwischen den
Generationen liegen, weshalb die Bewusstseinsbildung in Schulen einen wichtigen
Faktor darstellt.
Zur Erreichung und Sensibilisierung von sozial be –
nachteiligten Personen, als auch Obdachlosen spielen Hilfsorganisationen, wie die
Caritas und evtl. auch die Tafel eine besondere Rolle in der Informationsweiterga –
be. Im Falle von Hitzewellen bietet es sich daher an, auch diese zu informieren.
5. Bewusstseinsbildung zum Thema Hitze und Hitzeextreme
Damit die Informationen über den Umgang mit Hitze –
wellen auch korrekt zwischengenerationell weitergegeben werden kann, emp –
fehlen die Autor_innen der Option 13_02, Bewusstseinsbildung bereits in den
Kindergärten zu betreiben, da besonders Kleinkinder zu der vulnerablen Gruppe
gehören. Diese Bildung könnte sich später in der Schule, durch Einbindung der
Thematik in die Lehrpläne, fortsetzen. Eine zusätzliche Möglichkeit der Bildung in
diesem Bereich stellt die Verankerung von Klima- und Nachhaltigkeitsthemen in
Optionen und Maßnahmen15allen Hochschul-Curricula dar. Eine transdisziplinäre Bewusstseinsbildung an den
Hochschulen unter Einbindung verschiedener Stakeholder_innen ist sinnvoll, da
hier im interaktiven Prozess Lösungen zu diversen Hitze-assoziierten Problemen
gefunden werden können. Auch Kooperationsprojekte zwischen Wissenschaft
und Schule, wie zum Beispiel das Projekt makingAchange , sind effektiv, um die
Schüler_innen in den verschiedensten Themen zu bilden und auszubilden. Durch
Bewegtes Lernen [SDG4, Target 4.7, Option 04_13] kann die Gesundheitskompe –
tenz der jüngeren Generation verstärkt ausgebildet werden, da durch das bessere
Körperbewusstsein und den Spaß an der Bewegung Vorerkrankungen minimiert
werden können und somit Hitzewellen weniger schnell zu körperlichen Belastung
führen. Zusätzlich lernen die Schüler_innen mit der Hitze umzugehen, wissen wo
sich kühle Plätze in ihrer Umgebung befinden, auch zu welchen Uhrzeiten man
sich bei Hitzewellen besser in kühlen Räumen aufhält und wie man die Wohnung
möglichst kühl hält.
Um das Bewusstsein zusätzlich bei Personen mit
Migrationshintergrund und mangelhaften Deutschkenntnissen zu erhöhen, kann in
Einrichtungen, die genannte Personen nutzen, wie zum Beispiel kulturelle oder reli –
giöse Vereine oder soziale Institutionen, verstärkt Bewusstseinsbildung betrieben
werden (Allex et al., 2018).
Ärzt_innen, Apotheker_innen, Pharmazeut_innen und
das Pflegepersonal sind ein weiterer wichtiger Faktor der Bewusstseinsbildung,
da vulnerable Personen die Informationen über diese beziehen. Um hitzebedingte
Krankheiten und Todesfälle zu reduzieren (Bundesvertretung der Medizinstudie –
renden in Deutschland e. V., 2011), müssen diese Berufsgruppen speziell auf die
Herausforderungen des Klimawandels fortgebildet werden und aktiv auf gefährdete
Patient_innen zugehen und sie auf Hitzewellen vorbereiten.
13_02 .3.2 Erwartete Wirkungsweise
Durch die österreichweite Implementierung von regio –
nal angepassten Hitzewarnsystemen (Hitzewarndienste, Hitzeschutzpläne), soll
die Betroffenheit und die Auswirkungen von Hitzeextremen auf die menschliche
Gesundheit in allen Regionen Österreichs gleichermaßen reduziert werden. Noch
ausständige konkrete Präventionsmaßnahmen im Rahmen von Hitzeaktionsplänen
können nach ihrer Umsetzung neben Informationen und Handlungsempfehlun –
gen, wie es sie bereits in Hitzeschutzplänen gibt, einen wichtigen Beitrag hierzu
leisten. Die im Rahmen der Option 13_02 vorgestellten Maßnahmenideen dienen
als Pilotversuche. Durch eine regelmäßige Evaluierung schon bestehender Hitze –
schutzpläne ist eine Verbesserung dieser zu erwarten. Das vorgestellte Evaluie –
rungskonzept sichert die Qualität der Maßnahmen zukünftiger Hitzeaktionspläne
und optimiert diese. Gleichzeitig kann mit den darin vorgestellten Indikatoren deren
Zielerreichung gemessen werden. Neue Kommunikationswege zur Erreichung von
Risikogruppen werden erkannt und genutzt. Ebenso wird Bewusstseinsbildung
zum Thema Hitze und Hitzeextreme verstärkt betrieben.
13_02 / Evaluierung und Erweiterung der bestehenden Hitzeschutzpläne1613_02 .3.3 Bisherige Erfahrungen mit dieser
Option oder ähnlichen Optionen
Erfahrungen anderer Länder in Bezug auf Hitzeschutz,
und Hitzeaktionspläne sowie Akutmaßnahmen.
Deutschland
Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau
und Reaktorsicherheit hat 2017 Handlungsempfehlungen für die Erstellung von
Hitzeaktionsplänen zum Schutz der menschlichen Gesundheit erstellt (Straff &
Mücke, 2017). Es wurden die acht Kernelemente des Heat-Health-Action Plans
der Weltgesundheitsorganisation übernommen und an Deutschland angepasst. Es
wird klargestellt, dass dies als einheitliche Grundlage zu verstehen ist, wodurch
konkrete, auf die jeweilige Region abgestimmte, praktikable Hitzeaktionspläne von
den jeweiligen Bundesländern entwickelt werden müssen.
Frankreich, Paris
Vulnerable Personen, die sich selbstständig regist –
riert haben, werden während einer Hitzewelle regelmäßig per Telefon kontaktiert
und nach ihrem Zustand gefragt (Grewe & Blättner, 2011). Sollten Personen nicht
erreichbar sein, fährt ein Rettungsteam zu diesen und begutachtet die Lage. 2019
wurden in Paris 3.000 wiederverwendbare Wasserflaschen an Obdachlose verteilt,
um Dehydrierungen vorzubeugen. Zusätzlich gibt es eine App, in der die verschie –
denen Kühlungsinseln in Paris aufgelistet sind. In Paris sind bei Hitzewellen 18
Parkanlagen 24 Stunden am Tag geöffnet und zusätzlich sind urbane Mikro-Wälder
in Planung (Peltier, 2019).
Italien
Die Echtzeitüberwachung von Mortalität ist eine zent –
rale Aufgabe des nationalen Hitzeaktionsplan in Italien und wird durch die Überwa –
chung der Todesfälle in 34 Städten erreicht. Die Durchführungsverantwortung ob –
liegt hierbei den regionalen Gesundheitsverwaltungen. Die Erstellung, Umsetzung
und Evaluation von regionalen Maßnahmenplänen geschehen auf kommunaler
Ebene. Wie auch in Deutschland stellt das Gesundheitsministerium eine Leitlinie
zur Entwicklung von Hitzeaktionsplänen zur Verfügung (Grewe & Blättner, 2011).
Portugal
Auch in Portugal funktioniert die Echtzeitüberwachung
von Mortalität mit Hilfe einer gesonderten Meldepflicht für Todesfälle durch direkte
Hitzeeinwirkung (Grewe & Blättner, 2011). Zusätzlich werden die Zahl der Ret –
tungseinsätze und Krankenhausaufnahmen erfasst.
Schweiz
In Bern wurde ein digitaler Stadtplan entwickelt, in
dem die Schattenplätze und Brunnen der Stadt eingezeichnet sind (Stadt Bern,
2020).
13_02 .3.4 Zeithorizont der Wirksamkeit
Kurzfristig
Ein Teil der Maßnahmen, die als Pilotversuche für die
mögliche Umsetzung von Hitzeaktionsplänen vorgeschlagen wurden, kann ganz
kurzfristig umgesetzt werden und schon bei der nächsten Hitzewelle Erleichterung
bringen.
Mittelfristig
Maßnahmenkombinationen zur Ausbildung einer
hitzekompetenten Gesellschaft und solche, die infrastrukturelle Voraussetzungen
haben, werden erst mittelfristig voll wirksam.
Optionen und MaßnahmenLangfristig
Die langfristigen Ziele der besseren Vorbereitung Ös –
terreichs auf zukünftige Hitzeextreme bestehen in der Ausbildung einer klimabezo –
genen Gesundheitskompetenz zukünftiger Generationen sowie der umfassenden
Transformation zu einer klimaverträglichen, nachhaltigen, zukunftsfähigen Gesell –
schaft, welche auch die notwendigen Investitionen vornimmt, um bestehende und
neu errichtete Infrastruktur besser an Hitzeextreme anzupassen.
13_02 .3.5 Interaktionen mit anderen SDGs
SDG Interaktionen
Sozial benachteiligte Gruppen (bildungsferne und/oder einkommens –
schwache Schichten, und Obdachlose) sind generell stärker von
Hitze betroffen (APCC, 2018). Dies ist unter anderem auf ihr meist
exponiertes Wohnverhältnis (kleinere, schlecht isolierte Wohnräume
ohne wohnortnahe Grünflächen) zurückzuführen.
Die stetige Evaluierung und Verbesserung bestehender Hitzeschutz –
pläne und deren Erweiterung zu Hitzeaktionsplänen, sowie die in
der vorliegenden Option vorgeschlagenen zusätzlichen kurzfristigen
Maßnahmen und die Information und Bewusstseinsbildung der
Bevölkerung sollen dazu beitragen, die Zahl der Hitze-assoziierten
Todesfälle zu reduzieren und das Gesundheitssystem zu entlasten.
Um generationenübergreifende Kommunikation zu fördern und da
Kinder eine vulnerable Gruppe darstellen, bietet es sich an, bereits
in den Kindergärten Bewusstseinsbildung zum Thema Hitze zu
betreiben (APCC, 2018). Ebenso können Konzepte im Sinne des
lebenslangen Lernens in der Gesamtbevölkerung, und nicht nur den
vulnerablen Gruppen, umgesetzt werden.
Hitze betrifft Frauen aufgrund einer Vielzahl an Faktoren (z. B.
längere Lebensdauer, geringeres Einkommen, Unterschiede im
Lebensstil und physiologische Unterscheide) generell stärker als
Männer (D’Ippoliti et al., 2010). Hitzereduzierende Maßnahmen
wie sie in einem erweiterten Hitzeschutzplan und insbesondere in
zukünftigen Hitzeaktionsplänen vorgesehen wären, können helfen,
diese Unterschiede auszugleichen, und sorgen daher für mehr Gle –
ichheit der Geschlechter bezüglich ihrer Lebensqualität.
Eine kurzfristige Maßnahme der Option ist die Ausgabe von Trink –
wasser während Hitzeextremen, hier besteht eine Verbindung mit
SDG 6 Target 6.1. grundsätzlich ist der Zugang zu ausreichend
Trinkwasser essentiell.
Der zukünftig steigende Energiebedarf, etwa zu Zwecken der Geb –
äudekühlung (z. B. Klimaanlage), kann durch mittel- und langfristige
Maßnahmen zukünftiger Hitzeaktionspläne im Bereich der Stadt-
und Gebäudeplanung als auch der Energie- und Verkehrspolitik
reduziert werden.
17
13_02 / Evaluierung und Erweiterung der bestehenden Hitzeschutzpläne18Tab. O_13-02_02 : Interaktion
der Option 13_02 mit anderen
SDGs. Quelle: eigene Darstellung.
(2021). // Tab. O_13-02_02: Interactions
of option 13_02 with other SDGs.
Source: own representation.
(2021). SDG Interaktionen
Ein Recht auf Hitzefrei wird für Arbeitnehmer_innen die auf ihrem Ar –
beitsplatz extremer Hitze ausgesetzt sind. Dies betrifft insbesonde –
re Arbeitnehmer_innen, die schwere körperliche Arbeit im Freien
verrichten (z. B. Bauarbeiter_innen, Handwerker_innen), vorges –
chlagen. Für Bürobeschäftige könnte es ein Recht auf Home-office
geben. Beide Maßnahmen erfordern eine Bewusstseinsbildung zum
Thema Hitze am Arbeitsplatz, sowohl bei den Arbeitnehmer_innen,
in erster Linie jedoch bei den Arbeitgeber_innen.
Viele hitzereduzierende Maßnahmen sind derzeit ein Privileg von
sozio-ökonomisch starken Gesellschaftsschichten (z. B. Begrünung
im Siedlungsgebiet, gut isolierte Wohn- und Arbeitsräume etc.).
Die innerhalb der Option 13_02 vorgeschlagenen kurzfristigen
Maßnahmen sollten allen Menschen gleichermaßen zugutekommen.
Die bestehenden Ungleichheiten können durch mittel- und langfris –
tige Maßnahmen im Bereich der Stadt- und Gebäudeplanung, etwa
durch Gebäudesanierung und den Ausbau von Grünflächen, reduz –
iert werden.
Mittel- und langfristige Maßnahmen von zukünftigen Hitzeaktions –
plänen können einen hitzereduzierenden Umbau der städtischen
Strukturen umfassen.
Manche der vorgeschlagenen, kurzfristigen Maßnahmen der Option
umfassen die Ressourcen Wasser und Energie, auch der hitzere –
duzierende zukünftige (Um-)Bau der städtischen Strukturen erfordert
Ressourcen. Es ist bei all diesen Maßnahmen auf einen möglichst
schonenden und sparsamen Ressourceneinsatz zu achten.
Die Option trägt zur Erreichung des SDG 13 Target 13.1 bei.
Optionen und Maßnahmen19Literatur
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13_02 / Evaluierung und Erweiterung der bestehenden Hitzeschutzpläne20Anhang
Heat Health Action Plan der WHO
Die erfolgreiche Implementation eines Hitzeaktionsplans hängt laut des Heat-He –
alth Action Plans (Weltgesundheitsorganisation (WHO), 2008) von 8 Kernelemen –
ten ab.
1) Es muss sich auf einen Führungskörper geeinigt werden;
2) Akkurate und zeitgerechte Alarmsysteme müssen eingerichtet werden;
3) Ein hitzerelevanter Gesundheitsinformationsplan muss zur Verfügung gestellt
werden;
4) Eine Reduktion der Hitzebelastung in Innenräumen muss durch kurz- und mittel –
fristige Maßnahmen stattfinden;
5) Es muss sich explizit um die vulnerable Bevölkerung gekümmert werden;
6) Das Gesundheits- und Sozialsystem muss darauf vorbereitet sein;
7) Die langfristige Stadtplanung muss auf die Reduzierung der Hitzebelastung aus –
gerichtet sein;
8) Die Überwachung in Echtzeit muss gegeben sein.
Bestehende Hitzeschutzpläne und Hitzewarnsysteme in Österreich
Seit dem Jahr 2017 liegt ein Gesamtstaatlicher Hitzeschutzplan des Bundesminis –
teriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz vor (Bundesmi –
nisterium für Gesundheit und Frauen, 2017a). Dessen Entwicklung findet sich auch
als Handlungsempfehlung in der österreichischen Strategie zur Anpassung an den
Klimawandel (Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus, 2017).
Die Steiermark reagierte als erstes Bundesland auf die zunehmenden Hitzeext –
reme und den damit einhergehenden Empfehlungen der WHO (WHO, 2008) und
veröffentlichte bereits im Jahr 2011 die erste Auflage des Steirischen Hitzeschutz –
plans (Land Steiermark, 2016). Dieser wurde in Folge bereits drei Mal überarbeitet
und im Oktober 2017 zum ersten Mal evaluiert, sowie auf seine Wirksamkeit hin
überprüft (Pollhammer, 2019). In Anlehnung an den steirischen Hitzeschutzplan
folgte der Kärntner Hitzeschutzplan ab 2013, welcher 2018 aktualisiert wurde (Amt
der Kärntner Landesregierung, 2018). Vorarlberg veröffentlichte im Jahr 2020
einen Hitzeschutzplan (Amt der Vorarlberger Landesregierung, 2020). In den
Bundesländern Wien, Niederösterreich und Tirol sind keine Hitzeschutzpläne in
Planung. Niederösterreich hat seit 2016 ein Hitzewarnsystem (Zentralanstalt für
Meteorologie und Geodynamik (ZAMG), 2016). Wien setzt seit 2010 auf die Her –
ausgabe von Hitzewarnungen, dabei richten sich in Wien die Informationen auch
direkt an die Bevölkerung über die Website der Landessanitätsdirektion bzw. über
die Wiener Stadtmedien. In Wien gibt es auch allgemeine Verhaltensempfehlungen
und -tipps, etwa in Form des Wiener Hitzeratgebers (Stadt Wien, 2015), oder abruf –
bar auf der Seite der Stadt Wien (Stadt Wien, 2015). Zusätzlich fungiert die Wiener
Gesundheitsförderung (WiG) als Ansprechpartnerin zur Förderung von individueller
und institutioneller Gesundheitskompetenz.
Zu Beratungszwecken wird ein Hitzetelefon während Hitzewellen eingerichtet, dies
erfolgt in Zusammenarbeit mit der AGES. Im Jahr 2018 veröffentlichte die Wiener
Landessanitätsdirektion zusätzlich einen Leitfaden, welcher die Umsetzung von
Hitzeschutzplänen in medizinischen und pflegerischen Einrichtungen mit Empfeh –
lungen für kurz- bis mittelfristige, sowie für akute Maßnahmen, unterstützen soll.
Die Hitzeschutzpläne der Steiermark und Kärntens bestehen aus jeweils drei
Aktionsstufen, die zwar unterschiedlich genannt wurden, aber ähnliche Handlun –
gen vorsehen. Die erste Aktionsstufe gilt als Vorbereitungsstufe (Preparedness
Optionen und Maßnahmenund Entwicklung). Betroffene Einrichtungen werden in der zweiten Aktionsstufe
vor dem Einsetzen der Hitzewelle per E-Mail gewarnt. Diese Aktionsstufe wird 24
Stunden vor Einsetzen der Hitzewelle mit starker Wärmebelastung ausgerufen. Im
steirischen Hitzeschutzplan spricht man ab einer Dauer von drei Tagen und bei
Überschreitung eines, von der der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodyna –
mik (ZAMG) festgelegten, Schwellenwertes von einer Hitzewelle. Der Terminus
starke Wärmebelastung bezieht sich hier auf mögliche Kombination von Tempera –
turen ab etwa 27°C und spezifischem Dampfdruck bzw. Luftfeuchtigkeit ab 60 %.
Die Ausrufung der dritten Aktionsstufe findet statt, sobald die Schwellenwerte für
voraussichtlich mindestens drei Tage überschritten werden. In der Steiermark und
Kärnten wird die Bevölkerung durch mediale Aufbereitung der Informationen über
die entsprechenden Verhaltensregeln informiert. In der dritten Aktionsstufe werden
weitere mögliche Handlungsschritte beschrieben. Dazu zählen die Verständigung
der Stakeholder_innen durch die ZAMG und die Bereitstellung der Informationen
über Hitzebelastung auf der Homepage des Gesundheitsministeriums. Es wird
außerdem das Hitzewarnsystem aktiviert, wodurch die vulnerable Bevölkerung
durch Pflegeeinrichtungen, Krankenhäuser, mobile Pflegedienste, Kinderbetreu –
ungseinrichtungen und Schulen informiert werden soll. Vom öffentlichen Gesund –
heitsdienst der Steiermark werden Merkblätter bereitgestellt und die Informationen
für die Bevölkerung medial aufbereitet.
Alle bestehenden Hitzewarnsysteme (Hitzewarndienste, Hitzeschutzpläne) richten
sich nach den Hitzewarnungen der ZAMG. Diese erfolgen automatisch an das
zuständige Bundesministerium, die Landesgeschäftsstellen der Apothekenkam –
mer, sowie an vordefinierte Stellen der jeweiligen Bundesländer. Der Fokus der
Warnungen liegt dabei auf dem besonders hitzerelevanten, städtischen Raum wie
etwa den Landeshauptstädten. Die Hitzewarnungen der ZAMG beruhen auf Basis
prognostizierter Werte für die gefühlte Temperatur. Die gefühlte Temperatur wird
mit dem Klima-Michel-Modell, einem Energiebilanzmodell für den menschlichen
Organismus, des Deutschen Wetterdienstes ermittelt. Die Schwellenwerte er –
geben sich aus einem gewichteten Mittel aus vorhergesagten Tagesmaximum und
Tagesmittel der gefühlten Temperatur. Ebenso wird auch die nächtliche Abkühlung
berücksichtigt.
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