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Optionen
und
Maßnahmen
Österreichs Handlungsoptionen
zur Umsetzung
der UN-Agenda 2030
für eine lebenswerte Zukunft.
UniNEtZ –
Universitäten und nachhaltige
Entwicklungsziele
Optionen und Maßnahmen1
12_07 / Konsum von Gebrauchsgütern in einer Kreislaufwirtschaft: nachhaltig und transformativ12_07
Target 12.5, 12.8Autor_innen:
Hübner, Renate (Alpen-Adria-Universität); Trummer,
Patrick (Montanuniversität Leoben)
Reviewer_innen: Knobloch, Peter (Universität für an –
gewandte Kunst Wien); Revellio, Ferdinand (Johan –
nes-Kepler-Universität)Konsum von Gebrauchsgütern in einer
Kreislaufwirtschaft:
nachhaltig und transformativ
23 Abbildungsverzeichnis
4 12_7.1 Ziele der Option
5 12_7 .2 Hintergrund der Option
13 12_7 .3 Optionenbeschreibung
13 12_7 .3.1 Beschreibung der Option bzw. der zugehörigen Maßnahmen
bzw. Maßnahmenkombinationen
24 12_7 .3.2 Erwartete Wirkungsweise
25 12_7 .3.3 Bisherige Erfahrungen mit dieser Option oder ähnlichen
26 12_7 .3.4 Zeithorizont der Wirksamkeit
28 12_7 .3.5 Vergleich mit anderen Optionen,
mit denen das Ziel erreicht werden kann
28 12_7 .3.6 Interaktionen mit anderen Optionen
29 12_7 .3.7 Offene Forschungsfragen
30 LiteraturInhalt
Optionen und Maßnahmen3Abbildungsverzeichnis

Abb. O_12_07_01: Inlän –
discher Materialverbrauch
pro Kopf 2018. Quelle:
Statistik Austria (2020).
// Fig. O_12_07_01: Do-
mestic material consump –
tion per capita in 2018.
Source: Statistik Austria
(2020).
Abb. O_12_07_02: Ver-
gleich ökologischer Nut –
zungsdauer mit Effizienz –
steigerung anhand eines
PKWs. Quelle: Hübner
(2014).
// Fig. O_12_07_02:
Comparison of ecological
service life with efficiency
increase based on a pass –
engercar. Source: Hübner
(2014).
Abb. O_12_07_03:
Produktlebensdauer und
nachhaltiger Konsum.
Quelle: Cooper (2005).
// Fig. O_12_07_03:
Product life spans and
sustainable consumption.
Source: Cooper (2005)6
9
24
12_07 / Konsum von Gebrauchsgütern in einer Kreislaufwirtschaft: nachhaltig und transformativ12_7.1. Ziele der Option
Wie bereits in der Targetbeschreibung ausgeführt,
empfiehlt die Arbeitsgruppe, das Target 12.8 folgendermaßen umzuformulieren:
„Bis 2030 sicherstellen, dass die Menschen flächende –
ckend ausreichende und adäquate Produkt-, Service- und Lösungsangebote sowie
entsprechende Infrastruktur vorfinden, um nachhaltige Konsummuster praktizieren
zu können. Aussagekräftige und zuverlässige Informationen sollen zur umfassen –
den Nutzung dieser Angebote anregen und so eine Lebensweise in Harmonie mit
der sozialen und natürlichen Umwelt ermöglichen bzw. fördern. “ (Vereinte Nationen
(UN), 2015, S. 24)
Im Fokus dieser Option steht der Beitrag von Konsum
(im weiteren Sinn, siehe Targetbeschreibung 12.8) zur Realisierung einer Kreis –
laufwirtschaft (CE) und zu einer sozial-ökologischen Transformation der Wirtschaft.
Idee einer CE ist, dass Güter oder Komponenten ( Reuse , Repair ) und Werk- oder
Rohstoffe ( Recycling ) in größtmöglichem Ausmaß wieder- oder weiterverwendet
werden.
Für die Erreichung der Nachhaltigkeitsziele spielt die
Abfall- und Kreislaufwirtschaft eine wichtige Rolle. Diese beiden Bereiche sind
eng miteinander verknüpft und die jeweiligen Maßnahmen daher gut aufeinander
abzustimmen. Mit dieser Option werden daher mehrere Targets (12.4, 12.5, 12.7,
12.8 sowie 9.1, 9.4, 9.a sowie 1.a) adressiert. Am deutlichsten ist der Bezug zu
12.8. Laut Target 12.5 ist bis 2030 das Abfallaufkommen durch Vermeidung, Ver –
minderung, Wiederverwertung und Wiederverwendung deutlich zur verringern. Die
hierfür erforderlichen Mehrfachverwendungs- und Verwertungsstrategien betreffen
sowohl Materialien als auch Güter und Komponenten und sollen dazu führen, dass
einmal abgebaute und verarbeitete Rohstoffe länger bzw. effizienter genutzt wer –
den. Begleitmaßnahmen sollen gewährleisten, dass durch diese Effizienzsteigerun –
gen keine zusätzlichen Reboundeffekte entstehen.
Vom Wegwerfen zum Bereitstellen
Maßnahmen bezogen auf Recycling gehen kaum mit
neuen Konsumpraktiken einher, sind in anderen Optionen abgedeckt (12_02 und
werden daher hier nicht weiter behandelt). Die Maßnahmen(bündel) dieser Option
betreffen daher vor allem Güterkreisläufe , also den Umgang mit Gebrauchsgütern
insbesondere in der Nutzungs- und Nachnutzungsphase, wobei vor allem letzte –
re mit einer neuen Aufgabe der Konsument_innen verbunden ist: Die möglichst
qualitätsvolle Bereitstellung von Gebrauchsgütern zu deren Wieder- oder Weiter –
verwendung. Auf die Konsument_innen müssen dadurch keine zusätzlichen Auf –
gaben zukommen. Im Gegenteil: Der Prozess bzw. die Funktion des Weggebens
von (nicht mehr gebrauchten oder gewünschten) Gütern zur Reparatur, zum Verleih
oder als Altgerät, nicht mehr gebrauchtes Gerät, Altstoff etc. soll aufgewertet und
durch geeignete Infrastruktur und Dienstleistungen viel besser unterstützt werden.
In einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft müssen die Konsument_innen hierbei
bestmöglich unterstützt werden, da sie als Bereitsteller_innen (statt Wegwerfer_in –
nen) von wertvollen Ressourcen ein zentrales Element in der Beschaffungslogistik
(Teil der Supply Chain ) sind.
Ziel dieser Option ist es daher, mit geeigneten Maß –
nahmen(bündeln) die Nutzungsdauer und Nutzungsintensität von Gebrauchs –
gütern (und Komponenten) schrittweise zu steigern . Wenn bspw. Jeans und
Smartphones statt drei künftig sechs Jahre genutzt würden, wäre das schon eine
Steigerung um 100 % (Tröger, Wieser & Hübner, 2017; Cooper, 2004). Damit soll/
4
Optionen und Maßnahmenkann folgendes erreicht werden:
–Reduktion der Häufigkeit von (Ersatz-)Anschaffungen (also des Kaufs neuer
Güter), dadurch:
–Reduktion der Herstellung neuer Gebrauchsgüter;
–Reduktion des mit Herstellung und Transport verbundenen Energie- und Res –
sourcenbedarfs;
–Reduktion der damit verbundenen Emissionen;
–Reduktion von Abfällen aus dem Haushaltsbereich;
Ein an CE orientierter Konsum müsste also zur bes –
seren Auslastung des Gebrauchsgüterbestandes in österreichischen Haushalten
und zum Kauf weniger Neuprodukte führen. Darüber hinaus kann ein System zur
qualitätserhaltenden Bereitstellung und Erfassung von Gebrauchsgütern zur intel –
ligenteren Nutzung bereits verarbeiteter Ressourcen im Allgemeinen führen. Damit
kann (und soll) ein CE-orientierter Konsum zu einer Transformation des Wirtschaf –
tens im Sinn nachhaltigen Wirtschaftens (Paech, 2011) führen, weg von einer an
materiellen Gütern orientierten (Durch-)Flusswirtschaft hin zu einer Loop-Economy
oder gar zu einer bedarfs- und service-orientierten Lake-Economy im Sinn von Be –
standsbewirtschaftungssystemen (Stahel, 2010; Stahel, 2016).
12_7.2. Hintergrund der Option
Der neue EU-Aktionsplan für die Kreislaufwirt –
schaft von März 2020 (Circular Futures, 2020; Euro –
päische Kommission (EC), 2020)
Aktuell fehlen Anreize zur Abfallvermeidung und
Wiederverwendung, obwohl diese laut der Europäischen Abfallhierarchie und der
Abfall-Rahmenrichtlinie 2008/98/EG die höchsten Prioritäten aufweisen sollten
und die österreichische Abfallwirtschaft gemäß dem Abfallwirtschaftsgesetz 2002
(AWG) nach dem Vorsorgeprinzip und der Nachhaltigkeit ausgerichtet werden soll.
Die Maßnahmen zielen darauf ab, einen starken und
einheitlichen Rahmen für die Produktpolitik zu schaffen, durch die  nachhaltige
Produkte, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle zur Norm werden, und die
Verbrauchsmuster so zu verändern, dass von vornherein kein Abfall erzeugt
wird. Zwar fehlen nach wie vor klare und messbare Ziele in Bezug auf
den Gesamtverbrauch von Ressourcen in der Wirtschaft , grundsätzlich wird
mit dem Aktionsplan aber ein Maßnahmenkatalog auf den Weg gebracht, der nicht
nur die Herstellung, sondern auch die Verwendung unserer Produkte entscheidend
im Sinne einer Kreislaufwirtschaft verändern soll. Einer der drei wesentlichen Bau –
steine betrifft Maßnahmen zur  Stärkung der Position der Verbraucher_innen .
Hierzu sind unter anderem folgende Maßnahmen
geplant: Prüfung von Greenwashing (Grünfärberei ) und  vorzeitiger Obsoles –
zenz zur Festlegung von Mindestanforderungen für Nachhaltigkeitssiegel/-
logos sowie für Informationsinstrumente . Produktgruppen mit dem größten
ökologischen Fußabdruck ( zentrale Produktwertschöpfungsketten), darunter
Textilien, Elektronik und IKT, Batterien, Bauwirtschaft und Gebäude, Verpackun –
gen und, wenn auch weniger prominent, Möbel und Fahrzeuge, werden vorrangig
behandelt. Es geht also um einen neuen/anderen, CE-adäquaten Umgang mit Ge –
brauchsgütern.
5
12_07 / Konsum von Gebrauchsgütern in einer Kreislaufwirtschaft: nachhaltig und transformativ
Materialverbrauch und Güterbestände als Basis
für konsumorientierte Maßnahmen in einer CE
Aktuell werden weltweit und damit auch in Österreich
zu viele Rohstoffe und Werkstoffe verbraucht bzw. zu kurz im Kreislauf gehalten.
Laut Materialflussrechnung (Statistik Austria, 2020) der Statistik Austria wurden im
Jahr 2019 rund 19 Tonnen pro-Kopf Materialen verbraucht. Die Abbildung O_12-
07_01 zeigt den im EU-Vergleich hohen Materialverbrauch der Österreicher_in –
nen. Ein hoher Materialverbrauch bedingt negative Umweltwirkungen entlang des
gesamten Lebenszyklus der daraus hergestellten Produkte und Güter.
6Abb. O_12-07_01: Inländischer
Materialverbrauch pro Kopf 2018.
Quelle: Statistik Austria (2020). // Fig. O_12-07_01: Domestic
material consumption per capita
in 2018. Source: Statistik Austria
(2020).
Hinzu kommt, dass die Herstellung der meisten Güter
mit großem Energiebedarf Umwelt- und Gesundheitsgefährdungen im Ausland und
dort vor allem in ärmeren Regionen, einhergeht. Diese negativen Wirkungen kön –
nen durch eine Förderung der Wiederverwendung entsprechend reduziert werden.
Wie bereits in der Targetbeschreibung 12.8 ausge –
führt, befinden sich in jedem österreichischen Haushalt über 10.000 (Gebrauchs-)
Güter, das sind über 30 Mrd. Güter, die als Bestandsvermögen zu betrachten sind.
Der hohe Ausstattungsgrad der Haushalte führt dazu, dass es sich beim Kauf
von Gütern in den meisten Fällen um Ersatzanschaffungen handelt (siehe Target –
beschreibung 12.8). Um in derart gesättigten Märkten wirtschaftlich erfolgreich
zu sein, werden seitens der Wirtschaft oft Maßnahmen zur Beschleunigung von
Ersatzanschaffungen entwickelt. Dazu zählen vor allem Maßnahmen, die eine
längere Nutzung beeinträchtigen und auch im Fall noch funktionierender Produkte
und Geräte zu Neuanschaffungen führen, wie bspw. rasch wechselnde Moden,
Sollbruchstellen, Programmierungen zur Blockade von Druckern, neue Software,
keine oder zu viele Updates). Hinzu kommen weitere Strategien, die Reparaturen
oder eine längere Nutzung beeinträchtigen können, wie bspw. Produktionskosten –
Optionen und Maßnahmenreduktion zu Lasten der Standfestigkeit/Reparierbarkeit, Innovationsrückhalt und
Scheininnovationen1 (Albers, Brockhoff & Hauschildt, 2001).
Diese Strategien zeigen, dass die vorzeitige ( prema –
ture) Obsoleszenz weit über technische Sollbruchstellen hinausgeht. Bereits in der
Mitte des 20. Jahrhunderts wurden diese Strategien von einem erfolgreichen US-
amerikanischen Designer bei einer werbewissenschaftlichen Tagung folgenderma –
ßen auf den Punkt gebracht:
“Planned Obsolescence means instilling in the buyer
the desire to own something a little newer, a little better, a little sooner than is
necessary.” (=“Geplante Obsoleszenz bedeutet, bei den Konsument_innen das
Verlangen auszulösen, etwas Neueres und Besseres früher als notwendig zu be –
sitzen“) (Brooke Stevens, 1954, zitiert nach Adamson, 2005)
Obsoleszenz ist unbestreitbar ein Wachstumstreiber
der Wirtschaft, unabhängig davon, ob dieser Treiber künstlich oder natürlich ist.
Obsoleszenz beruht auf Möglichkeiten, die Lebens- und/oder Nutzungsdauer von
Produkten zu kalkulieren und künstlich zu begrenzen um die Konsument_innen
mehr oder weniger sanft zu einem Neukauf zu zwingen (Wolkerstorfer, 2012),
dessen Grenznutzen aber zunehmend sinkt. Es ist daher nur verständlich, wenn
von demand inflation , also von Nachfrageinflation, sprechen (Hansen & Schrader,
1997).
Konsum in einer CE müsste daher zu einer Verlänge –
rung der Intervalle zwischen den Ersatzanschaffungen führen. Zur Realisierung
von CE-orientierten Lösungen tragen alle Konsumpraktiken bei, die zur längeren
bzw. intensiveren Nutzung von Gebrauchsgütern führen. Im Sinne einer nachhalti –
gen Entwicklung ist dies aber nur dann der Fall, wenn dadurch der Kauf und damit
die Herstellung neuer Produkte auf einen späteren Zeitpunkt verschoben oder
gänzlich substituiert wird. Dies reduziert möglicherweise die Auslastung von Pro –
duktionsanlagen – aber nur auf den ersten Blick. Die sinkenden Produktionsstück –
zahlen können durch eine höhere Produktqualität, die erforderlichen Ersatzteile
und einer möglicherweise aufwendigeren Produktion kompensiert werden. Hinzu
kommt, dass es auch für die Phase der Nutzung und Nachnutzung Ersatzteile und
begleitende Services braucht, die in Form von innovativen Organisations- und
Geschäftsmodellen neue Beschäftigungsmöglichkeiten bieten, die mehr auf Pro –
duktqualität und Know-How basieren, als auf der Fähigkeit, noch mehr und noch
rascher neue Produkte zu erzeugen bzw. zu verkaufen.
Es gilt also, sich einerseits von einem veralteten – vor
allem am Kauf neuer Güter ausgerichteten – Innovationsverständnis zu ver –
abschieden und andererseits Innovationen auf Ebene von Funktionen (Typ III)
oder (Teil-)Systemen (Typ IV) anzustreben (siehe Targetbeschreibung 12.8 Abb.
T_12.8_01). Damit können die Verbreitung CE-orientierter Konsumpraktiken dem
transformativen Anspruch gerecht zu werden und Änderungen unserer gesamten
Wirtschaftsweise bewirken.
Der transformatorische Anspruch nachhaltigen Kon –
sums ist nicht nur abhängig vom Individuum und individuellen Handlungsmustern,
sondern auch von sozialen Umfeldern (Familie, Freund_innen, Arbeit) und lokaler
bzw. regionaler Infrastruktur. Konsum, als soziale Praxis verstanden, ist daher
71 Scheininnvoation: Dies ist eine Innovation, bei der kein neuer Nutzen entsteht, sogenannte
Pseudoverbesserungen. Beispielsweise wird bei einem Produkt nur die Farbe oder Formgebung
verändert, ohne den Nutzen zu steigern. Innovationsrückhalt: Neue Produkte werden mit bereits
veralteten Technologien bzw. Lösungen verkauft, auch wenn der Einbau einer neueren, besseren,
effizienteren Technologie möglich wäre.
12_07 / Konsum von Gebrauchsgütern in einer Kreislaufwirtschaft: nachhaltig und transformativimmer auch ein Ergebnis von kollektiven Prozessen sowie technischen und gesell –
schaftlichen Rahmenbedingungen. Transformativer Konsum setzt daher kollektive
Kommunikations- und Entscheidungsfähigkeiten voraus, um auch adäquate struk –
turell-organisatorische Änderungen (Rahmenbedingungen wie bspw. rechtlicher,
technischer, administrativer Natur) zu initiieren und allenfalls damit einhergehende
Spannungen bzw. Konflikte zu bewältigen. Die Digitalisierung leistet insofern einen
großen Beitrag, als sie die verschiedenen Rollen von Individuen in Bezug auf die
verschiedenen Formen nachhaltigen Konsums unterstützen kann bzw. neue Rollen
ermöglicht (siehe Targetbeschreibung 12.8, Tabelle T_12.8_01; Hübner & Schmon,
2019).
Zentrale Fragen in Bezug auf Konsument_innenorien –
tierte Maßnahmen zur Förderung einer CE sind:
–Welche Konsummuster bzw. -praktiken in den Beschaffungs-, Nutzungs- und
Nachnutzungsphasen braucht es, damit die intendierten Effekte einer CE im
Sinn einer nachhaltigen Entwicklung realisiert werden?
–Wie können diese CE-orientierten Konsumpraktiken gefördert und stabilisiert
werden, sodass geeignete Konsumroutinen entstehen und dauerhaft praktiziert
werden?
–Wie kann die Verbreitung CE-orientierter Konsumpraktiken zu einem gesamtwirt –
schaftlichen Wandel beitragen?
–Welche konsumseitigen Interventionen sind hierfür geeignet?
Die Beantwortung dieser Fragen basieren auf drei Dimensionen:
a) einer auf die produktnutzungsdauerbezogenen Dimension (Energieaufwand);
b) einer handlungsbezogenen Dimension (Konsumverständnis);
c) einer akteur_innenbezogenen Dimension (Verbraucher_innenbild).
Ad a) Nutzungsdauer: Die Ausschöpfung des Potenzials der investierten Energie
als Grundlage CE-orientierten Konsums
Konsumseitige Maßnahmen, die zu einer Reduktion
des Energiebedarfs und der CO2-Emissionen führen sollen, müssen daher gemäß
dem Ansatz des Kumulierten Energieaufwandes (KEA) zusätzlich zum Energie –
verbrauch in der Nutzungsphase ( weiße bzw. Betriebsenergie ) auch die Energie
zur Herstellung ( graue bzw. investierte Energie, im Englischen: invested oder
embodied energy ) Costanza, 1980 einbeziehen (VDI-Gesellschaft Energie und
Umwelt, 2012). Dadurch würden viele Effizienzsteigerungen neuer Produkte weit
geringer ausfallen bzw. sogar zu Negativbilanzen führen, wenn die Nutzung des
Gutes nicht so lange erfolgt, bis der energetische Break-Even Point erreicht ist
(Hübner, 2014). Dies lässt sich sehr gut anhand der Nutzung eines Autos erläutern
(siehe Abb. O_12-07_02). Ein PKW mit einem Verbrauch von sechs Litern/100 km,
der bereits 100.000 km gefahren wurde, soll (bspw. aufgrund einer Umweltprämie)
durch ein neues, effizienteres Modell ersetzt werden, das je 100 km um 1 Liter
weniger Treibstoff verbraucht. Der energetische Vorteil dieser Effizienzsteigerung
beginnt erst, sobald durch die Einsparung die Herstellenergie kompensiert wurde,
also dem energetischen Break-Even Point bzw. dem Amortisationszeitpunkt. Im
Beispiel wird die Effizienzsteigerung des neuen PKW erst wirksam, wenn er mehr
als 380.000 km gefahren wird. Umgekehrt heißt das aber auch, dass es sinnvoll ist,
bestehende PKW so zu bauen, dass man mit ihnen weit über die üblichen 200.000
km (480.000 km im Beispiel) fahren kann.
8
Optionen und MaßnahmenEine entsprechende Maßnahme – zumindest für ener –
giebetriebene Güter – müsste lauten, dass mittels der Angabe des energetischen
Break-Even Point s die Mindestnutzungsdauer anzugeben ist (bspw. durch Gewähr –
leistungsfristen, Garantiedauer oder Versicherungsmöglichkeiten), also ab wann
die versprochene Effizienzsteigerung tatsächlich wirksam wird. Für nicht energie –
betriebene Güter geht der Amortisationszeitpunkt rechnerisch gegen unendlich,
da bei diesen die Lebens- und Nutzungsdauer von anderen Faktoren (Robustheit,
Werkstoff, Verbindungen, Nutzungsweisen, Pflege etc.) abhängt.
Eine Befragung von über 800 Haushalten im Vereinig –
ten Königreich und eine begleitende Erhebung ergaben, dass ein Drittel der weg –
geworfenen Produkte vermutlich noch reparierbar gewesen wäre, und im Durch –
schnitt war ein Drittel der weggeworfenen Produkte noch funktionstüchtig. Bei
vielen Produktgruppen lagen die Angaben bei 50 % und darüber, so funktionierten
noch 60 % der PCs und der Mobiltelefone, und fast 50 % der Herde und Hi-Fi-An –
lagen, als sie weggegeben wurden (Cooper, 2004). Die Ergebnisse dieses umfas –
senden Projektes lassen vermuten, dass absolute Obsoleszenz, also jene, die in
der technischen Alterung von Produkten liegt (arising from product failure) , weniger
Einfluss auf die Lebensdauer von Produkten hat, als die relative Obsoleszenz, die
in der Entscheidung der Konsument_innen liegt (“consumer’s decision to replace a
functional product“) ; Cooper, 2004, S. 440. Cooper unterscheidet in Bezug auf die
so genannte relative Obsoleszenz – also dem Ende der Nutzungsdauer vor dem
Ende der Lebensdauer – drei Formen:
–Obsoleszenz technologischer Natur (neue Modelle, Technologiesprünge);
–Obsoleszenz psychologischer Natur (subjektive Faktoren);
–Obsoleszenz ökonomischer Natur (Kostenfaktoren).
9
Abb. O_12-07_02: Vergleich
ökologischer Nutzungsdauer mit
Effizienzsteigerung anhand eines
PKWs. Quelle: Hübner (2014). // Fig. O_12-07_02: Comparison
of ecological service life with
efficiency increase based on a
passenger car. Source: Hübner
(2014).
12_07 / Konsum von Gebrauchsgütern in einer Kreislaufwirtschaft: nachhaltig und transformativDiese drei Formen relativer Produktalterung reduzie –
ren die Bedeutung (den Wert) eines Gebrauchsgutes selbst dann, wenn es noch
funktioniert. Forschung zur relativen Obsoleszenz – also zur Nutzungsdauer von
Gebrauchsgütern – zeigt, dass die Dauer der Nutzung von Gütern keine Sache
individueller Verhaltensmuster ist – ähnlich wie das Kaufverhalten. Vielmehr resul –
tiert die Nutzungsdauer aus der Interaktion verschiedener Marktakteur_innen und
hängt sowohl von subjektiven Empfindungen, als auch den gesellschaftlichen Nor –
men ab, die von Hersteller_innen und dem Handel mitgestaltet werden. Im Fall von
Handys haben bspw. insbesondere Werbung, Innovationszyklen von Hardware und
Apps sowie Vertragsmodelle Einfluss auf soziale Normen. Viele Konsument_innen
fühlen sich von der rapiden Einführung neuer Modelle unter Druck gesetzt (Tröger
et al., 2017).
Paradoxerweise hat der in den vergangenen Jahren
zunehmend auch von den Medien aufgegriffene Diskurs über den Einbau von Soll –
bruchstellen zu immer geringeren Erwartungen hinsichtlich der Lebensdauer von
Gebrauchsgütern geführt. Es darf daher nicht überraschen, dass Konsument_in –
nen zunehmend dazu neigen, Billigprodukte zu kaufen. Wenn diese bald kaputt –
gehen, ist man nicht überrascht und kauft dann eben rasch wieder ein billiges
Neugerät, anstatt kaputte Dinge reparieren zu lassen oder zu Gebrauchtgeräten
oder Qualitätsprodukten zu greifen. Die Folgen des mangelnden Vertrauens in die
Produktlebensdauer ist also auch der medialen Berichterstattung zuzuschreiben,
so sie sich auf die Identifizierung von technischen Sollbruchstellen bezieht. Ange –
sichts der vielfältigen Gründe für die immer kürzer werdende Nutzungsdauer von
Gebrauchsgütern ist klar, dass verbraucher_innen- und umweltpolitische Maßnah –
men über solche, die das Design und die Lebens dauer von Produkten betreffen
und über schlichte Verbote von geplanter Obsoleszenz (jüngst in Frankreich) siehe
Repanet, 2021, die vermutlich nur schwer exekutierbar sind, hinausgehen müssen.
(Tröger et al., 2017)
Ad b) der Umgang mit Gebrauchsgütern – Handlungskette der Konsument_innen in
einer CE
In den drei Phasen der Handlungskette der Konsu –
ment_innen (siehe Targetbeschreibung 12.8) – Beschaffung, Nutzung, Nachnut –
zung – wird deutlich, dass Konsument_innen in verschiedenen Rollen handeln:
bspw. in der Rolle als Käufer_in, als Mieter_in, als Nutzer_in oder als Weg –
werfer_in. Für den Kauf von Gütern gibt es sehr viel Unterstützung und Informatio –
nen. Für den richtigen Umgang mit Gütern hingegen finden sich deutlich weniger
Informationen und auch viel weniger Unterstützung durch die anbietenden bzw.
verkaufenden Unternehmen. Hinweise zur korrekten Nutzung, Wartung, Lagerung
von Produkten bzw. Geräten, zu Ersatzteilen, zu Reparatur- bzw. Hochrüstungs –
möglichkeiten gibt es oft gar nicht und wenn, dann sind diese meist nicht leicht zu
finden. Diese Informationen könnten durchaus in Gebrauchsanweisungen integriert
werden, bspw. die Inklusion von Angaben zur Langlebigkeit und zu Ersatzteilen
als weitere verpflichtende Vorgabe. In Bezug auf CE-orientierte Nutzungspraktiken
sind Maßnahmen(bündel) in Hinblick auf folgende drei Strategien zu entwickeln:
–Länger nutzen heißt Produkte kompetent und achtsam zu nutzen ( caring ). Dazu
braucht es in Produktbeschreibungen Angaben zur erwartbaren (Mindest-)
Lebensdauer des Gutes, zur richtigen Wartung bzw. Instandhaltung und Zwi –
schenlagerung, zu Hinweisen, was die Lebensdauer verkürzen oder verlängern
kann, Informationen zu Ersatzteilen etc.;
–Güter gemeinsam nutzen (sharing ) ergibt dann Sinn, wenn Güter bspw. seltener
10
Optionen und Maßnahmengebraucht werden und das Eigentum daran für nicht unbedingt erforderlich
gehalten wird. Dazu braucht es aber klare Bedingungen zur Nutzung und zur
Rückgabe (= Bereitstellung) für die nächste Nutzung, damit sharing einwandfrei
funktioniert – das gilt gleichermaßen für private wie für gewerbliche Sharing –
Angebote;
–Funktionssicherheit gewährleisten – Dazu braucht es vertrauensbildende Maß –
nahmen wie Garantien/Gewährleistung2 nach einer Reparatur (in DE bspw. 1
Jahr), Dokumentation der Nutzungsphase (Wer, was, wie lange, wofür, be –
sondere Vorkommnisse, hier könnten bspw. RFID-Chips zum Einsatz kommen,
wobei allerdings der Datenschutz zu beachten ist), Klärung der Haftungsfragen
im Fall von Fehlern bzw. Mängeln, regelmäßige Funktions- bzw. Qualitätsprü –
fungen;
Eine CE ist dann erfolgreich realisiert, wenn möglichst
viele Gebrauchsgüter und Komponenten möglichst häufig wieder oder weiterver –
wendet werden. Aus diesem Grund kommt der Bereitstellung nach der Nutzung
für eine neuerliche Nutzungsphase große Bedeutung zu. Die Bereitstellung von
Gebrauchsgütern in möglichst hoher Qualität (funktions- oder reparaturfähig,
hochrüstbar, Nutzbarkeit von Komponenten) führt zu einer Art neuer Funktion bzw.
Rolle in der Handlungskette der Konsument_innen in der Nachnutzungsphase.
Neben Maßnahmen, die auf eine Verlängerung der
Produktlebensdauer zielen, braucht es auch Maßnahmen, die auf eine Verlänge –
rung der Produktnutzungsdauer abzielen und nicht primär eine Akteur_innengrup –
pe adressieren, sondern die Interaktionen zwischen den Akteur_innen – ins –
besondere zwischen Anbieter_innen und Konsument_innen. Drei Kategorien für
Maßnahmen zur Verlängerung der Produktnutzungsdauer lassen sich unterschei –
den (Tröger et al., 2017):
–Maßnahmen, die direkt zur Verlängerung der Nutzungsdauer beitragen können;
–Maßnahmen, die das Vertrauen in die erwartete Lebensdauer erhöhen und;
–Maßnahmen gegen Werbepraktiken und Anreizsysteme, die eindeutig zur Ver –
kürzung der Nutzungsdauer beitragen.
Ad c) Geeignete Interventionen zur Entstehung von Heuristiken
Voraussetzung für die Entwicklung von Maßnahmen,
die dazu führen, dass Konsument_innen Handlungsroutinen tatsächlich im Sinn
einer nachhaltigen Entwicklung ändern, sind Annahmen über Menschen und
menschliches Verhalten. Dieser Optionenbeschreibung liegt ein emanzipatorisches
Konzept zugrunde, das der Vagheit und Normativität des Nachhaltigkeitskonzeptes
gerecht wird. Gleichzeitig werden Konsumentscheidungen häufig nach einfachen
Regeln getroffen.
Folgende Regeln – Heuristiken – scheinen für unsere
von Ökonomie und Technik dominierte Kultur typisch zu sein und lassen sich fast
als Spielregeln des modernen Konsums formulieren (Hübner, 2014):
–Neu schlägt gut (Nicht das Bessere sondern das Neue ist Feind des Guten.);
–Einkaufen schlägt reparieren (Shopping ist lustiger als hochrüsten, reparieren
lassen.);
112 In Österreich besteht eine Gewährleistungspflicht von 2 Jahren auf bewegte und 3 Jahre auf
unbewegte Güter und Waren. Bei einem Schadensfall ist in den ersten 6 Monaten der Händler in der
Beweispflicht. Danach kehrt sich die Beweispflicht in Richtung Konsument_in um. Bei Reparatur beginnt
die Gewährleistung von neuem, jedoch bezieht sich diese nur auf das reparierte Teil bzw. Ersatzteil und
nicht auf das ganze Produkt. Anzumerken ist jedoch, dass in Österreich eine gesetzliche Veränderung in
Arbeit ist.
12_07 / Konsum von Gebrauchsgütern in einer Kreislaufwirtschaft: nachhaltig und transformativ –Haben schlägt nutzen (Einen Mercedes zu haben ist etwas Anderes als einen zu
mieten.);
Solche Regeln entstehen nicht top-down , sondern
entstehen durch entsprechende materielle Angebote und begleitende Maßnahmen
zur Entstehung und Vernichtung von Bedeutung. Es braucht geeignete Interven –
tionen, damit vergleichbare Heuristiken entstehen, die an Nachhaltigkeit bzw. an
einer CE ausgerichtet sind. Hierzu gehört auch, die symbolische Funktion von
Konsum (bspw. endlich dazugehören, up-to-date sein, cool sein) anzuerkennen
und adäquate Maßnahmen zu entwickeln, die zur Entstehung neuer Deutungs –
möglichkeiten führen, die wiederum den Kauf und die Existenzweise des Habens
(Fromm, 1976) ablösen und Brücken entstehen, sodass neue Existenzweisen
(Sein? Wirken?) entstehen können.
Maßnahmen zur Veränderung von Konsumpraktiken
können auf verhaltensökonomischen einerseits und emanzipatorischen Prinzipien
andererseits entwickelt werden. Verhaltensökonomische Methoden haben zum
Ziel, das Verhalten von Menschen auf vorhersagbare Weise zu beeinflussen, ohne
dabei jedoch auf Verbote, Gebote oder ökonomische Anreize zurückzugreifen und
gehen auf das Konzept des Nudging (Stupsen) (Thaler & Sunstein, 2009) zurück.
Zwar ist dieser – auch libertärer Paternalismus genannte – Zugang aufgrund des
manipulativen Potenzials durchaus kritisch zu betrachten, macht aber dann Sinn,
wenn sich Expert_innen hinsichtlich der Vorteile für die Gesellschaft einig sind
und die Maßnahme effizient umgesetzt werden kann. Emanzipatorische Ansätze
hingegen sind dann sinnvoll, wenn Neues entstehen soll – neue Konsummuster
sind dann emergente Resultate emanzipatorischer Prozesse (Hübner, 2017) und
brauchen andere Interventionen bzw. Maßnahmenbündel als Methoden auf Basis
verhaltensökonomischer Ansätze.
Abschließend wird noch darauf hingewiesen, dass
vor dem Hintergrund aller in der Folge ausgearbeiteten Maßnahmen auch dazu
beitragen werden soll, neuartige Geschäftsmodelle und auch kollaborative Initia –
tiven zu entwickeln, die auch zu neuen Rollen führen bzw. mit neuen Rollen der
Akteur_innen – und damit auch mit neuen Rechten und Pflichten – einhergehen.
Konsum im weiteren Sinne, der am Konzept der CE ausgerichtet ist, ist dann auch
ein transformativer Konsum, wenn er zu einem Wandel des Wirtschaftens von der
Güter- zur Nutzungsorientierung führt. Eine CE wiederum trägt nur dann zu einer
nachhaltigen Entwicklung bei, wenn sie die nachstehenden Kriterien erfüllen
–Tragen zur effizienten Nutzung von Energie und natürlichen Ressourcen bei;
–Brauchen Technologien, die kleinräumige, regionale Lösungen unterstützen;
–Brauchen andere Fähigkeiten, bspw. Produkt- statt Verkaufskompetenzen;
–Sind arbeitsintensiver als Produktion und Vertrieb neuer Güter;
–Tragen zu lokalen Beschäftigungseffekten und zu sozialen Innovationen bei.
12
Optionen und Maßnahmen12_7.3 Optionenbeschreibung
12_7.3.1 Beschreibung der Option bzw. der zu –
gehörigen Maßnahmen bzw. Maßnahmenkombi –
nationen
Damit eine Circular Economy (CE) funktioniert und
zu einer nachhaltigen Entwicklung beiträgt, genügt es also nicht, einfach nur
langlebige, reparier- oder rezyklierbare Produkte zu entwickeln (reparier bar be-
deutet noch nicht repariert, rezyklier bar nicht rezykliert) siehe Hübner, Himpel –
mann & Melnitzky, 2004. Reparier-, wiederverwend- und hochrüstbare Produkte
müssen auch entsprechend angeboten ( Fokus: Handel ) und entsprechend
länger oder wieder genutzt ( Fokus: Konsument_innen ) bzw. repariert oder
hochgerüstet etc. ( Fokus: Serviceanbieter_innen, Ersatzteilmanagement )
werden.
Viele Forschungsergebnisse zeigen, dass die
Lebensdauer kein prioritäres Kriterium für den Kauf von Gebrauchsgütern dar –
stellt (Cooper, 2004, 2005). Weiters stellte sich bei Fragen nach erwünschter
bzw. erwarteter Lebensdauer heraus, dass Konsument_innen bei der Vielzahl
an Produkten eine höhere Lebensdauer erwarten, auch wenn diese die geplante
Nutzungsdauer übersteigt (Wieser, Tröger & Hübner, 2015)
Zur Erreichung der Targets werden folgende Maß –
nahmenbündel vorgeschlagen, wobei die methodische Umsetzung fließend
verläuft – erstere näher beim Nudging und letztere näher bei emanzipatorischen
Ansätzen zur Änderung der Konsumpraktiken:
1. Maßnahmenbündel betreffend Kaufakte und Handel;
2. Maßnahmenbündel ein systemisches Service-Angebot betreffend (Dienst –
leister_in und Infrastruktur), an Sharing oder Caring orientiert;
3. Maßnahmenbündel, die Konsument_innen direkt adressieren;
4. Maßnahmenbündel bezogen auf normative und rechtliche Rahmenbedin –
gungen zur Unterstützung CE orientierter Konsumpraktiken;
5. Maßnahmenbündel zur Förderung von an CE ausgerichteten Geschäftsmo –
dellen und damit zur Änderung der Wirtschaftsform im Sinn einer Bestands –
bewirtschaftung;
Im Sinn einer CE sind sämtliche Maßnahmen da –
nach auszurichten und aufeinander abzustimmen, dass langlebige, reparier- und
hochrüstbare Güter nicht nur gekauft, sondern auch tatsächlich lange genutzt,
repariert, hochgerüstet usw. werden. Die Maßnahmen betreffen daher vorwie –
gend die Nutzungs- und Nachnutzungsphasen.
1. Maßnahmenbündel:
Kauf und Handel: Erarbeiten eines CE-Kriterienkataloges für
Handelsbetriebe, verbindlich für marktbeherrschende Unternehmen
Mit der zunehmenden Marktkonzentration im Kon –
sumgüter-Handel (RegioData, 2018) gewinnen immer weniger Marktteilnehmer_
innen immer mehr an Marktdominanz. Diese marktbeherrschende Position wird
bisher vor allem gegenüber den Hersteller_innen zur Erhöhung des Preisdrucks
eingesetzt, was dazu führt, dass Hersteller_innen immer Spielraum haben –
auch für einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung. Diese Machtposition des
Handels führt dazu, dass dem Handel im Zusammenhang mit einer nachhaltigen
Entwicklung inzwischen die wichtigste Rolle im Bereich des Konsums zukommt –
und der Handel daher auch am meisten Verantwortung übernehmen müsste.
Mit diesem Maßnahmenbündel werden Schritte
13
12_07 / Konsum von Gebrauchsgütern in einer Kreislaufwirtschaft: nachhaltig und transformativgesetzt, dass reparaturfähige und wiedernutzbare Produkte entwickelt werden und
auf den Markt kommen. Unter anderem soll damit auch einer tatsächlichen oder
empfundenen Verschlechterung von Produktqualitäten (Obsoleszenz) entgegen –
gewirkt werden (Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus (BMNT),
2017). Die Wiederverwendung von Produkten beschreibt eine Maßnahme, bei der
ein gebrauchtes Produkt nicht mehr benötigt wird und in eine zweite Nutzungspha –
se gelangt. Es wird geprüft, gereinigt, repariert und anschließend für denselben
Verwendungszweck eingesetzt. Speziell für Konsument_innen ist es wichtig, die
Reparierfähigkeit eines Produktes beim Kauf besser einschätzen zu können, dafür
sind Informationen notwendig (Wilts et al., 2016). Es ist daher auch der Handel,
der mit geeigneten Maßnahmen zur Stärkung bzw. Steigerung des Vertrauens der
Nutzer_innen in Bezug auf die Erwartungen an die Produktlebensdauer betragen
kann und daher auch muss. Als sogenannter Gatekeeper zum Markt hin entschei –
det der Handel, welche Produkte angeboten werden und damit auch darüber, ob
langlebige, hochrüst- und reparierbare Produkte überhaupt gekauft werden können .
Daher ist (künftig) eine wettbewerbsrechtlich bedenkliche und marktbeherrschen –
de Position an die Bedingung zu knüpfen, dass ein Nachweis zu erbringen ist, wie
diese Dominanz genutzt wird, um eine CE umzusetzen. Zu vertrauensfördernden
Maßnahmen zählen insbesondere zuverlässige Angaben über die technische
und funktionelle Lebensdauer sowie zuverlässige Angaben über Schwachstellen,
Verschleißelemente, Reparaturmöglichkeiten und Lieferung von Ersatzteilen z. B.
durch Labels.
a) Geeignet ist jedenfalls die umgehende Entwick –
lung eines Kriterienkataloges für jede Gebrauchsgüter-Branche (von E- und
Sportgeräten über Werk- und Spielzeuge bis hin zu Möbel und Bekleidung),
der von den Anbieter_innen Angaben zu folgenden Kriterien verlangt:
–Mindestanteil an CE-kompatiblen Gütern (mindestens 50 % des Angebots),
wenn das nicht möglich ist, ist das zu begründen (bspw. Mangel an adäquaten
Produkten seitens der Hersteller_innen?);
–Preise und Wettbewerbsfähigkeit dieser Produkte (Nachhaltigkeit darf kein
Luxus sein!);
–Mindestlebensdauer der Gebrauchsgüter (dazu gibt es bereits eine Resolution
des EU-Binnenmarktausschusses), auf Basis des kumulierten Energieaufwan –
des (KEA, VDI 4600; VDI-Gesellschaft Energie und Umwelt, 2012) evtl. mittels
Angabe des energetischen Break-Even Points im Fall versprochener Effizienz –
steigerungen neuer Modelle. Dies wird derzeit schon auf EU-Ebene diskutiert;
–Verständliche Informationen zur kompetenten Nutzung/Einsatzbereich,
Zwischenlagerung, Wartung/Pflege der Güter, damit die Mindestlebensdauer
zumindest erreicht oder gar überschritten werden kann sowie zur Verfügbarkeit
von Ersatzteilen;
–Nutzungs- bzw. produktbegleitende Services zur Verlängerung der Nutzungs –
dauer (entweder vom Handel selbst oder gemeinsam mit lokalen bzw. regiona –
len Partner_innen anzubieten, Überbrückungslösungen im Fall von Reparaturen
usw.);
–Eigentumsersetzende Services (Leih- bzw. Mietsysteme, Nutzungsverträge/
Contracting );
–Informationspflicht zur Verfügbarkeit von Ersatzteilen jedenfalls für die
Mindestlebensdauer, besser noch darüber hinaus. (Angaben zur garantierten
Lebensdauer, Dauer der Ersatzteilverfügbarkeit, Wartungsbedingungen, Offen –
legung von Konstruktionsplänen und Verschleißteile);
–Informationen über potenzielle Neuerungen und Zeithorizonte neuer Model –
14
Optionen und Maßnahmenle, damit Konsument_innen selbst entscheiden können, ob sie ein vorhandenes
Produkt noch länger nutzen oder auf bspw. das übernächste Modell warten
wollen;
–Informationen über die Entsorgung der Produkte nach der dessen Nutzbarkeit;
–Forcierung des Designs und der Herstellung langlebiger und reparierbarer (z. B:
(i) neue Geschäftsmodelle wie Gehäuse zerstörungsfrei, werkzeuglos zu öffnen,
(ii) Standardisierte Größen und Formen.
Dieser Kriterienkatalog muss – im Sinn der Verhältnis –
mäßigkeit – zumindest für den stationären ebenso wie für den Onlinehandel mit
marktbeherrschender Größe gelten.
b) Für die Hersteller_innen folgt daraus die ver –
pflichtende Angabe der Mindestlebensdauer und des erwartbaren kumulierten
Energieaufwandes (KEA) (VDI-Gesellschaft Energie und Umwelt, 2012) für die Pro –
duktion sowie des Energiebedarfs für die Mindestnutzungsdauer und Entsorgungs –
prozesse, darüber hinaus auch Informationen zu Inhaltstoffen, zu Reparatur und zu
Ersatzteilen. Je mehr graue Energie für ein Produkt erforderlich ist, umso länger
muss das Produkt genutzt werden können. Gleichzeitig müssen Produkte, deren
Einsparungspotential während der Nutzungsphase nicht ausgeschöpft ist, umso
intensiver weiterentwickelt werden.
2. Maßnahmenbündel:
Ein systemisches Service-Angebot betreffend
(Dienstleister_innen und Infrastruktur), an Sha-
ring oder Caring (siehe weiter unten) orientiert
Die Produktlebenszeiten vieler Produktkategorien, von
der Haushaltsgeräteindustrie bis hin zur Elektronik und Bekleidung, haben sich im
Laufe der Zeit verringert. Neue zirkuläre Geschäftsmodelle müssen Strategien zur
Verlangsamung, Schließung und Verengung von Ressourcenkreisläufen beinhalten
und gleichzeitig ein besseres Leistungsversprechen als das lineare Modell bieten:
Attraktiver, bequemer und höherer Servicegrad. Die Ressourcenschonung besteht
also darin, Dienstleistungen statt Produkte zu nutzen. Durch den Verbleib des
Eigentums bei den Hersteller_innen wird davon ausgegangen, dass ein erhöhtes
Interesse an der Wiederverwendbarkeit, der Reparaturfreundlichkeit und einer
längeren Lebensdauer der Produkte besteht. Die Einführung von sogenannten
servitisierten Geschäftsmodellen, bei denen die Nutzung oder die Funktion eines
Produkts als Service anstelle des Produkts selbst verkauft wird, stellt somit einen
zentralen Aspekt für die Umsetzung einer Kreislaufwirtschaft dar.
a) Förderung und finanzielle Anreize, um Servitization und Dienstleistungen
zu fördern
–Förderung kommerzieller und nicht-kommerzieller
Geschäftsmodelle;
–Niedrigere Steuersätze für Dienstleistung
statt Produkt;
–Rücknahmepflicht von Produkten (z. B. im
gewerblichen Bereich);
–Einheitliche Abrechnungsmodelle schaffen;
–Regionalentwicklung und Flächenwidmung anpassen
(z. B. keine Parkgebühr für Leihautos);
–Förderung der Digitalisierung.
b) Entwicklung neuer Geschäftsmodelle
–Start-ups fördern;
–Verlängerung der Garantie- und
15
12_07 / Konsum von Gebrauchsgütern in einer Kreislaufwirtschaft: nachhaltig und transformativGewährleistungszeiten.
c) Klare Information zu Servitization und Dienstleistungen
–Vorbildwirkung bei öffentlichen Stellen;
–Ausbildungen anpassen;
–Verbände/Vereine gründen, unabhängige und
transparente Informationsplattformen schaffen.
Die Nutzungsdauer wird sich aber nur dann verlän –
gern, wenn es ausreichend geeignete Angebote für nutzungsbegleitende Services
gibt. Hierzu braucht es eine adäquate Infrastruktur und systemische
Service-Strukturen:
a) Verpflichtung zur Schaffung flächendeckender Rückgabe- und Weitergabe –
stellen entweder durch den Handel selbst oder durch regionale bzw. lokale
Kooperationspartner_innen (bspw. Klein-/Gewerbebetriebe, sozio-ökono –
mische Einrichtungen, Gemeinden zur Belebung von Leerständen, keine
Errichtung neuer Gebäude!)
b) Regelwerk zu den erforderlichen Serviceleistungen zu Dauer, Kosten und
ein zwischenzeitliches Ersatzgerät (bspw. maximale Dauer der Reparatur,
Kosten der Reparatur sollten die einer Neu-Anschaffung keinesfalls überstei –
gen, Informationen der Konsument_innen, Gewährleistungsdauer nach der
Reparatur usw.)
c) Verpflichtende Konzeption und Umsetzung von produktspezifischen oder pro –
duktübergreifenden Ersatzteilmanagementsystemen, die folgende Elemente
umfassen m üssen:
–intelligente Systeme für die physische und datenspezi –
fische Erfassung von Ersatzteilen für alle (auch ältere)
Gebrauchsgüter;
–adäquate Systeme für die Lagerung der Ersatzteile
durch Kooperation von Reparatur-, Zerlege- und Ent –
sorgungsbetrieben;
–Netz- und Regelwerk zur Qualitätskontrolle von
Ersatzteilen, zur Verfügbarkeit für Reparatur- und
Hochrüstungsbetriebe, (das verhindern soll, dass
Ersatzteile vorzeitig vernichtet werden, damit bspw.
Reparaturen verhindert bzw. verzögert werden usw.).
d) Entwicklung von Systemen zur zerstörungsfreien Qualitätsprüfung und Integ –
ration in das Angebot von produkt- bzw. nutzungsbegleitenden Services
–Mittels katalytischer Güter (bspw. könnte man, anstatt
das Öl im PKW zu wechseln, eine Analyse machen,
um die Verschmutzung zu messen und zu analysie –
ren – das hätte zwei Vorteile: fehlerhafter Abrieb wird
sichtbar und man müsste das Öl nicht wechseln, wenn
der Anteil an Schwebstoffen bzw. Partikeln unter
einem bestimmten Grenzwert ist);
–Mittels RFID-Chips (Dokumentation der Nutzung?),
Röntgen- oder Lasertechnologien.
e) Nachweisliche Implementierung von Konzepten zur Erhöhung des Anteils
gebrauchter Teile in der Produktions- und Vertriebskette von der Herstellung
über Assembler bis zum Handel und sonstige Serviceanbieter zur Steigerung
des Angebots an neuwertigen (statt neuen) Gütern (siehe dazu auch die ISO
TR 14062 (Quella, 2001; Quella & Schmidt, 2003), DIN EN ISO 14006:2011)
16
Optionen und Maßnahmenf) Zugang zu Reparaturanleitungen und Herstellungsunterlagen ( Open Source )
3. Maßnahmenbündel:
Die Konsument_innen direkt adressierend
Untersuchungen zu Erwartungen der Konsument_in –
nen in Bezug auf die Lebens- und Nutzungsdauer von Gebrauchsgütern deuten
auf eine geringe Relevanz der Lebensdauer bei Kaufentscheidungen hin. Die
Zufriedenheit mit der Lebensdauer von Gebrauchsgütern liegt bei ca. 85 % (Unter –
schiede abhängig von der Produktkategorie), wobei sich beim Kauf die negativen
Erfahrungen mit Produkten stärker auswirken als die positiven. Interessant ist
jedoch das Paradoxon zwischen höheren Anforderungen an die Produktlebensdau –
er und niedrigeren Erwartungen an die tatsächliche Nutzungsdauer. Beispielsweise
erwarten sich Konsument_innen beim Kauf eines Autos, dass dieses 15 Jahre lang
nutzbar ist, obwohl die tatsächliche Nutzung bei sieben Jahren liegt. Dies zeigt,
dass eine Verlängerung der Lebensdauer von Gebrauchsgütern in Kombination mit
einer garantierten längeren Funktionsfähigkeit gekoppelt sein muss. Es gilt also
mit geeigneten Maßnahmen Einfluss auf die beabsichtigte Nutzungsdauer zu neh –
men, hierzu gehört bspw., dass eine längere Funktionsfähigkeit (Mindestlebens –
dauer) und Kompatibilität mit Komplementärgütern gewährleistet werden (Cooper,
2018).
a) Bündelung, Förderung und Sichtbarmachung der Vielfalt an Beschaffungs –
praktiken , die – auch abseits vom Kauf neuer Produkte – beitragen, Bedürf –
nisse zu befriedigen. Alternative Beschaffungspraktiken umfassen Praktiken
bzw. Initiativen des Tauschens, Teilens, Reparierens, aber auch des selber
oder gemeinsam Machens. Das umfasst
–die Förderung und Bündelung von Informations- und
Angebots-Plattformen ( bewusstkaufen.at, fragneben –
an.at, Repair-Cafés , Gemeinschaftsgärten, teilen und
verleihen);
–Vermittlung dieser Praktiken in Schulen (reparieren,
kochen, handarbeiten, bspw. auch unter Nutzung digi –
taler Möglichkeiten. Siehe dazu die Querschnittsopti –
on Verbraucherbildung und Interventionen gemeinsam
mit SDG 4-Team oder Alternative Konsumformen und
Suffizienzlösungen gemeinsam mit SDG 8-Team);
–Uneingeschränkter Zugang zu Reparaturanleitungen
und Herstellungsunterlagen (Open Source ).
b) Steigerung der Produkt- und Nutzungskompetenzen
–Kampagne Produktqualität (was ist ein gutes
Produkt?) Da der Preis zwar für den Kauf und eine
längere Nutzung hochrelevant, aber kein Indiz für
hochwertige Produkte ist, wird eine entsprechen –
de Qualitätsoffensive vorgeschlagen, die nicht nur
die besten Produkte bewirbt3, sondern auch erklärt,
welche Kriterien zur Bewertung der Qualität eines
Produktes herangezogen werden können. Z.B. er –
forderliche/nicht erforderliche Funktionen, Sicherheit,
Fehleranfälligkeit, Ausfallwahrscheinlichkeit, Wartbar –
keit, Reparierbarkeit etc.-bspw. die Frage, ob Verbin –
dungen geklebt oder gesteckt sind und wie sich diese
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12_07 / Konsum von Gebrauchsgütern in einer Kreislaufwirtschaft: nachhaltig und transformativlösen lassen, um sowohl beim Kauf als auch in Bezug
auf Reparatur und Ersatzteile CE-adäquate Entschei –
dungen treffen zu können. Ziel dieser Kampagne muss
es sein, dass der Nutzen eines Produktes wichtiger ist
als dessen Neuheit.
–Kampagne kompetent nutzen (Was ist/sind Kern –
funktion/en? Wie ist die Ergebnisqualität? Wie sieht
die richtige Wartung aus? Welche Serviceintervalle?
Welche Rolle erfüllen elektronische Elemente? Sind
wirklich alle Features notwendig? Für welche Ziel –
gruppe? usw. Dabei muss es auch darum gehen, dass
Konsument_innen besser in der Lage sind, sich zwi –
schen Kaufen oder Nutzen zu entscheiden.
– Kaufen: Güter im Eigentum von Konsument_in –
nen: Informationen, wie Güter länger genutzt
werden können. (bspw. kompetente und achtsa –
me Nutzung, Wartung, Reparatur);
– Nutzen: Güter leihen/mieten oder teilen/sharen:
kein Eigentum ist dann sinnvoll, wenn Güter
bspw. sehr selten gebraucht werden, eine Tech –
nologie noch nicht ausgereift ist oder sich rasch
ändert und man immer auf dem neuesten Stand
sein will usw.
c) Steigerung der Bereitstellungskompetenzen (anstelle von Wegwerf- als
Entledigungspraktiken): In einer CE geht es vor allem um die möglichst
qualitätsvolle Bereitstellung von Gebrauchsgütern zur Wieder- oder Weiter –
verwendung. Der Fokus ruht auf der neuen Rolle der Konsument_innen als
Bereitsteller_innen wertvoller Güter, Komponenten, Ressourcen (ohne diese
Funktion lässt sich kaum einer der Kreisläufe schließen) und wie diese in die
Supply Chains verschiedener Akteur_innen (Reparaturbetriebe, Ersatzteilma –
nager_innen, Hersteller_innen, Assembler etc.) integriert werden könnten.
Paket kompetentes Bereitstellen: Anreize für Kon –
sument_innen, damit diese gebrauchten Güter in möglichst hochwertigem Zustand
einer weiteren Nutzung zur Verfügung stellen – sei es als funktionstüchtiges, oder
wieder reparierbares Gut oder für die Nutzung der Komponenten als Ersatzteile.
Dieses Paket ist (gemeinsam mit der zerstörungsfreien Qualitätskontrolle, siehe
zweites Maßnahmenbündel) zentralstes Element einer CE: Maßnahmenbündel zur
Änderung der Entledigungspraktiken dahingehend, dass die gebrauchten Güter
nach der Nutzung möglichst hochwertig bereitgestellt werden für eine weitere Ver –
wendung des Produktes oder seiner Komponenten (bspw. als Ersatzteile), Konsum
im Sinn von Versorgung von Supply Chains.
4. Maßnahmenbündel: bezogen auf normative und
rechtliche Rahmenbedingungen zur Unterstützung CE-orientierter Konsum –
praktiken
Diese Maßnahmen zielen auf alle drei Formen der
relativen Produktalterung (siehe oben) ab und beruhen zu einem großen Teil auf
bereits länger geforderten Maßnahmen des Verbraucherschutzes.
183 Bspw. https://www.topprodukte.at/, https://www.labelinfo.ch/de/labels?&id=176, https://www.
ecotopten.de/
Optionen und Maßnahmena) Folgende Maßnahmen rechtlicher Art zur Verlängerung der Lebensdauer von
Produkten, Komponenten, Zubehör und Ersatzteilen, zur Gewährleistung
von Funktionstauglichkeit und Reparierbarkeit sowie Langlebigkeit werden
empfohlen:
–Haftung des Handels für fehlende oder mangelhafte
nutzungsbegleitende Services;
–Längere Gewährleistungsfristen;
–Verlängerung der Beweislastumkehr auf 2 Jahre;
–Für den Kauf: statt einer Neuheitsgarantie eine Neu –
wertigkeitsgarantie (basierend auf ISO TR 14062,
siehe oben), für Reparaturen: eine Funktionsgarantie;
–Recht auf Reparatur (Unterstützung der Resolution
des EU-Binnenmarktausschusses);
–Einführung einer garantierten Mindestlebens- und
nutzungsdauer von Produkten;
–Einführung einer Mindestverfügbarkeitsdauer für Er –
satzteile und Komponenten sowie Komplementärgüter;
–Rechtliche Sanktionen für Maßnahmen, die die Er –
satzanschaffungsintervalle künstlich verkürzen, die
eine Reparatur oder Hochrüstung erschweren oder
gar verhindern;
–Haftung der Hersteller_innen für fehlende oder man –
gelhafte Produktinformationen hinsichtlich Energie –
aufwand, Bauweise (Bauplan) und Tools für allfällige
Reparaturen (Eignung für Standardwerkzeuge);
–Verbot der Vernichtung/Zerstörung nicht verkaufter
Produkte (evtl. auch durch die Konzeption eines Ei –
gentumsverständnisses, das am germanischen Recht
orientiert ist: Dieses verpflichtete zur pfleglichen
Nutzung von Eigentum (im Sinne von Patrimonium),
das heißt Eigentum darf nicht zerstört werden. Das
derzeitige Eigentumsrecht (im Sinne von Dominium)
hingegen zählt die Zerstörung von Gütern auch zu den
Verfügungs- bzw. Herrschaftsrechten, die mit Eigen –
tum einhergehen (Minsch, 1996);
–Erfassung des Güterbestandes in den Haushalten
auch in der volkswirtschaftlichen Statistik (bspw. in
Stück, Alter, Wert), siehe dazu auch den entstehenden
Konsummonitor der AK Wien gemeinsam mit der Uni –
versität Wien (Tröger & Paulinger, 2021) als Daten –
grundlage für weitere Maßnahmen.
b) Maßnahmen, die dazu beitragen, dass funktionstüchtige bzw. reparierbare
Güter nicht vorzeitig zu Abfall werden, sondern länger genutzt werden, be –
treffen Prozesse und Phänomene rund um die Entstehung und Vernichtung
der (auch symbolischen) Bedeutung und Relevanz von Gütern . Zusätzlich
zu den produktbezogenen Maßnahmen braucht es daher auch Rahmenbe –
dingungen, um Werbepraktiken und Anreizsystemen, die die Nutzungsdauer
verkürzen, zu begrenzen bzw. ganz zu verhindern, beispielsweise:
–Maßnahmen gegen Werbepraktiken, die dazu führen,
dass die Erwartungen an die Lebensdauer von Gütern
sinken bzw. die dazu führen, kurze Produktnutzungs –
19
12_07 / Konsum von Gebrauchsgütern in einer Kreislaufwirtschaft: nachhaltig und transformativdauern als gesellschaftliche Normalität zu erachten;
–Maßnahmen gegen Anreizsysteme, die dazu beitra –
gen, die Nutzungsdauer von Produkten zu verkürzen
(bspw. neues Handy bei Vertragsverlängerung);
–Maßnahmen, die zur ständigen Hochrüstung von Gü –
tern zwingen (Apps, Updates) – evtl. als Vorschrift;
–Der Werberat sollte Fehlentwicklungen und Missbräu –
che durch Werbung verhindern und künftig verstärkt
auf irreführende Werbung in Bezug auf Gebrauchsgü –
ter und allfälliger ökologischer oder soziale Nachteile
achten. Umgekehrt könnte der Werberat einen Krite –
rienkatalog entwickeln, wie Werbung Konsumprakti –
ken im Sinn von CE und Nachhaltigkeit fördern kann
(Österreichischer Werberat, 2020).
Da viele Konsument_innen einen Großteil der Anwen –
dungen, die ein Produkt bietet, nicht nutzen, diese Anwendungen aber Kapazitäten
brauchen und auch zur Fehleranfälligkeit von Gütern führen können, wird vorge –
schlagen, dass für jede Produktgruppe zumindest ein Lean Article – also ein Arti –
kel angeboten wird, der nur jene für die Standardnutzung notwendigen Funktionen
bietet – und allenfalls ohne fehler-/verschlei ßanfällige Teile auskommt (z. B. Akkus,
Komponenten mit geringer Standfestigkeit). Dazu gehören auch die Voreinstellun –
gen im Sinn von ressourcenschonenden Nutzungsformen usw.
5. Maßnahmenbündel:
zur Förderung von an CE ausgerichteten Ge –
schäftsmodellen und damit zur Änderung der
Wirtschaftsform im Sinn einer Bestandsbewirt –
schaftung
Konsum, der zu einer umfassenden Realisierung
einer CE führt, geht nur dann über das Engagement Einzelner (Konsument_innen,
Unternehmen, Initiativen, Regionen) und über Nischen hinaus, wenn entsprechend
attraktive Geschäftsmodelle und – mindestens genauso wichtig – eine attraktive
Infrastruktur (systemisch und flächendeckend, attraktive Rücknahme- und Abhol –
zeiten usw.), die entsprechende Handlungspraktiken der Konsument_innen unter –
stützen.
Geschäftsmodelle sind auf der Ebene der Typ IV-Inno –
vationen (siehe Targetbeschreibung 12.8, Abb. T_12.8_01) zu verorten. Derartige
Geschäftsmodelle sind gewissermaßen ein Sandwich zwischen zwei Märkten
und hängen vom Preisgefüge und den Rahmenbedingungen von folgenden zwei
sehr unterschiedlichen Märkten ab:
–dem Entsorgungsmarkt (alternative – evtl. günstigere – abfallwirtschaftliche
Verfahren) und
–dem Neuprodukte-Markt (z. B. billigere Neuprodukte, schlechtes Image ge –
brauchter oder aufbereiteter Produkte).
Unter den aktuellen Rahmenbedingungen sind an
Güter- und Komponentenkreisläufen ausgerichtete Geschäftsmodelle kaum wettbe –
werbsfähig.
a) Es braucht daher Maßnahmen, die das Kosten- und Preisgefüge so verän –
dern, dass die Wettbewerbsfähigkeit von an CE orientierten Geschäftsmodel –
len erhöht wird. Hierzu zählen:
20
Optionen und Maßnahmen –steuerliche Entlastung der Lohn- bzw. Arbeitskosten,
Belastung von Primärressourcen und Energieeinsatz,
der auf nicht erneuerbaren Rohstoffen beruht;
–Maßnahmen zur Steigerung der Kostentransparenz
entlang der gesamten Supply Chain inklusive der
Transportkostenwahrheit;
–Die Kosten für eine Reparatur sollen attraktiv im Ver –
gleich zu einem Ersatzkauf sein;
–Förderungen von Reparaturdienstleistungen, Tausch –
geschäften, oder Demontagebetrieben (direkte Förde –
rung oder steuerliche Absetzbarkeit von Reparaturen);
–Gebrauchte Ersatzteile müssen zugänglich sein und
Hersteller_innengarantien müssen auch für deren
Mindestlebensdauer gelten;
–Die Entsorgungswirtschaft muss Geräte nachweis –
lich auf ihre Zerlegbarkeit hin überprüfen und nur im
Fall der Nicht-Zerlegbarkeit sind als Abfälle entsorgte
Güter weiterhin als Abfall zu behandeln (Shreddern,
Verbrennen o. Ä.);
–Die Vernichtung von funktionstauglichen Gütern muss
verboten werden (dies betrifft vermutlich vor allem
auch den Onlinehandel).
b) Weiters braucht es Maßnahmen, die Anreize schaffen, um die Erhaltung von
Werten (statt deren Vernichtung) wirtschaftlich zu belohnen.
–Unternehmen sollen Förderungen der öffentlichen
Hand (Innovations-, Technologie- oder sonstige
Förderungen) nur dann erhalten, wenn sie darlegen
können, wie sie künftig zu einer CE bzw. zu einem an
CE ausgerichteten Konsum beitragen;
–Entwicklung eines Geschäftsmodelle-Checks, der
bestehenden Unternehmen und auch sich neu
gründenden Unternehmen bzw. Initiativen hilft, ihren
Beitrag zu einer CE selbst zu prüfen bzw. zu einer der
Entscheidungsgrundlagen der fördernden Stelle wird.
Grundüberlegungen für Kriterien siehe den nachste –
henden Exkurs;
–Förderung der Anschaffung von Gebrauchtgeräten (öf –
fentliche Einrichtungen verpflichten sich, Gebraucht –
güter anzuschaffen, Entwicklung eines Leitfadens,
um Reparaturbesser in die öffentliche Beschaffung
einzugliedern).
Exkurs: CE-orientierte Geschäftsmodelle
An die CE ausgerichtete Geschäftsmodelle tragen zur
Wertschöpfung durch die Erhaltung von Ressourcen bei, während die beiden
o. a. umgebenden Märkte nach dem Prinzip Wertschöpfung durch Transfor –
mation von Ressourcen eher zu linearen, an möglichst hohen und schnellen
Güterdurchfl üssen orientierten, Wirtschaftsformen beitragen. Die Ausformung CE-
orientierter Geschäftsmodelle hängt von den jeweiligen Schleifen ( Loops ) ab, die
adressiert werden. Folgende Schleifen lassen sich unterscheiden:
–ReUse: Wiederverwendung/Wiederbefüllung : Geschäftsmodelle müssen
Services umfassen zur Qualitätserhaltung (Wartung, Reinigung) aber auch
21
12_07 / Konsum von Gebrauchsgütern in einer Kreislaufwirtschaft: nachhaltig und transformativFüllstationen, Leihe/Miete/ Sharing , (inklusive Administration) und auch so ge –
nannte Zweitmärkte) von Gütern und Komponenten;
–RePair: Reparatur, Hochrüstung (Services zur Wiederherstellung oder Ver –
besserung der Funktionen, zur Qualitätsprüfung von Gebrauchtgütern und
Komponenten/Ersatzteilen);
–Re-Manufacture: Aufbereitung (Services: Reprocessing , Remanufacturing ) im
Sinn des Prinzips as good as new von Gütern und Komponenten bzw. (Ersatz-)
Teilemanagement.
Die zentrale Frage von Geschäftsmodellen zur För –
derung dieser Loops und damit einer CE ist daher, wer Interesse an der Wert –
erhaltung und längeren Nutzung von Gebrauchsgütern hat. Dies hängt eng mit
dem Rechtsverhältnis zum Gut (Leihe, Miete oder Eigentum des_der Nutzer_in?)
zusammen. Die rechtlichen Folgen im Zusammenhang mit dem Verkauf oder Ver –
mieten eines Gutes haben verschiedene Auswirkungen auf das Interesse an der
Werterhaltung von Gütern.
–Verkauf von Gütern: Reine am (Ver-)Kauf von Gütern (Eigentumsübergang) orien –
tierte Geschäftsmodelle bieten Profitmöglichkeit nur Moment des Verkaufs. Die –
se Geschäftsmodelle funktionieren daher nach der Logik, möglichst viel Güter
zu verkaufen, Strategien der Werterhaltung vermindern die Umsatzchancen;
–Verkauf von Services: Am Verkauf von Services (kein Eigentumsübergang)
orientierte Geschäftsmodelle hingegen bieten Anbieter_innen von Services (wie
bspw. Miete, Leihe, Sharing ebenso wie Reparatur und Ersatzteilmanager_in –
nen) Profitmöglichkeiten über die gesamte Nutzungs- bzw. Lebensdauer von
Gütern. Strategien zur Werterhaltung erhöhen zudem die Profitmöglichkeiten;
–Geschäftsmodelle, die Nutzenstiftungen bzw. Lösungen (bedarfs- bzw. versor –
gungsorientiert, wie bspw. saubere Wäsche, Wärme, Solarnutzung, Contracting ,
Leasing ), anbieten, beruhen überhaupt auf dem Prinzip robuster und langlebiger
Güter, die im Eigentum des_der Serviceanbieter_innen oder überhaupt des_der
Hersteller_innen verbleiben.
Die Frage ist daher, wer Interesse an der (Wert-)Erhal –
tung oder -Verbesserung von Gütern hat: Nutzer_in-Eigentümer_in (Konsument_in,
Haushalt) oder Service-Anbieter_in (bspw. Handel, Reparaturanbieter_in, Entsor –
ger_in)? Auf Basis einer Analyse von Fallbeispielen wurden in einem Projekt im
Rahmen der Programmlinie nachhaltig wirtschaften des österreichischen Techno –
logie-Ministeriums drei primäre unterschiedliche Geschäftsmodelle herausgearbei –
tet (Hübner, Himpelmann, Melnitzky, Stahel & Hübner, 2006).
–Typ 1 selling a good : Verkauf von an CE ausgerichteten Gütern nach dem
Prinzip der Neuwertigkeit ( as good as new ) statt der Neuheit, produktorientiert
(Eigentumsübergang vom Anbieter_innen an Nutzer_innen);
–Typ 2 selling a service : Verkauf von an CE ausgerichteten Services nach dem
Expertisen-Prinzip (Produkt- und Reparaturexpertise), service-orientiert (kein
Eigentumsübergang von Dienstleister_innen an die Nutzer_innen);
–Typ 3 selling a function : Verkauf von Lösungen nach dem Prinzip von Funk –
tionen, bestands-orientiert (kein Eigentumsübergang an die Nutzer_innen, wie
bspw. beim Flottenmanagement).
Im Idealfall ergänzen sich diese drei Typen gegensei –
tig und alle drei sind dann erfolgreich, wenn der Güterbestand aus hochwertigen,
zerlegbaren Gütern und Komponenten besteht, da daraus in der Folge auch Spen –
dergüter bzw. Ersatzteile generiert werden können.
Hinzu kommen sekundäre Geschäftsmodelle, die die –
se drei primären Typen vor allem im Bereich des privaten Konsums unterstützen.
22
Optionen und Maßnahmen Typ 4 selling logistics : Der Erfolg CE-orientierter Geschäftsmodelle im Bereich
des privaten Konsums basiert aber vor allem auf adäquaten Logistikdienstleis –
tungen , also darauf, wie gut die sogenannte letzte Meile bedient wird (Redistri –
butionslogistik). Dabei geht es darum, den Konsument_innen das Praktizieren
möglichst CE-gerechter Handlungsmuster zu erleichtern (keine allzu weiten Wege,
keine zu langen Wartezeiten, keine zu hohen Kosten, siehe dazu auch Infrastruktur
und systemische Dienstleistungen weiter oben, Maßnahmenbündel 2) und so die
zu reparierenden, hochzurüstenden, prüfenden, zerlegenden Gebrauchsgüter zu
kritischen Mengen zu bündeln und so die Wirtschaftlichkeit von CE-orientierten
Geschäftsmodellen zu erhöhen. Es ist daher naheliegend, dass für den Bereich der
Redistributionslogistik weitere Geschäftsmodelle entstehen, die auch von bereits
involvierten Akteur_innengruppen angeboten werden ( Sharing , Entsorgungsbetrie –
be, Repair -Cafés, Zerlegebetriebe, sozio-öknomische Betriebe usw.).
–Durch die Digitalisierung kommen noch weitere Typen sekundärer Geschäfts –
modelle dazu: Typ 5 selling options via platforms : Plattformen zur Vernet –
zung der Bedarfe der jeweiligen Akteur_innen. Dadurch können Interaktionen
zwischen allen Akteur_innen entstehen, also bspw. auch C2C, C2B.
–Typ 6 selling monitoring : zerstörungsfreie Qualitätskontrollen können beitragen,
die Funktionstauglichkeit und künftige Nutzungsdauer von Gütern und Kom –
ponenten abzuschätzen. Zusätzlich können sie auch als Grundlage für die Be –
urteilung der Sinnhaftigkeit von Reparaturen und Gewährleistungsansprüchen
als auch zur Vertrauensbildung herangezogen werden.
Exkurs Ende
c) Wesentliche Begleitmaßnahmen betreffen die Entwicklung produkt- bzw.
nutzungsbegleitender Kompetenzen, das heißt Bildung und Weiterbildung im
Bereich
–Des Handels: Handelsangestellte sollten mehr Pro –
dukt- und Service- Know-How haben, als einfach nur
möglichst viele Produkte verkaufen zu können);
–Des Designs und der technischen Berufe: Designer_
innen und Ingenieur_innen sollen Güter nicht obsoles –
zenz-gerecht designen (Krajewski, 2014) sondern mit
Blick auf Ersatzteilmanagement, (professionelle) War –
tung (Intervalle, Kosten?) und kompetente Nutzung.
12_7.3.2 Erwartete Wirkungsweise
Der nachhaltige und transformative Konsum von Ge –
brauchsgütern birgt ein erhebliches Ressourceneinsparpotenzial in sich, denn
durch die Verlängerung der Nutzungsdauer von Produkten werden Ressourcen für
die Produktion von Substitutionsprodukten eingespart, gleichzeitig werden die bis –
herigen Konsumfunktionen erhalten.

Mit den beschriebenen Maßnahmenbündeln wird folgendes bezweckt:
–Steigerung von gewerblichen Serviceangeboten (B2C) ebenso wie von privaten
Initiativen (C2C), die die längere und intensivere Nutzung unterstützen bzw. er –
möglichen;
–Steigerung bzw. Entwicklung und Umsetzung von Konzepten zur Bestandsbe –
wirtschaftung;
–Nutzung von leerstehenden Geschäftsräumen für attraktive produkt- bzw. nut –
zungsbegleitende Serviceangebote (auch der Rücknahme und Abhol-Services)
vor Ort zur Schaffung einer geeigneten Infrastruktur.
23
12_07 / Konsum von Gebrauchsgütern in einer Kreislaufwirtschaft: nachhaltig und transformativDie Umsetzung dieser Option trägt zur Umsetzung
einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft bei. In Österreich werden die Kompe –
tenzen aller Menschen im Bezug zu Konsumverhalten nachhaltig ausgerichtet und
führen zu einem transformativen Wandel im Konsumverhalten. Neben der Kompe –
tenzsteigerung führt ein nachhaltiges Angebot von nachhaltigen, reparierbaren und
nutzungsfreundlichen Produkten und Dienstleistungen zu einer ressourcenscho –
nenden Umwelt. Siehe Abb. O_12-07_03.
24
Abb. O_12-07_03:
Produktlebensdauer und
nachhaltiger Konsum. Quelle:
Cooper (2005). // Fig. O_12-07_03: Product
life spans and sustainable
consumption. Source: Cooper
(2005).
Optionen und Maßnahmen25Durch neue Geschäftsmodelle rund um Service-,
Logistik- und Reparaturdienstleistungen können bestehende Unternehmen ihre
Geschäftsfelder erweitern und/oder neue Unternehmen und Initiativen neue Märkte
aufbauen und dort erfolgreich sein. Dieser Fokus auf Langlebigkeit, Wiedernutz –
barkeit, Reparierbarkeit und Ersatzteile inklusive der sekundären technologieorien –
tierten Geschäftsmodelle steigert die innovative Kraft österreichischer Unterneh –
men. Weiters wird durch die Umsetzung der Option folgender Impact forciert:
–Die nachhaltigen Angebote des Handles werden gesteigert;
–Die Lebens- und Nutzungsdauer von Produkten wird erhöht;
–Die Kreislaufwirtschaft wird gestärkt und Lücken werden geschlossen;
–Der Ressourcenverbrauch wird gesenkt;
–Das handwerkliche Geschick wird in einer frühen Phase der
Entwicklung gefördert;
–Durch Werbung wird nachhaltige Bildung und das Bewusstsein von allen geför –
dert und sie bewirkt ferner einen verstärkten Impuls;
–Erhöhung der Bereitstellung nicht mehr gebrauchter Güter in möglichst hoher
Qualität und für weitere Verwendungsmöglichkeiten;
–Erhöhung des Angebots und die Inanspruchnahme von
Reparaturdiensleistungen;
–Erhöhung des Anteils wiederverwendeter Produkte;
–Soft Factor : vom Denken in Abfall und Entledigung hin zur Entwicklung von Be –
reitstellungspraktiken und entsprechend förderlicher Infrastruktur;
–Das Bewusstsein der Bevölkerung über das eigene individuelle Konsumverhalten
wird gestärkt.
In Zusammenhang mit der Verlängerung der Produkt –
nutzungsdauer und -intensität werden ökologische und ökonomische Wirkungen
durch die erhöhte Ressourceneffizienz sichtbar. Die Wiederverwendung des
Produktes führt zu einer effizienteren Nutzung der eingesetzten Ressourcen. In
zahlreichen Bereichen lassen sich Vorteile erzielen. Neue Geschäftsmöglichkeiten
führen zu Wirtschaftswachstum und schaffen Arbeitsplätze. Baubranche, Manage –
ment von Ökosystemen und Ressourcen, erneuerbare Energien, Umweltindustrie
und Recycling verfügen über ein besonders hohes Potenzial für Beschäftigungs –
wachstum. Die wirtschaftliche Stabilität wird zunehmen, da Ressourceneffizienz
bei kritischen Ressourcen die Versorgungssicherheit erhöht und die Preisvolatilität
verringert (EC, 2011).
Die Umsetzung der vorgeschlagenen Maßnahmen
erfordert jedoch im Sinne der Maximierung von Ressourceneffizienzzielen eine
Reihe von Anpassungen etablierter Vorgehensweisen (Wilts et al., 2016). Es zeigt
sich auch, dass in Ländern mit einer gut etablierten Abfallwirtschaft wie Österreich
das Abfallregime oft eine zu günstige Alternative bietet und damit selbst zu einem
Hemmnis zur Förderung der Abfallwirtschaft wird (Wilts et al. 2016).
12_7.3.3 Bisherige Erfahrungen mit dieser Option
oder ähnlichen Optionen
Sharing: Infolge der Digitalisierung übernehmen die
Konsument_innen zunehmend neue Rollen und werden Anbieter_innen (bspw.
Airbnb , Uber , solidarische Landwirtschaft) oder organisieren Lösungen selbst
(bspw. Nachbarschaftshilfe fragnebenan.at , Repair -Cafés, Tauschbörsen Kleider –
kreisel , Geschenkefeste usw.), sodass die Grenzen zwischen gewerblichen und
privaten Lösungen zunehmend verwischt werden (C2C, C2B).
Reparatur und Hochrüstung: Es müssen vor allem
12_07 / Konsum von Gebrauchsgütern in einer Kreislaufwirtschaft: nachhaltig und transformativ26Reparaturanleitungen, Instandhaltungs- und Pflegeinformationen von den Herstel –
ler_innen an die Konsument_innen weitergegeben werden, in vielen Fällen fehlen
den Konsument_innen diese Informationen, zum Teil, weil Hersteller_innen diese
Angaben nicht herausgeben. Diese Lücken schließen derzeit nur engagierte Non-
Profit-Organisationen, wie z. B. iFixit , die Reparaturanleitungen für viele Produkte
ins Internet stellen.
Beispiele für Initiativen:
–Repair -Cafés;
–Ö-Norm Reparaturzertifikat;
–Reparaturnetzwerke;
–RUSZ-Ersatzteilesystem;
–Bewusst kaufen.
Beispiele für Güter und CE-orientierte Hersteller_innenangebote:
–Victorinox-Taschenmesser;
–GEA und Waldviertlerschuhe;
–Bialetti italienische Espressomaschine;
–Dyson oder Nilfisk;
–Hewlett Packard;
–Fairphone;
–Festool;
–Tefal;
–Vaude.
Verbesserung der strukturellen Rahmenbedingungen
für Reparaturen wurden und werden durch finanzielle Anreize gefördert:
Direkte Förderungen von Reparaturdienstleistungen im Land Oberösterreich und
der Stadt Graz mit sogenannten Reparaturschecks.
Die Mehrwertsteuer auf Reparaturkosten für Fahrräder, Schuhe, Kleidung und
Heimtextilien sind in Schweden von 25 % auf 12 % gesenkt und bei Reparaturen
von großen Haushaltgeräten sind bis zu 50 % der Arbeitszeit absetzbar.
12_7.3.4 Zeithorizont der Wirksamkeit
Die zeitliche Wirksamkeit der o. a. Maßnahmenbündel
ist je nach Maßnahme unterschiedlich. Außerdem hängen manche Maßnahmen
von der Umsetzung anderer ab. Daher wird die Fristigkeit der einzelnen Maßnah –
men nun nach deren Start der Umsetzung gereiht und auf allfällige Abhängigkeiten
von bzw. Wechselwirkungen mit anderen Maßnahmen verwiesen. Für ein besseres
Verständnis der zeitlichen Wirksamkeit der einzelnen Maßnahmen sind diese noch –
mals zusammenfassend aufgeführt.
1. Maßnahmenbündel:
Kauf und Handel: Erarbeiten eines CE-Kriterienkataloges für
Handelsbetriebe, verbindlich für marktbeherrschende Unternehmen
a) Entwicklung eines Kriterienkataloges
b) Verpflichtende Angabe der Mindestlebensdauer für Hersteller_innen und
des erwartenden Kumulierten Energieaufwandes
Optionen und Maßnahmen2. Maßnahmenbündel:
ein systemisches Service-Angebot betreffend
(Dienstleister_innen und Infrastruktur), an Sha-
ring oder Caring (siehe weiter unten) orientiert
a) Förderung und finanzielle Anreize, um Servitization und Dienstleistungen
fördern
b) Entwicklung neuer Geschäftsmodelle
c) Klare Information zu Servitization und Dienstleistungen
3. Maßnahmenbündel:
die Konsument_innen direkt adressierend
a) Bündelung, Förderung und Sichtbarmachung der Vielfalt an Beschaffungs –
praktiken
b) Steigerung der Produkt- und Nutzungskompetenzen
c) Steigerung der Bereitstellungskompetenzen
4. Maßnahmenbündel:
bezogen auf normative und rechtliche Rahmenbedingungen zur Unterstüt –
zung CE-orientierter Konsumpraktiken
a) Maßnahmen rechtlicher Art zur Verlängerung der Lebensdauer von Produk –
ten, Komponenten, Zubehör und Ersatzteilen, zur Gewährleistung von Funk –
tionstauglichkeit und Reparierbarkeit sowie Langlebigkeit werden empfohlen.
b) Maßnahmen, die dazu beitragen, dass funktionstüchtige bzw. reparierbare
Güter nicht vorzeitig zu Abfall werden, sondern länger genutzt werden, be –
treffen Prozesse und Phänomene rund um die Entstehung und Vernichtung
der (auch symbolischen) Bedeutung und Relevanz von Gütern .
5. Maßnahmenbündel:
zur Förderung von an CE ausgerichteten Ge –
schäftsmodellen und damit zur Änderung der
Wirtschaftsform im Sinn einer Bestandsbewirt –
schaftung
a) Es braucht Maßnahmen, die das Kosten- und Preisgefüge so verändern,
dass die Wettbewerbsfähigkeit von an CE orientierten Geschäftsmodellen
erhöht wird.
b) Weiters braucht es Maßnahmen, die Anreize schaffen, dass die Erhaltung
von Werten (statt deren Vernichtung) wirtschaftlich belohnt wird.
c) Wesentliche Begleitmaßnahmen betreffen die Entwicklung produkt- bzw.
nutzungsbegleitender Kompetenzen, das heißt Bildung und Weiterbildung in
zweierlei Bereichen.
Die Maßnahme 1a Entwicklung eines Kriterienkata –
loges lässt sich recht kurzfristig etablieren und stellt die Grundlage der weiteren
Maßnahmen dar. Die beschriebenen Kriterien sind lassen sich im Detail innerhalb
von zwei Jahren ausarbeiten. Die zeitliche Wirksamkeit der Maßnahme 1b Ver-
pflichtende Angabe der Mindestlebensdauer für Hersteller und des zu erwartenden
Kumulierten Energieaufwandes lässt sicher eher kurz- bis mittelfristig etablieren,
da ein zeitlicher Mehraufwand für die Datenerhebung vonnöten ist und sich der
Effekt auf den Konsument_innen erst mittelfristig entwickelt.
Ebenfalls kurzfristig wirksam sind die Maßnahmen
2a, 2e und 2f. Die Schaffung von Rückgabe- und Weitergabestellen, die Anteils –
erhöhung von Gebrauchtteilen sowie der Zugang zu Reparaturanleitungen lassen
sich schnell umsetzen und erzielen somit eine schnelle Wirkung. Bei den Maßnah –
men 2b, 2c, und 2d bedarf es eine längere Vorbereitung, da die Entwicklung eines
Regelwerkes von Serviceleistungen, die Umsetzung eines Ersatzteilmanagements
27
12_07 / Konsum von Gebrauchsgütern in einer Kreislaufwirtschaft: nachhaltig und transformativsowie einer zerstörungsfreien Qualitätsprüfung einen rechtlichen und investiven
Aufwand benötigt und somit erst mittelfristig wirksam wird.
Die Maßnahmen 3a bis 3c erreichen ihre Wirksam –
keit kurz- bis mittelfristig. Dies ist damit begründet, dass einerseits vorhandene
Systeme in Bezug auf Beschaffungspraktiken bestehen und diese lediglich
adaptiert werden müssen und andererseits benötigen Kompetenzsteigerungen
aller Akteur_innen eine gewisse Zeit, bis diese sinnvoll angewendet werden
können.
Die zeitliche Wirksamkeit vom Maßnahmenbündel
4 Maßnahmen bezogen auf normative und rechtliche Rahmenbedingungen zur
Unterstützung CE orientierter Konsumpraktiken ist eher mittelfristig einzuschät –
zen, da rechtliche Umsetzungen zwar schnell möglich sind, meist jedoch auf
eine längere politische Vorlaufzeit erfordern.
Das fünfte und letzte Maßnahmenbündel, welche
sich mit CE-ausgerichteten Geschäftsmodellen und Wirtschaftsformen beschäf –
tigt, benötigt eher einen mittelfristigen Zeithorizont der Wirksamkeit. Einige
wenige Geschäftsmodelle lassen sich recht schnell umsetzten. Für die große
Mehrheit bedarf es einen hohen Grad der Umsetzung der CE sowie rechtliche
Grundlage und zeitliche Anpassung der Wirtschaft.
12_7.3.5 Vergleich mit anderen Optionen, mit
denen das Ziel erreicht werden kann
Die Optionenbeschreibung baut auf Forschungs –
arbeiten zu folgenden Bereichen auf:
a) Konzept der grauen Energie ( embodied energy , siehe Targetbeschreibung
12.8 sowie insbesondere Costanza 1980), insbesondere des energetischen
Break-even bzw. der energetischen Amortisationszeit von Effizienzsteigerun –
gen energiebetriebener Güter;
b) Forschung zum Umgang mit Gebrauchsgütern im Sinn einer Bestandsbe –
wirtschaftung wie bspw. Loop bzw. Lake Economy (siehe dazu Projekte zu
Rückführ- und Reparaturlogistik wie bspw. ReproFab 2005, FUTURE – From
Use to Use by Redistribution (Hübner et al., 2007) im Rahmen der BMVIT-
Schwerpunkte Fabrik bzw. Produkt der Zukunft , Arbeiten zu Obsoleszenz
und Nutzungsdauer von Produkten gemeinsam mit der AK Wien, usw.)
c) Theoretische Zugänge zu Konsum auf Basis einer kritischen Verbraucher –
forschung wie sie im Rahmen des Netzwerks Konsum neu denken vertreten
wird (siehe dazu u. a. die Buchreihe bei Springer). Dies betrifft insbesondere
das Verständnis von Konsum als soziale Praktiken, ein emanzipatorisches
Konzept der Verbraucher_innen und darauf aufbauend geeignete Interven –
tionen (Hübner, 2017).
12_7.3.6 Interaktionen mit anderen Optionen
Die in dieser Option beschriebenen Maßnahmen
sind gezielt auf Verbraucher_innen und Handel gerichtet. Die Thematik nach –
haltiger Konsum sowie der breite Umfang der Maßnahmen betreffen im Großen
und Ganzen die Gesellschaft an sich. Daher finden Interaktionen mit ande –
ren Optionen aus vielen SDGs statt. Dies betrifft vor allem das SDG 1 (Keine
Armut), das SDG 2 (Kein Hunger), das SDG 4 (Hochwertige Bildung), das SDG
5 (Geschlechtergleichheit), das SDG 8 (Menschenwürdige Arbeit und Wirt –
28
Optionen und Maßnahmen29schaftswachstum), das SDG 9 (Industrie, Innovation und Infrastruktur), das SDG
12 (Nachhaltige/r Konsum und Produktion), und das SDG 13 (Maßnahmen zum
Klimaschutz).
12_7.3.7 Offene Forschungsfragen
Die Verantwortung, Rollen und Aufgaben des Handels
sollten in Bezug auf eine CE unbedingt stärker er- bzw. beforscht werden. Der
Handel mit seiner Gatekeeper-Funktion spielt eine entscheidende Rolle, in Bezug
auf die Umsetzung einer CE. Seit Jahren verstärkt sich der Eindruck, dass der
Handel vieles ablehnt, was zu einer CE beitragen würde (bspw. Mehrwegsysteme,
Einwegpfand, Reparaturservices, Ersatzteile, Garantien, Nutzungs-Beratungen
uvam …). Allerdings gibt es gerade dank der Digitalisierung zunehmend mehr Mög –
lichkeiten, direkt bei Hersteller_innen einzukaufen. Wer braucht dann noch den
Handel? Weiterer Forschungsbedarf ist auch notwendig, um die Wirkmechanismen
von CO2-Steuern u. Ä. auf das Verbraucher_innenverhalten zu verstehen.
Angesichts der vielfältigen Prozesse und Entscheidun –
gen, die mit dem Gebrauch und auch der Entledigung von Gütern verbunden sind,
wäre es wichtig, Konsumhandeln auch abseits von Kaufakten bzw. marktökonomi –
schen Paradigmen in den Blick zu nehmen und Konzepte zu entwickeln, wie deren
Potenzial im Sinn der Nachhaltigkeit nutzbar gemacht werden könnte.
–Auch marktfernes Verbraucher_innenhandeln in den Blick der Verbraucher_in –
nenforschung zu nehmen ist übrigens nicht nur aus Sicht einer nachhaltigen
Entwicklung sinnvoll, sondern auch aus einer rein ökonomischen Perspektive,
dies insbesondere dann, wenn Entscheidungen für den Nicht-Kauf die Nach –
frage nach neuen Produkten reduziert bzw. nach Services oder alternativen
Lösungen erhöht.
–Die Nachhaltigkeitsforschung mit ihrem doppelt konsumtransformatorischen
Anspruch (siehe oben) muss an einer Verbraucher_innenforschung interessiert
sein, die Konsum nicht nur als Teil individueller Lebensweltgestaltung versteht,
sondern Konsum als die Gesellschaft und deren Entwicklung prägendes Phäno –
men versteht, das in einer als Konsumgesellschaft charakterisierten Gesell –
schaft weit über individuelle Handlungsweisen hinausgeht.
–In einer sich derart als Konsumgesellschaft verstandenen Gesellschaft ist Kon –
sum nicht nur prägender, sondern auch treibender Faktor.
–Im Verständnis des Nachhaltigkeitskonzeptes gilt es also, die Verbraucher_innen
an Prozessen zur Veränderung von Verhalten und Verhältnissen zu beteiligen.
Evidenzbasierte empirische Forschung müsste demnach ihre Ergebnisse immer
auch den sich an Forschung beteiligenden Menschen präsentieren, über diese
diskutieren und sich am Prozess der Erkenntnisgewinnung ebenso beteiligen
wie an der Konzeption von Interventionen.
–Insbesondere Schnittstelle zwischen Verbraucher_innen und Produzent_innen –
verhalten sollten erforscht werden. Bisher werden nur Waren/Güter erworben,
die vorhanden sind.
–Auch die Wirksamkeitsmechanismen von CO2-Steuern auf das Verbraucher_in –
nenverhalten sollte untersucht werden.
Nachhaltigkeits- und Verbraucher_innenforschung
sind, insofern sie gesellschaftliche Verhältnisse und Verhaltensweisen transformie –
rende Ansprüche haben, interventionsorientierte Wissenschaften. (Hübner, 2017).
Hierfür braucht es aber noch einiges an Forschungsarbeiten, um die Grundlagen
zu schaffen.
12_07 / Konsum von Gebrauchsgütern in einer Kreislaufwirtschaft: nachhaltig und transformativ30Nicht zuletzt sollte die Reduktion des Ressourcenbe –
darfs nicht nur anhand des Materialverbrauchs bewertet werden, sondern auch an –
hand zusätzlicher qualitativer Kriterien (z. B. CO2-eq oder Energieverbrauch). Wei –
ters ist es notwendig, zu beachten, dass nicht jeder Abfall vermieden werden kann
oder soll und damit ist es notwendig, Indikatoren für die Bewertung der Aufnahme –
kapazität von Senken für Schadstoffe in die Bewertungen zu implementieren. Als
Forschungsbedarf kann somit die Entwicklung (i) von Kriterien zur Beschreibung
der qualitativen Abfallvermeidung sowie (ii) von Indikatoren zur Bewertung von
Senken für Schadstoffen identifiziert werden.
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