SDG_12_Option_12_06_pdf_PT_freigabe_20231119_182403.txt

Optionen
und
Maßnahmen
Österreichs Handlungsoptionen
zur Umsetzung
der UN-Agenda 2030
für eine lebenswerte Zukunft.
UniNEtZ –
Universitäten und Nachhaltige
Entwicklungsziele
Optionen und Maßnahmen1
12_06 / Integration von Ökobilanzen in öffentliche Bau-Ausschreibungsverfahren unter Berücksichtigung
der Pre- und Post-Procurement -Phase12_06
Target 12.7Autor_innen:
Marco Scherz, Antonija Wieser, Helmuth Kreiner
(Arbeitsgruppe Nachhaltiges Bauen/Technische Uni –
versität Graz)
Wilhelm Bergthaler (Johannes-Kepler-Universität)
Reviewer_innen:
Angelika Tisch (Interuniversitäres Forschungszentrum
für Technik, Arbeit und Kultur),
Helmut Floegl (Donau-Universität Krems)Integration von Ökobilanzen in öffentliche
Bau-Ausschreibungsverfahren unter
Berücksichtigung der Pre- und Post-
Procurement -Phase
2
3 Abbildungsverzeichnis
4 12_6 .1 Ziele der Option
4 12_6.2 Hintergrund der Option
7 12_6.3 Optionenbeschreibung: Integration von Ökobilanzen in öffentliche Bau-
Ausschreibungsverfahren unter Berücksichtigung der Pre- und
Post- procurement -Phase
7 12_6.3.1 Beschreibung der Option bzw. der zugehörigen Maßnahmen
bzw. Maßnahmenkombinationen
14 12_6.3.2 Erwartete Wirkungsweise
15 12_6.3.3 Bisherige Erfahrungen mit dieser Option oder ähnlichen Optionen
17 12_6.3.4 Zeithorizont der Wirksamkeit
17 12_6.3.5 Vergleich mit anderen Optionen,
mit denen das Ziel erreicht werden kann
17 12_6.3.6 Interaktionen mit anderen Optionen
17 12_6.3.7 Offene Fragestellungen
18 LiteraturInhalt
Optionen und Maßnahmen 3Abbildungsverzeichnis

Abb. O_12-06_01 : Lebens –
zyklusphasen eines Gebäu –
des.
Quelle: Eigene Darstellung
AGNHB i.A.a. CEN/TC 350.
(2019).
// Fig. O_12-06_01: Life
cycle phases of a building.
Source: Own illustration
AGNHB i.A.a. CEN/TC 350.
(2019)

Abb. O_12-06_02 : Umset –
zung der Option im Zuge
der HOAI-Leistungsphasen.
Quelle: Eigene Darstellung
AGNHB.
// Fig. O_12-06_02: Im-
plementation of the option
during the HOAI service
phases.
Source: Own illustration
AGNHB

10
12
12_06 / Integration von Ökobilanzen in öffentliche Bau-Ausschreibungsverfahren unter Berücksichtigung
der Pre- und Post-Procurement -Phase12_6.1 Ziele der Option
Ziel der Option ist die Integration einer verpflichtenden
Ökobilanzierung (engl. Life Cycle Assessment – LCA) in der Ausschreibung und
Vergabe von öffentlichen Gebäuden. Dabei soll in einem ersten Schritt der Umwelt –
indikator Global Warming Potential (GWP) in kgCO2-eq. als Messgröße heran –
gezogen werden. Die zu berechnenden Module (vgl. Abb. O_12-06_01) im Zuge
der Ökobilanzierung sollen den gesamten Lebenszyklus von Gebäuden (graue
Treibhausgasemissionen und betriebliche Treibhausgasemissionen) abdecken. Die
Umsetzung der vorgeschlagenen Option muss neben der Implementierung der
Ökobilanzierung in der Ausschreibung und Vergabe (engl. procurement ) auch die
bestehenden rechtlichen Defizite und Vollzugsschwächen, die in der Phase davor
(engl. pre-procurement ) und in der Phase danach (engl. post-procurement ) zu
konstatieren sind, adressieren. Mit der entwickelten Option sollen jene Bereiche
des Beschaffungswesens im Bausektor identifiziert werden, in denen Nachhaltig –
keitsaspekte verwirklicht werden können. Durch gezielten Einsatz von Ökobilanzen
im Ausschreibungsprozess soll maßgeblich zur Dekarbonisierung der Bauwirt –
schaft beigetragen werden.1
12_6.2 Hintergrund der Option
Durch die anhaltende Urbanisierung werden bis 2050
fast 70 % der Weltbevölkerung in Städten leben. Dies führt laut Prognosen dazu,
dass 60 % der städtischen Siedlungen erst gebaut werden müssen (Bauer, 2014;
Vereinte Nationen (UN), 2018). Die zunehmende Urbanisierung führt demzufolge
nicht nur zu weiteren Bautätigkeiten, sondern erfordert ganz besondere Anstren –
gungen im Sinne eines Beitrages zu resiliente(re)n Städten mit hoher Ressourcen-
und Energieeffizienz, der Erreichung der Klimaziele (Masson-Delmotte et al., 2018;
Schnitzer, 2014),, and on the needs and possibilities for mitigation and adaptation.
The report aims to present the scientific knowledge pertaining to Austria in a coher –
ent and complete manner to submit this in the form of policy-relevant information to
the Austrian Federal Government and political decision-making bodies at all levels,
and thereby providing a decision-making basis for the private sector and a know –
ledge base for academic institutions. Similar to the IPCC assessment reports, the
AAR14 is based on the principle of being policy-relevant, but not policy-prescriptive .
In a joint, three-year effort approximately 240 Austrian scientists have developed
this first progress report on climate change in Austria, and thus summarized the
current state of knowledge on the characteristics of climate change in Austria, its
consequences, and mitigation and adaptation strategies. Printed with the support
of the Austrian Science Fund.“ (FWF und einer inklusiven Gestaltung der Stadt
im Sinne der sozialen Nachhaltigkeitsdimension, einschließlich eines „ Rechts auf
Stadt “ (Belina, Naumann & Strüver, 2018)).
Gebäude sind für einen bedeutenden Anteil der glo-
balen Treibhausgasemissionen (THG-E) verantwortlich, wobei die weltweiten jähr –
lichen gebäudebedingten THG-E im Jahr 2016 insgesamt 9,0 GtCO2 betrugen. Die
durch den Bau von Gebäuden verursachten Emissionen trugen zu mehr als einem
Drittel zu den jährlichen globalen THG-E bei. Die THG-E sind dabei stetig von 3,1
41 Zur Notwendigkeit, das Potential zur Steigerung der Materialeffizienz und zur Verringerung der
Klimaauswirkungen im Bausektor auszuschöpfen, siehe Mitteilung der Kommission: Ein neuer
Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft, 11.3.2020, COM (2020) S. 98, 12 ff.
Optionen und MaßnahmenGtCO2 im Jahr 2010 auf 3,7 GtCO2 im Jahr 2016 angestiegen, was auch die zu –
nehmend relevante Rolle der grauen THG-E (engl. embodied emissions ) zeigt (Si –
monen, Rodriguez & Wolf, 2017). Zusätzlich kommt es zu Verlagerungen von THG-
E in andere Sektoren (z. B. durch Fernwärme und Stromverbrauch verursachte
THG-E werden in die Sektoren Energie und Industrie verlagert anstatt dem Gebäu –
desektor zugerechnet) (Mirabella et al., 2018) the building sector is responsible for
more than 40% of energy use and it contributes approximately 30% of the global
Greenhouse Gas (GHG. Durch diese Verlagerungen wird z. B. der Gebäudesektor
vom Umweltbundesamt mit einem Anteil an THG-E von 10 % dargestellt (Umwelt –
bundesamt, 2019). Bei näherer Betrachtung der Thematik wird die sektorenüber –
greifende Relevanz des Bausektors und im Speziellen die der Gebäude ersichtlich.
In den jährlich veröffentlichten Statusberichten von UN Environment , der Inter –
nationalen Energieagentur und der Global Alliance for Buildings and Construction
wird für Gebäude und deren Betrieb von 36 % des globalen Endenergieverbrauchs
und von 39 % energiebezogener THG-E gesprochen ( Global Alliance for Buildings
& Construction , 2020). In Österreich hat sich das Mittel der THG-E zwischen 2010
und 2018 gegenüber dem Mittelwert der Emissionen zwischen 1990-1999 erhöht.
Im Hinblick auf den Klimazielweg der EU 28 liegt Österreich (im Vergleich mit den
anderen EU-Mitgliedsländern) im Schlussdrittel (Kirchengast & Schleicher, 2019).
Die nachhaltige Beschaffung von Gebäuden ist daher
ein bedeutender Hebel, um zur Dekarbonisierung der Bauwirtschaft beizutragen.
Wenn der öffentliche Sektor, etwa Gemeinden, Stadtverwaltungen und der Bund,
ihre Gebäude auf nachhaltige Art und Weise „beschafft“, nämlich indem sie Öko –
bilanzierungen im Zuge von Ausschreibung und Vergabe bei Gebäuden verpflich –
tend durchführen, kann ein wesentlicher Beitrag zu Reduktion der THG-E geleistet
werden. Durch die verpflichtende Anwendung von Ökobilanzen und somit durch
das Schaffen ökobilanzieller Vergabekriterien werden beteiligte Stakeholder_innen
zusätzlich dazu motiviert, nachhaltige Baupraktiken anzuwenden und nachhaltige
Bauprodukte zu produzieren und einzusetzen. Die Monetarisierung der THG-E so –
wie die Anwendung als Vergabekriterium finden sich in Target 11.6 – Option 11_10.
Eine verpflichtende Durchführung einer Ökobilan –
zierung im Zuge der Ausschreibung und Vergabe ist derzeit weder rechtlich
verbindlich vorgesehen noch allgemein anerkannter Stand der Technik in der
Ausschreibungspraxis. Erste Vorschläge dazu gibt es jedoch in dem freiwillig anzu –
wendenden Instrument Arbeitsunterlagen der Kommissionsdienststellen – GPP-Kri –
terien der EU für Planung, Bau und Management von Bürogebäuden (Europäische
Kommission, 2016). In diesem wird in Bezug auf die Durchführung einer Ökobi –
lanzierung das Zuschlagskriterium „Ökobilanz: Durchführung einer Ökobilanz; die
Bieter_innen müssen die Umweltauswirkungen für die wichtigsten Bauelemente
über den Produktlebenszyklus bewerten“2 vorgeschlagen. Für die Umsetzung
werden dazu auch die notwendigen Kompetenzen der_des Projektmanager_in, des
Planungsteams und weiterer relevanter Stakeholder_innen skizziert.
Für die Anwendung von Ökobilanzen im Vergabever –
fahren bestehen schon nach geltendem Recht tatbestandliche Anknüpfungspunkte:
Nach § 20 Abs 5 BVergG 2018 ist auf die „ Umweltgerechtheit der Leistung Bedacht
zu nehmen “; dazu zählen insbesondere auch Kernelelemente der ökobilanziellen
Betrachtung, namentlich „ Energieeffizienz, Materialeffizienz, Abfall- und Emissions –
vermeidung “ sowie „ Bodenschutz “. Ausmaß, Gewichtung und Methodik dieser Be –
52 In der Arbeitsunterlage wird angeführt: „Dieses Kriterium darf nur verwendet werden, wenn den
Bieter_innen ein Leistungsverzeichnis für ein Referenzgebäude vorgelegt wird oder wenn die Pläne
mehrerer Bieter_innen in einem Wettbewerb miteinander verglichen werden sollen.“
12_06 / Integration von Ökobilanzen in öffentliche Bau-Ausschreibungsverfahren unter Berücksichtigung
der Pre- und Post-Procurement -Phasedachtnahme sind allerdings vom/von (der) Gesetzgeber_in nicht vorgegeben. Die
vergaberechtlich geregelten Gütezeichen und Umweltmanagementregelungen (vgl.
§ 108 und § 87 BVergG 2018) erscheinen zu stark abstrahiert, um im konkreten
Einzelfall dem ökologisch besten Bauprojekt zum Durchbruch zu verhelfen. Ener –
gieeffizienz ist als Kriterium nur bei der Vergabe von Liefer- und Dienstleistungs –
aufträgen durch zentrale öffentliche Auftraggeber im Oberschwellenbereich vor –
gesehen (vgl. § 95 BVergG 2018). Die Ausschreibungspraxis benötigt daher für die
Ausbildung ökobilanzieller Vergabekriterien spezifische methodische Instrumente
zur Bewertung und Beurteilung. Diese müssen, um rechtssicher angewendet
werden zu können, den unionsrechtlichen Transparenzverpflichtungen entsprechen
(Europäischer Gerichtshof (EuGH), 2012); es braucht also operationalisierte, nach –
vollziehbare und nachprüfbare objektive Beurteilungskriterien und methoden – wie
sie eben die Ökobilanzen bieten. Sie können daher im Vergabeverfahren unter Be –
achtung einer engen Bindung an den konkreten Auftragsgegenstand bei der Aus –
wahl des besten Angebots entscheidende Hilfestellung leisten. Dabei sollten nicht
erst bei der Ausschreibung von Baumaterialien und Bauteilen, sondern schon bei
der Ausschreibung von Planungsleistungen der Architektur und Gebäudetechnik –
entsprechend dem Detaillierungsgrad des Entwurfs zum Ausschreibungszeitpunkt
– vom öffentlichen Auftraggeber festgelegte nachvollziehbare Umweltwirkungs-
Abschätzungen des Gebäudeentwurfs über den Gebäudelebenszyklus verlangt
werden, die dann als Kriterium zur Ermittlung des_der Bestbieter_in herangezogen
werden. Es empfiehlt sich eine zu den Lebenszykluskosten analoge Vorgehens –
weise3.
Hinzu kommt, dass die Auseinandersetzung mit
ökobilanzielle n Betrachtungen auch Lerneffekte für die Beschaffung vor und
nachgelagerter Phasen auslöst, weil sie für die dort zu treffenden Entscheidungen
den Blick weitet. Dies ist wesentlich, denn um die Potenziale des Beschaffungs –
wesens bei der Dekarbonisierung der Bauwirtschaft vollends auszuschöpfen, darf
sich die Beurteilung nicht auf die rein prozedurale Phase des Vergabeverfahrens
im juristischen Sinn beschränken, sondern muss die vor- und nachgelagerten
Phasen des pre- und post-procurement mit in den Blick nehmen. Dieser erweiterte
Beurteilungs- und Maßnahmenhorizont entspricht den neuesten Empfehlungen der
EU Green Public Procurement-Guidances (jüngst für den Textilsektor: Kofoworola,
2020) und soll auf drei Ebenen dazu führen, dass eine nachhaltige Beschaffung
gesichert wird:
—Pre-procurement : Zunächst sollen schon auf der Ebene der Bedarfsermittlung
Nachhaltigkeitsaspekte in die Entscheidung über Gegenstand, Zeitpunkt und
Gestaltungsrahmen einer Ausschreibung einbezogen werden (Ist tatsächlich
eine Neuanschaffung erforderlich oder lässt sich der Bedarf auch durch Repa –
ratur, Sanierung, Nachrüstung erfüllen? Bietet sich – aufgrund vergleichbarer
Erfahrungen – ein Technologie-, System- oder Standortwechsel an? Welche ist
die jeweils ökologisch vorteilhafteste bzw. nachhaltigste Option?);
—Procurement: In den Bau-Auschreibungsverfahren der öffentlichen Hand gilt
es, die rechtlichen Möglichkeiten in Richtung eines ökologischen Bestbieter_in –
nenprinzips durch entsprechende Eignungs- und Bewertungskriterien sowie
Leistungsvorgaben umzusetzen;
—Post-procurement: Es ist wesentlich, dass die ökologischen Wirkungen der zu
erbringenden Leistung überwacht werden. Wenn z. B. ökologische Leistungskri –
terien verfehlt werden, so greift ein rein monetärer Ausgleich zu kurz. Vielmehr
63 vgl. hierzu: https://ig-lebenszyklus.at/wp-content/uploads/2018/08/LEITFADEN_LZ-Kostenrechnung_
Vergabe.pdf
Optionen und Maßnahmenmüssen die vertraglichen Instrumente so konfiguriert werden, dass eine Behe –
bung oder ein Ausgleich der ökologischen Defizite der Leistung erzielt wird.
Im Ergebnis zielt diese erweiterte Perspektive auf
die Integration und Institutionalisierung einer ökologischen Gebarungskontrolle
im öffentlichen Beschaffungswesen ab. Dabei sind zwei Aspekte eines moder –
nen, partizipationsfreundlich gestalteten Entscheidungsprozesses mitzubedenken:
Transparenz und Rechtsschutz. Denn Weichenstellungen großer ökologischer
Bedeutung verlangen nach Teilhabe der Öffentlichkeit und effektive ökologische
Nachhaltigkeitskontrolle braucht durchsetzbare Rechtsschutzinstrumente.
12_6.3 Optionenbeschreibung: Integration von Ökobilanzen in öffentliche
Bau-Ausschreibungsverfahren unter Berücksichtigung der Pre- und
Post-procurement -Phase
12_6.3.1 Beschreibung der Option
bzw. der zugehörigen Maßnahmen
bzw. Maßnahmenkombinationen
In diesem Abschnitt werden die zugehörigen Maßnah –
men bzw. Maßnahmenkombinationen der entwickelten Option beschrieben. Für die
Umsetzung der vorgeschlagenen Option sind Maßnahmen innerhalb der folgenden
drei Maßnahmenkombinationen notwendig:
1.) Pre-procurement -Phase;
2.) Procurement -Phase;
3.) Post-procurement -Phase.
1.) Pre-procurement -Phase
Im Bereich des Pre-procurements sind Grundfragen
der Beschaffung – das „Ob“ und „Was“ der Vergabe – derzeit weitestgehend in
vorgelagerte politische Entscheidungen ausgelagert (Ausgangslage, aktuelle Nut –
zung, neuer Nutzungsbedarf, Strategie-, System- und Technologiewahl, Prüfung
grundlegender Alternativen und Optionen). In dieser Phase fehlen Instrumente der
Transparenz (wie z. B. Öffentlichkeitsbeteiligung) oder Kontrolle (kein Rechtsschutz
gegen Fehlsteuerungen). Eine m ögliche Maßnahme, um diesen Missstand zu
beheben , wäre die Einführung einer ökologische n Gebarungskontrolle (z. B. durch
eine vorgelagerte Nachhaltigkeitsprüfung als Bedarfs- und Alternativenprüfung
vor der Vergabe). Diese könnte strukturell nach dem Grundmodell strategischer
Umweltprüfungen ausgestaltet werden, indem der Bedarf und die grundlegenden
konzeptionellen Optionen aufbereitet, daraus die geplante Beschaffung abgeleitet,
und all diese Informationen zur öffentlichen Einsicht und Stellungnahme aufgelegt
werden.
Die rechtliche Absicherung dieses Modells könnte in
einer ersten Phase durch Selbstverpflichtung der öffentlichen Rechtsträger_innen
erfolgen (infolge des Gleichbehandlungsprinzips würde dies automatisch zu einer
gewissen Verbreitung führen). Sobald sich diese Prozessschritte bewährt haben,
könnten diese in gesetzliche Bestimmungen umgesetzt und damit allseitig verbind –
lich festgeschrieben werden.
Maßnahme :
Einführung einer vorgelagerten ökolog ischen Gebarungskontrolle.
Maßnahme :
Öffentlichkeitsbeteiligung durch die Möglichkeit öffentliche r Einsicht- und Stellung –
nahme.
7
12_06 / Integration von Ökobilanzen in öffentliche Bau-Ausschreibungsverfahren unter Berücksichtigung
der Pre- und Post-Procurement -PhaseMaßnahme :
Implementierung von Musterbedingungen für nachhaltigkeitsorientierte, trans –
parente Vorbereitung von Beschaffungsprozessen – entweder durch Selbstver –
pflichtungen der Rechtsträger_innen oder Vornahme von Anpassungen in jewei –
ligen Gesetzen, Richtlinien und Verordnungen (z. B. Bundesbeschaffungsgesetz,
ImmobilienVO etc.).
Maßnahme :
Schaffung rechtlich gesicherter Datenlage in Bezug auf Ökobilanzierung bei öffent –
lichen Ausschreibungen ( rechtssicher ), beispielweise durch Referenzgebäude oder
eindeutig vorgeschriebene, definierte Bewertungs- bzw. Berechnungstools.
Maßnahme :
Bewusstseinsbildung und Information für öffentliche Auftraggeber_innen.
2.) Procurement-Phase
Hinweis: Die Grundlagen für die Durchführung einer
Ökobilanzierung bzw. die Erläuterungen wie und an welchen Stellen im Ausschrei –
bungs-, Zuschlags-, und Vergabeverfahren eine Ökobilanzierung durchzuführen ist,
werden detailliert in der Option „Treibhausgasemissions-Bonus/Malus-System für
öffentliche Gebäude“ (siehe Target 11.6 – Option 11_10) beschrieben.
Das Bau-Ausschreibungsverfahren der öffentlichen
Hand verfügt über einen Instrumentenkatalog, der in Teilbereichen besser operati –
onalisiert werden könnte. Hier liegt – was die rechtlichen Maßnahmen betrifft – ein
ausgereiftes Portfolio vor, das von Nachhaltigkeitskriterien bei Eignungsprüfung
des_der Bieter_in, Qualitätsprüfung des Angebots und Zuschlagskriterien über for –
malisierte Aspekte (Gütezeichen, Umweltzeichen, EMAS-Audit), operationalisierte
Kriterienkataloge (naBe-Kriterien; EU Green public Procurement ) bis zu mathema –
tisierten Verfahren (Umrechnung von Nachhaltigkeitskriterien in Kostenfaktoren;
z. B. Dubocalc ) reicht. Durch die Schwerpunktsetzung auf die Ökobilanzierung
wird hier ein potenziell aussagekräftiges und leistungsfähiges Instrument vertieft
behandelt.
In der Maßnahmenkombination „ Procurement-Phase “
werden die Eckpunkte des – um die Berücksichtigung von ausgewählten Umwelt –
aspekten (in der Fassung THG-E) erweiterte – Zuschlagverfahrens sowie die dafür
notwendigen Maßnahmen erläutert. Für die Ermittlung eines GWP-Referenzwer –
tes, die erforderlichen Festlegungen zum CO2-Äq.-Preis sowie die dahingehenden
monetären Aufschläge auf den Angebotspreis für die Zuschlagsentscheidung, wird
auf die Option 11_10 verwiesen.
Eckpunkte Ausschreibung & Angebotslegung:
Die Anwendung/Aufnahme der Methode der Öko –
bilanzierung im Zuschlagsverfahren ist für den_die öffentliche_n Auftraggeber_in
obligatorisch. Je nach Beschaffungsmodell (Einzelvergabe oder Paketvergabe, Ge –
neralplaner_in (GP), Generalunternehmer_in (GU) oder Totalunternehmer_in gibt
der_die öffentliche Auftraggeber_in für die anzubietenden Planungsgegenstände
(in der Planungsphase) und für die anzubietenden Leistungen (in der Errichtungs –
phase) das Ökobilanz-Berechnungsmodell mit seinen Bilanzgrenzen, seinem De –
taillierungsgrad, seinen normativen Annahmen und seiner Verfeinerung zu definier –
ten Zeitpunkten über den Zeitraum der Leistungserbringung vor. Die Bieter_innen
haben im Zuge ihrer Angebotserstellung die Umweltwirkungen des Gegenstands
ihrer Planung (in der Planungsphase) bzw. ihrer Leistung (in der Errichtungspha –
se) anzugeben und mit dem vorgegebenen Ökobilanz-Berechnungsmodell im zum
Angebotszeitpunkt vorgegebenen Detaillierungsgrad darzulegen.
8
Optionen und MaßnahmenIn der Ausschreibung wird auch der Prozess weiterer
Umweltwirkungsberechnungen zu definierten Zeitpunkten der Leistungserbringung
und deren Abnahme festgelegt. Um zu gewährleisten, dass die Bieter_innen auch
eigenständig die Ökobilanzierung durchführen können, werden neben sämt –
lichen für die Erstellung der Ökobilanzierung notwendigen Berechnungsgrund –
lagen auch ein GWP-Referenzwert (als Ausschlusskriterium, definiert über eine
ökologische Mindestanforderung), die zulässigen Berechnungsmethoden (nach
ISO 14040/14044 resp. EN 15978) sowie die zulässige Datenbank (zum Bezug
der erforderlichen Hintergrunddaten) in den Ausschreibungsunterlagen durch die
ausschreibende Stelle bekanntgegeben. In der ÖNORM EN 15978 sind zahlreiche
Umweltindikatoren, welche im Zuge der Ökobilanzierung durchzuführen sind, an –
gegeben. Für einen ersten Schritt in Richtung einer verpflichtenden Durchführung
von Ökobilanzierungen in der Beschaffung von Gebäuden wird diese beispielhaft
am Umweltindikator GWP aufgezeigt. Eine Erweiterung bzw. Berücksichtigung von
weiteren Indikatoren ist daher nicht ausgeschlossen. Auf Seiten der Bieter_innen
ist zur Durchführung (gerade bei innovativen, nachhaltigen Projekten) das Bei –
ziehen einer_s-LCA-spezialisierten technischen Sachverst ändige_n/Konsulent_in
zweckmäßig, um neue, innovative Bauverfahren/Bauweisen etc. forcieren und
deren ökologischen Vorteil gegenüber konventionellen Anwendungen auch öko –
logisch abbilden zu können.
Die Definition einer ökologischen Mindestanforde –
rung durch die Definition eines GWP-Referenzwertes für das Gebäude (für die
Lebenszyklusphasen Herstellung und Nutzung) soll mittelfristig als eine maßge –
bende Steuergröße für die Dekarbonisierung von Bauvorhaben dienen. Durch die
Inklusion eines CO2- Äq.-Preises in den Angebotspreis werden damit sogenannte
Low-Carbon-Building -Technologien forciert und die entstehenden Umweltkosten
(projektbezogene Strafzahlungen) können so verursachungsgerecht abgebildet
werden.
Maßnahme:
Angabe von Berechnungsgrundlagen für Planungs- und Errichtungsphase.
Maßnahme:
Angabe von GWP-Referenzwerten (= Knock-out -Kriterium – Einhaltung der GWP-
Mindestanforderung für die Ökobilanz).
Maßnahme:
Angabe eines CO2- Äq.-Preises (Basis für das Zuschlagskriterium „Errichtungskos –
ten inkl. Kosten aus der THG-Bilanz der Bauvorhaben“).
Maßnahme:
Verankerung eines Leistungsbilds für eine_n LCA-spezialisierten technischen
Sachverständige_n/Konsulent_in in den HOAI Leistungsphasen (vgl. Abb. O_12-
06_02).
Angabe von Berechnungsgrundlagen:
Die Anbieter_innen liefern mit ihren Angeboten nach
dem genau vorgegebenen Berechnungsmodell ihre Umweltwirkungs-Erklärun –
gen, der_die Auftraggeber_in führt die Umweltwirkungs-Prüfung durch, als Basis
für die Bestbieter_innenbewertung. Je nach Vergabemodell und Umfang der
Leistung (z. B. bei GP, GU oder TO-Ausschreibungen) können auch zu definierten
Zeitpunkten der Leistungserbringung weitere Umweltwirkungs-Erklärungen
verlangt werden.
Eine Ökobilanzierung berechnet die umweltbezogene
Qualität eines Gebäudes unter Berücksichtigung der Gebäudequalität (Wohnge –
bäude, Bürogebäude, Schulen etc.). Die Berechnungsgrundlagen (Rechenregeln,
9
12_06 / Integration von Ökobilanzen in öffentliche Bau-Ausschreibungsverfahren unter Berücksichtigung
der Pre- und Post-Procurement -PhaseDatenanforderungen und die Auswahl von Umweltindikatoren) sind vollständig und
transparent zu dokumentieren. Eine umfassende Beschreibung der Vorgehens –
weise bzw. Verweise zu Normen, Richtlinien und Nutzungsdauerkataloge befinden
sich in ÖGNI/ DGNB (DGNB, 2018).
Die Berechnungsgrundlagen sind in der ÖNORM EN
15978:2012 10 01: Nachhaltigkeit von Bauwerken – Bewertung der umweltbezoge –
nen Qualität von Gebäuden – Berechnungsmethode (CEN/TC 350, 2011), in der
ÖNORM EN ISO 14040:2006 – Umweltmanagement – Ökobilanz – Grundsätze
und Rahmenbedingungen (CEN/TC 350, 2006) und in der ÖNORM EN ISO 14044
(International Organization for Standardization (ISO), 2006) eindeutig geregelt.
Dabei sind im Rahmen der Ökobilanzierung die vier Phasen (i) Festlegung von Ziel
und Untersuchungsrahmen, (ii) die Sachbilanz, (iii) die Wirkungsabschätzung und
(iv) die Auswertung durchzuführen. Detailliertere Erläuterungen zu den vier Phasen
werden ebenfalls in der Option 11-10 beschrieben.
10
Abb. O_12-06_01:
Lebenszyklusphasen eines
Gebäudes. Quelle: Eigene
Darstellung AGNHB i.A.a. CEN/
TC 350. (2019). // Fig. O_12-06_01: Life cycle
phases of a building. Source: Own
illustration AGNHB acc. to CEN/
TC 350. (2019).
Optionen und Maßnahmen11Selbstverpflichtung des_der öffentlichen Auftraggeber_
in zu einer Umweltwirkungsprüfung über die gesamte Planungs- und Errichtungs –
phase als Leistungsbausteine des Projektmanagements (PM) und der örtlichen
Bauaufsicht (ÖBA). Dabei sind Interessenskonflikte bei GP-, GU- und TO-Aus –
schreibungen zu beachten.
GWP-Referenzwert:
Der GWP-Referenzwert berechnet sich auf Basis
der THG-E aus der Konstruktion (graue THG-E) und aus den THG-E des Be –
triebs (betriebliche THG-E). Der GWP-Referenzwert ist maßgebend abhängig von
der Gebäudetypologie (d. h. Wohngebäude, Bürogebäude, Schulgebäude etc.).
Beispielsweise sind hierfür im Gebäudebewertungssystem der österreichischen
Gesellschaft für nachhaltige Immobilienwirtschaft (ÖGNI 2020) für unterschiedliche
Nutzungsprofile Referenzwerte vorgeschlagen4. Die Ökobilanz erfolgt anhand vor –
gegebener wesentlicher Bauteile. Als Beispiel wird hier der GWP-Referenzwert für
die Gebäudetypologie Bildung angeben:
mit
4 Verweis: Unterschiedliche Gebäudezertifizierungssysteme geben aufgrund von unterschiedlich
angewandten Methoden und unterschiedlich definierten Systemgrenzen abweichende Referenzwerte an.
Für die vorliegende Option wird der Referenzwert nach dem Gebäudezertifizierungssystem ÖGNI/DGNB
vorgeschlagen, da dieses die Anforderungen nach EN 15804 (CEN/TC 350, 2019) am umfangreichsten
erfüllt.GWPREF=GWP(K-ref)+ GWP(N-ref)
GWP(K-ref)=9,4 kg CO2 Äq./(m2
NRF*a)
GWP_(N-ref)=18,32 kg CO2 Äq./(m2
NRF*a)
Angebote, welche über dem GWPref
zu liegen kommen, sind auszuscheiden.
CO2-Äq.-Preis:
In der Stellungnahme zum Factshee t: Kostenwahrheit
CO2 des BMK von Expert_innen des CCCA wird ein Einstiegspreis von 50-160
€/tCO2 vorgeschlagen, welcher bis 2030 auf 130-400 €/tCO2 gesteigert wird
(CCCA-Expert_innen, 2020). Im Annex: Monetisation of the MMG method wird
für den Umweltindikator GWP eine Bandbreite von 50 €/t CO2-Äq. bis 100 €/t
CO2-Äq. vorgeschlagen. Im Zuge des Berichts werden auch individuelle Werte für
die Errichtungsphase, die Nutzungsphase und die End-of-life -Phase angegeben.
Neben dem Umweltindikator GWP werden auch Monetarisierungswerte für andere
Umweltindikatoren angegeben.
Die Auswirkungen der Höhe des CO2-Äq. – Preises
werden in einem Berechnungsbeispiel in der Option 11_10 dargestellt und detail –
lierter beschrieben.
Eckpunkte Vergabephase:
Nach Öffnung der Angebote werden externe Expert_
innen (welche von dem_der Auftraggeber_in bestellt werden) damit beauftragt, die
kritische Prüfung der Angebote durchzuführen. Damit wird sichergestellt, dass die
Berechnung der Ökobilanzierung auf Basis der Ausschreibungsvorgaben für alle
Angebote ident erfolgt ist und die Angebote dahingehend vergleichbar sind. Die
Abweichung zum GWP-Referenzwert wird dann mit dem CO2-Äq.-Preis multipliziert
und dem Angebotspreis aufgeschlagen. Jene Angebote, welche die ökologische
12_06 / Integration von Ökobilanzen in öffentliche Bau-Ausschreibungsverfahren unter Berücksichtigung
der Pre- und Post-Procurement -Phase12Mindestanforderung (= GWP-Referenzwert) nicht erfüllen, sind auszuscheiden. Um
den THG-E-Bonus/Malus zu berechnen, werden die Abweichungen der jeweiligen
THG-E der einzelnen Angebote zum Mittelwert der THG-E aller gültigen Angebote
herangezogen. Die verbleibenden Angebote werden anhand eines THGE-Bonus/
Malus-Systems (siehe Option 11_10) gereiht (d. h. ausgehend von dem Angebot
mit einer relativ zu den anderen Angeboten durchschnittlichen THG-E- Performan –
ce werden Angebote mit einem vor Ausschreibung zu definierendem Bonus res –
pektive Malus versehen), welcher dem Angebotspreis auf- respektive abgeschla –
gen wird. Auf diese Weise sollen jene Angebote gefördert werden, welche neben
dem günstigsten Angebotspreis auf die Forcierung der ökologischen Performance
abzielen. D. h. der Angebotspreis auf Basis eines ökologischen Bestbieter_innen –
prinzips ergibt sich wie folgt:
AngebotspreisGES [€] = AngebotspreisBieter [€]+
GWP [kg *CO2 Äq.] * CO2 Preis [€/kgCO2 Äq]± THGE(BONUS/MALUS) [€]
Bei dem AngebotspreisGES handelt es sich um einen
fiktiven Preis, welcher für die finale Zuschlagsentscheidung herangezogen wird.
Maßnahme:
Prüfung der Ökobilanzierung durch einschlägige Expert_innen/technische Sach –
verständige im Zuge der Angebotsprüfung.
Maßnahme:
Monetarisierung der ökologischen Performance mittels CO2- Äq.-Preis.
Maßnahme:
Bewertung der Angebote auf Basis eines ökologischen Bestbieter_innenprinzips .
Abb. O_12-06_02 : Umsetzung
der Option im Zuge der HOAI-
Leistungsphasen
Quelle: Eigene Darstellung
AGNHB. // Fig. O_12-06_02 :
Implementation of the option
during the HOAI service phases.
Source: Own illustration AGNHB.
Optionen und Maßnahmen3) Post-procurement-Phase
In der Post-procurement -Phase bestehen zwar Mög –
lichkeiten des Monitorings und der (v. a. vertragsrechtlichen) Sanktionierung von
Nachhaltigkeitsdefiziten. Dabei besteht allerdings die Gefahr der bloßen Monetari –
sierung von Nachhaltigkeitsdefiziten (z. B. durch Pönale), die zwar den finanziellen
Nachteil der öffentlichen Hand, nicht aber das ökologische Nachhaltigkeitsmanko
ausgleichen. Hier wäre als mögliche Abhilfe eine ökologische Ausgleichspflicht
bei Minderleistung zu erwägen; dies ist schon derzeit vertraglich abbildbar. Dabei
sollten zwei grundsätzliche Typen von Ausgleichsmaßnahmen in Betracht gezogen
werden. Primär sollte eine Behebung des Nachhaltigkeitsdefizits am Ausschrei –
bungsobjekt selbst erfolgen (z. B. durch technische Nachrüstung). Ist dies nicht
möglich, so wäre eine Ersatzzahlung für ökologische Kompensationsmaßnahmen
an anderen Objekten zu fordern. Dabei ist wesentlich, dass die Verwendung der
Mittel aus solchen Ersatzzahlungen möglichst konkretisiert, zeitnah und nachvoll –
ziehbar erfolgt. Der Fonds, in den solche Zahlungen fließen, müsste mit strikter
Zweckbindung und Verwendungsnachweisen ausgestaltet sein. Inhaltlich läuft dies
wiederum auf eine ökologische Gebarungskontrolle, wie sie als Maßnahme zur
Pre-procurement -Phase vorgeschlagen wird, auch für die Post-procurement -Phase
hinaus.
Maßnahme :
Musterbedingungen für ökologische Ausgleichspflicht.
Maßnahme :
Fonds für ökologische Kompensationsmaßnahmen.
12_6 .3.2 Erwartete Wirkungsweise
Pre-procurement -Phase:
Die erwartete Wirkung einer vorgelagerten ökologi –
schen Gebarungskontrolle liegt in der Sicherung von klimafreundlich strukturierten
Beschaffungsprozessen. Das Potenzial jeder Beschaffung im Hinblick auf die
Reduktion von THG-E wird frühzeitig erhoben und ausgeschöpft. Fehlsteuerungen
durch ungenügend reflektierte System- oder Strategieentscheidungen, die im Ver –
gabeprozess nicht mehr korrigierbar sind, werden vermieden.
Procurement -Phase:
Die erwartete Wirkungsweise einer verpflichtenden
Durchführung einer Ökobilanzierung für öffentliche Gebäude ist eine Reduktion der
THG-E im Gebäudesektor. Durch die verpflichtende Verankerung in der Ausschrei –
bung und Vergabe vor allem durch die Mitberücksichtigung eines THG-E-Bonus/
Malus (vgl. SDG 11 – Target 11.6 – Option 11_10) wird erwartet, dass sich neben
dem reinen Preiswettbewerb künftig auch ein Wettbewerb auf Basis von Low-Car –
bon-Building -Technologien entwickelt.
Post-procurement -Phase:
Leistungsstörungen mit nachteiligen Folgen für die
THG-E werden nicht nur monetär durch Pönale ausgeglichen, sondern müssen
ökologisch kompensiert werden – entweder durch entsprechende Nachrüstung des
Ausschreibungsobjekts oder Ersatzzahlung für ökologische Kompensationsmaß –
nahmen an anderen Objekten. Dies führt zur Sicherung der THG-E-Reduktionsef –
fekte, die mit der jeweiligen Beschaffung angestrebt wurden.
13
12_06 / Integration von Ökobilanzen in öffentliche Bau-Ausschreibungsverfahren unter Berücksichtigung
der Pre- und Post-Procurement -Phase1412_6.3.3 Bisherige Erfahrungen mit dieser Option
oder ähnlichen Optionen
Arbeitsunterlagen der Kommissionsdienststel –
len „GPP-Kriterien der EU für Planung, Bau und
Management von Bürogebäuden“
In den Arbeitsunterlagen der Kommissionsdienststel –
len „GPP-Kriterien der EU für Planung, Bau und Management von Bürogebäuden “
(Europäische Kommission, 2016) wird hervorgehoben, dass die Anwendung der
Kriterien auf freiwilliger Basis geschieht. Hier sollte eine verpflichtende Durchfüh –
rung einer Ökobilanzierung für öffentliche Neubauten und Sanierungen verankert
werden.
NL – DuboCalc
DuboCalc ist ein Rechner für nachhaltiges Bauen, der
von Rijkswaterstaat entwickelt wurde, um die Nachhaltigkeit und die Umweltkosten
der Beschaffung zu berechnen und zu vergleichen ( Cenosco and Royal Hasko –
ningDHV , n. d.). DuboCalc berechnet alle Auswirkungen von Material und Energie
von der Wiege bis zum Grab oder von der Gewinnung bis zur Abbruch- und Recy –
clingphase. Die Berechnungen berücksichtigen alle relevanten Umweltauswirkun –
gen während des gesamten Lebenszyklus. Die Methode basiert auf der Methodik
der Ökobilanzierung (engl. LCA) nach der Norm ISO 14040 und der Umweltbewer –
tungsmethode Gebäude und Bauwesen. Der Zweck von DuboCalc besteht darin,
bei der Planung, Ausführung und Ausschreibung von Tiefbauarbeiten erhebliche
Umweltvorteile zu erzielen. DuboCalc ist daher besonders interessant für Aus –
schreibungen, die auf den Kriterien EMAT ( Economically Most Advantageous
Tender ) basieren. Die Kunden bewerten die Angebote. Potenzielle Auftragnehmer
und Dritte vergleichen die Umweltkosten verschiedener Entwurfs- und Konfigura –
tionsoptionen und verbessern somit ihre Bewerbung.
baubook – ökologisch ausschreiben
Unter „baubook – ökologisch ausschreiben“ werden für
unterschiedliche Bauprodukte sowie für Haustechnik ökologische Ausschreibungs –
kriterien vorgeschlagen (ÖkoKauf Wien und Servicepaket Nachhaltig:Bauen in der
Gemeinde, 2021). In keinem der Kriterien wird jedoch eine Ökobilanz (engl. LCA)
vorgeschlagen. Unter dem Begriff „Emissionen“ werden hauptsächlich VOC- und
SCO-Emissionen berücksichtigt.
IG-Lebenszyklus – Lebenszykluskostenrechnung
in der Vergabe
„Will man bei der Vergabe von Planungsleistungen, die
zumindest die Architektur- und die TGA-Planung umfassen, die mit dem jeweili –
gen Geb äudeentwurf einhergehenden Lebenszykluskosten im Vergabeverfahren
berücksichtigen, so müssen entsprechende Vorkehrungen im Verfahren getroffen
werden, um eine objektive, faire und transparente Ermittlung sicherzustellen. Nur
wenn Lebenszykluskosten im Vergabeverfahren mit ausreichender Qualität er –
mittelt werden, können sie als eigenes Vergabekriterium im weiteren Verfahren
verwendet werden!
Dabei werden alle Parameter und Rechenannahmen,
die zum Zeitpunkt des Entwurfs noch nicht bekannt sind bzw. festgelegt werden
können, vom Ausschreibenden normativ vorgegeben.
Für die Beurteilung von Lebenszykluskosten in der Vergabe von Planungsleistun –
gen gibt es zwei m ögliche Wege:
1. Berechnung der Lebenszykluskosten der eingereich –
ten Architektur- Wettbewerbsbeitr äge durch vom Bauherrn gestellte unabh ängige
Optionen und MaßnahmenExperten. Diese legen die Prüfergebnisse dem Preisgericht vor;
2. Berechnung der Lebenszykluskosten des
Gebäudeentwurfs durch die Bieter selbst. Hierf ür muss der Bauherr normative
Vorgaben zur Berechnungsmethodik geben sowie die vorgegebenen normativ fest –
gelegten Daten zur Berechnung allen Bietern aufbereitet zur Verf ügung stellen.
Der zweite genannte Weg stellt sich in der Praxis aus
folgenden Gr ünden als nicht tauglich heraus: Der Zusatzaufwand je Teilnehmer f ür
die Berechnung ist, abgesehen vom oft fehlenden Know-how , unverhältnismäßig.
Der Interpretationsspielraum bei der Anwendung von vorgegebenen Datenpools ist
für Teilnehmer zu groß. Dadurch lassen sich Ergebnisse leicht stark verf älschen
und die Aussagekraft f ür den Bauherrn schwindet massiv.
Der Ausschreibende gibt jedenfalls auch die normativ
festgelegte Berechnungsmethode sowie die Berechnungsparameter vor, sodass
die Anbietenden eine Lebenszykluskostenrechnung auch selbst durchf ühren
können und dadurch einen lebenszykluskostenoptimierten Geb äudeentwurf anbie –
ten k önnen“ (IG Lebenzyklus Bau, S. 13 2016).
Gebäudezertifizierungssysteme
Das eine Erhöhung der Gebäudequalität durch die
Berücksichtigung und Bewertung von Nachhaltigkeitskriterien schon in den frühen
Planungsphasen und durch die Kontrolle nach Fertigstellung erreicht werden
kann, ist unumstritten (Graubner & Lützkendorf, 2008; Kreiner , Scherz & Passer,
2018; Scherz, Zunk, Passer & Kreiner, 2018). Seit vielen Jahren werden dazu
unterschiedliche Nachhaltigkeitsbewertungssysteme (ÖGNB, klimaaktiv, BREE –
AM, LEED u. v. a. m.) entwickelt, die durchaus geeignet sind, die Gebäudeper –
formance entsprechend zu bewerten (Passer, Kreiner, Smutny & Kaufmann, 2011;
Passer, Kreiner, Cresnik & Maydl, 2007). In einigen Gebäudezertifizierungssyste –
men wird auf freiwilliger Basis die Ökobilanzierung als eigenes Kriterium angeführt
(Bruce-Hyrkäs, Pasanen & Castro, 2018).
12_6 .3.4 Zeithorizont der Wirksamkeit
Kurzfristig
Das Instrumentarium der Ökobilanz ist schon jetzt
anwendungsreif für die Heranziehung in Vergabeverfahren unter dem Ti tel der
„Umweltgerechtheit der Leistung“ gem. § 20 Abs 5 BVergG 2018. Um eine gewisse
Verbreitung zu erlangen, sollte diese Anwendung ehestmöglich in Pilotprojekten
demonstriert werden, damit die rechtssichere Integration in Vergabeprozesse in
der Praxis erprobt und erwiesen wird. Dies führt erfahrungsgemäß in der Praxis zu
Multiplikatoreffekten: Auf diese Weise kann das Instrument kurzfristig wesentli –
che Impulse zu einer Dekarbonisierung der Bauwirtschaft geben.
Mittelfristig
Ist die Rechtssicherheit des Instruments erwiesen, ist
eine Verbreiterung der Anwendung – auch ohne legistische Änderung – durch eine
Selbstverpflichtung öffentlicher Auftraggeber_innen (etwa kommunaler Verbände
wie der Klimabündnisgemeinden) möglich. Der Einsatz der Ökobilanz in Vergabe –
prozessen kann damit als ökologische Best-Practice etabliert werden. Damit erhält
der kurzfristige Impuls mittelfristige Breitenwirkung.
Langfristig
Eine w eitergehende Durchsetzung der Ökobilanzie –
rung in der Bauwirtschaft setzt letztlich eine stärkere Verpflichtung der öffent –
lichen Hand voraus, ökobilanzielle Bewertungsinstrumente in Vergabeverfahren
zu verwenden. Hier wäre die gesetzliche Verpflichtung nachzuschärfen (wie dies
15
12_06 / Integration von Ökobilanzen in öffentliche Bau-Ausschreibungsverfahren unter Berücksichtigung
der Pre- und Post-Procurement -Phase16etwa schon bei der Beschaffung von Straßenfahrzeugen der Fall ist). Darüber
hinaus wäre in den vor- und nachgelagerten Phasen ( pre- und post-procurement )
eine ökologische Gebarungskontrolle zu implementieren. Beides verlangt eine
gesetzliche Änderung , die eine längerfristige Perspektive erfordert. Letztlich ist
durch die gebotene gesetzliche Änderung langfristig – durch die Vorbildwirkung
der öffentlichen Hand – eine tiefgreifende Dekarboniserung der Bauwirtschaft
möglich.
Zur Begründung der Zeithorizonte :
Wie oben unter C.X.6.2 dargelegt, verfügt bereits das
bestehende Vergaberecht über taugliche Anknüpfungspunkte und tatbestandliche
Einfallstore für eine ökobilanzielle Betrachtung. Die faktische Effektivität lässt aller –
dings noch zu wünschen übrig; dies hat rechtliche wie praktische Gründe: So sieht
zwar § 20 Abs 5 BVergG grundsätzlich eine Verpflichtung zur Bedachtnahme auf
die „Umweltgerechtheit der Leistung “ vor. Allerdings täuscht der Satzanfang eine
Strenge vor („ ist zu “), die am Ende nicht eingelöst wird, weil zur Erfüllung der (ver –
meintlich strengen) Verpflichtung eine vage formulierte „ Bedachtnahme “ auf die
Umweltgerechtheit der Leistung genügt. In dieser Offenheit der gesetzgeberischen
Formulierung, wie der Umweltgerechtheit zum Durchbruch zu verhelfen ist, liegt
bei näherer Betrachtung auch eine Chance für die Anwendung der Ökobilanzie –
rung, ohne dass es langwieriger legistischer Anpassungen bedarf .
Vor allem hat der/die Gesetzgeber_in anlässlich
der Erlassung des BVergG 2018 – in bedeutsamer Erweiterung gegenüber dem
BVergG 2006 – auch Kernelelemente der ökobilanziellen Betrachtung, namentlich
„Energieeffizienz, Materialeffizienz, Abfall- und Emissionsvermeidung “ sowie „ Bo-
denschutz “ als Kriterien benannt, die bei der „ Festlegung der technischen Spezifi –
kationen, durch die Festlegung konkreter Zuschlagskriterien oder durch Festlegung
von Bedingungen im Leistungsvertrag “ zu berücksichtigen sind. Die neuere Judi –
katur des BVwG hat dies aufgegriffen und „ Umweltkriterien “ für zulässig erklärt, mit
denen der ökologische Beurteilungshorizont auf alle Lebenszyklusphasen – einer –
seits betreffend „ das Produkt, Komponenten und Herstellungsverfahren “, anderer –
seits auf die „ Organisation “ (mitlaufender Qualitätssicherung und Prozessoptimie –
rung) – ausgedehnt wird (BVwG 19.02.2020, W187 2227326-2; sub 3.3.2.5.). Dass
ökologische Kriterien insgesamt ein maßgebliches Gewicht in der Zuschlagsent –
scheidung haben dürfen, ist in der EuGH-Rechtsprechung seit Langem anerkannt
(z. B. 45 %-Gewichtung EuGH 4.12.2003, Rs C-448/01, EVN/Wienstrom ).
Vor diesem Hintergrund stellt die Ökobilanzierung ein
Instrumentarium dar, das schon jetzt in Vergabeverfahren eingesetzt werden könn –
te; es liegt in wesentlichen Komponenten „anwendungsreif“ vor, um in Vergabe –
verfahren unter dem Titel der „ Umweltgerechtheit der Leistung “ gem § 20 BVergG
2018 herangezogen werden zu können. Dies sollte in Pilotprojekten demonstriert
werden, damit die rechtssichere Integration in Vergabeprozesse in der Praxis er –
probt und erwiesen wird. Dies eröffnet – durch die zu erwartenden Multiplikatoref –
fekte – eine kurzfristige Wirksamkeitsperspektive , weil durch den erfolgreichen
Einsatz relativ rasch wesentliche Impulse zu einer Dekarbonisierung der Bauwirt –
schaft ausgehen können.
Dieser Effekt kann mittelfristig – ebenfalls ohne
gesetzliche Änderung – wesentlich verbreitert werden, wenn öffentliche Auftrag –
geber_innen (etwa Klimabündnisgemeinden) eine Selbstverpflichtung eingehen,
im Rahmen welcher sie sich zum Einsatz der Ökobilanz in Vergabeprozessen
verpflichten. Damit würde die Ökobilanzierung gleichsam als ökologische Best
Practice etabliert.
Optionen und Maßnahmen17Beide bisher behandelten Wirkungsebenen basieren
auf Freiwilligkeit. Um eine Verpflichtung der öffentlichen Hand zu statuieren,
ökobilanzielle Bewertungsinstrumente in Vergabeverfahren zu verwenden, müsste
die gesetzliche Verpflichtung zur Umweltgerechtheit nachgeschärft werden (wie
dies der/die Gesetzgeber_in etwa bei § 94 BVerG 2018 für die Beschaffung von
Straßenfahrzeugen im Oberschwellenbereich getan hat). Darüber hinaus wäre
in den vor- und nachgelagerten Phasen ( pre- und post-procurement ) eine öko –
logische Gebarungskontrolle zu implementieren. Beides verlangt gesetzliche
Änderung , was eine gewisse Vorlaufzeit benötigt, vor allem, wenn die Gesetzes –
änderungen und Vorgaben, gegebenenfalls im Parlament und/oder in weiteren
Gremien bzw. von der Politik beschlossen und vorangetrieben werden müssen.
Dies erfordert zumindest einen mittel-, bzw. auch einen langfristigen Zeithorizont
der Option.
12_6 .3.5 Vergleich mit anderen Optionen, mit denen
das Ziel erreicht werden kann
Derzeit sind keine UniNEtZ-Optionen bekannt, mit
welchen das Ziel (= verpflichtende Integration der Ökobilanzierung in die Aus –
schreibung und Vergabe) umfassend adressiert wird.
12_6 .3.6 Interaktionen mit anderen Optionen
—Reduktion der Verschmutzung von Haushalts- und Umgebungsluft [ Option
3_15];
—Ressourcen-orientierte Sanitärversorgung [ Option 6_01];
—Ausbau der Erneuerbaren Energieerzeugung [Option 7_1];
—Umwandlungstechnologien: Effizienz [Target 7_2];
—Treibhausgasemissions-Bonus/Malus-System für öffentliche Gebäude – [ Op –
tion 11_10];
—Nachhaltiger Umgang mit mineralischen Rohstoffen von der Gewinnung bis zur
Halbzeugherstellung [Option 12_01];
—Forcierung nachhaltiger Unternehmen [Option 12_05];
—Ökosoziale Steuerreform [Option 13_01].
12_6 .3.7 Offene Forschungsfragen
—Institutionelle Implementierung einer ökologischen Gebarungskontrolle;
—Innovationen in der Kautelarjurisprudenz zur rechtssicheren Verankerung einer
ökologischen Ausgleichspflicht;
—Erforschung weiterer Benchmarks;
—Harmonisierung der Bewertungsgrundlagen (ÖNORM EN 15978 neu)
—Ausbau der LCA-Datenbanken (Datensätze);
—Harmonisierung der LCA-Datenbanken;
—Ökobilanzierung von Modul C;
—Umgang mit dynamischen Veränderungen (anstatt ex-post-Evaluierung)
—z. B. Veränderung des Strommixes;
—z. B. Veränderung der Nachfrage;
—Umgang mit übersektoralen Betrachtungen.
12_06 / Integration von Ökobilanzen in öffentliche Bau-Ausschreibungsverfahren unter Berücksichtigung
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