SDG_13_Option_13_05_20231119_182406.txt

Optionen
und
Maßnahmen
Österreichs Handlungsoptionen
zur Umsetzung
der UN-Agenda 2030
für eine lebenswerte Zukunft.
UniNEtZ –
Universitäten und Nachhaltige
Entwicklungsziele
Optionen und Maßnahmen
13_05 / Ermöglichung von Klimaklagen (Klimahaftungsrecht)13_05
Target 13.2Autorinnen:
Wagner, Erika ( Johannes-Kepler-Universität Linz );
Hartl, Anja ( Johannes-Kepler-Universität Linz );
Ecker, Daniela ( Johannes-Kepler-Universität Linz )
Wir bedanken uns für die inhaltliche Kommentie –
rung zum Text bei
Trummer, Patrick ( Montanuniversität Leoben )
Reviewer_innen:
Schulev-Steindl, Eva ( Universität Graz );
Hinterberger, Fritz ( Universität für Angewandte Kunst )Ermöglichung von Klimaklagen
(Klimahaftungsrecht)
3 13_05 .1 Ziele der Option
4 13_05.2 Hintergrund der Option
7 13_05.3 Optionenbeschreibung
7 13_05.3.1 Beschreibung der Option bzw. der zugehörigen Maßnahmen
bzw. Maßnahmenkombinationen
12 13_05.3.2 Erwartete Wirkungsweise
13 13_05.3.3 Bisherige Erfahrungen mit dieser Option oder ähnlichen Optionen
13 13_05.3.4 Zeithorizont der Wirksamkeit
13 13_05.3.5 Vergleich mit anderen Optionen,
mit denen das Ziel erreicht werden kann
14 13_05.3.6 Interaktionen mit anderen Optionen
14 13_05.3.7 Offene Forschungsfragen
14 LiteraturInhalt
Optionen und Maßnahmen313_05.1 Ziele der Option
Klimaklagen sind Klagen, die einerseits Unternehmen,
andererseits Staaten zu mehr Klimaschutz bewegen sollen.1 Da feststeht, dass der
Klimawandel2 anthropogener Natur ist und nicht auf zufälligen natürlichen Vor –
gängen beruht, sollen die Verantwortungsträger_innen in die Pflicht genommen
werden.3 Dadurch soll einerseits die weitere Ausschüttung von Treibhausgasen
reduziert werden, andererseits sollen große CO2-emittierende Unternehmen für
bereits durch den Klimawandel entstandene Schäden von Betroffenen haftbar
gemacht werden. Eine zivilrechtliche Klimaklage kann dazu beitragen, bezüglich
der Lastentragung eine faire, klimagerechte Lösung zu schaffen.4
Klagelegitimiert sollen Bürger_innen, Umweltschutz –
organisationen, Verbände aber auch Gebietskörperschaften sein, die Unternehmen
und Staaten zur Verantwortung ziehen können. Dabei kann sich die Klimaklage
Rechtsschutzmechanismen des öffentlichen Rechts oder des Zivilrechts bedienen.
Die Ziele der Ermöglichung der Klimaklage
sind vielfältig.
1. Wahrung grundrechtlicher Positionen (Menschenrechte wie Leben, Gesundheit,
Eigentum) der Person im Zusammenhang mit der drohenden Erderwärmung;
2. Wahrung des Zugangs zu Gericht (Art. 47 GRC; vgl. SDG 16);
3. Aufzeigen der staatlichen Verantwortung im Zusammenhang mit Klimaschutz
(Fingerzeig);
4. Geltendmachung von staatlicher Untätigkeit bzw. unzureichenden staatlichen
Maßnahmen im Zusammenhang mit Klimaschutz durch institutionalisierte
Rechtsschutzmechanismen;
5. Einzelne Verursacher_innengruppen (CO2-Emittent_innen) sollen vermehrt in
die Pflicht genommen werden, am Ziel, die Erdtemperatur zu stabilisieren, deut –
lich effektiver mitzuwirken als bisher;
6. Wahrung einfachgesetzlicher Rechtspositionen des_der Einzelnen, aber auch
von Gruppen von Privaten (Senior_innen, Jugend) und Unternehmer_innen,
die wegen der Erderwärmung in ihren Existenzgrundlagen beschnitten werden
(Landwirt_innen);
7. Eine langfristige Zielsetzung wäre, Unternehmen durch Bewusstseinsbildung zu
ausschließlich klimaneutraler Produktion zu bewegen.
Geschädigte Bürger_innen und Umweltschutzorga –
nisationen sollen Unternehmen oder Staaten durch zivilrechtliche Unterlassungs-
und Schadenersatzansprüche zur Verantwortung ziehen können.
Bei Unternehmen soll dadurch Bewusstseinsbildung
hinsichtlich klimaneutraler Produktion gefördert werden.
1 Schanda , Die Rolle der Gerichte im Klimaschutzrecht in Norer/Holzer (Hrsg.), Agrarrecht
Jahrbuch 2019 (2019) 216.
2 Vgl. etwa zur dramatischen Klimasituation: Kromp-Kolb et al. (Hg.), Österreichischer
Sachstandsbericht Klimawandel 2014, Austrian Panel on Climate Change (APCC), Austrian Assessment
Report 2014 (AAR14).
3 Wagner , Weltklimavertrag und neue Dynamik im Klimaschutzrecht: Klimaklagen in Pabel (Hrsg.), 50 Jahre
JKU (2018) 12.
4 Wagner , Klimaschutz mit den Mitteln des Privatrechts? Präventive privatrechtliche Instrumente:
Klimaschutzklagen in Kirchengast/Schulev-Steindl/Schnedl (Hrsg.), Klimaschutzrecht zwischen Wunsch und
Wirklichkeit (2018) 233.
13_05 / Ermöglichung von Klimaklagen (Klimahaftungsrecht)13_05.2 Hintergrund der Option
Auf internationaler Ebene wurden bereits mehrere Kli –
maklagen verschiedenen Typs anhängig gemacht, denen teils stattgegeben, teils
die Zulässigkeit versagt wurde. Der Ausgang der international anhängig gewese –
nen bzw. anhängigen Klimaklage hängt stark vom jeweiligen Rechtssystem ab. Vor
diesem Hintergrund hat die rechtliche Erforschung dieses neuartigen Instruments
auf nationaler und internationaler Ebene ihren Ausgang genommen.5
In Österreich wurde erstmals eine Klimaklage von
Greenpeace vor den Verfassungsgerichtshof gebracht, kürzlich jedoch aus for –
mellen Gründen abgewiesen. Gegenstand der Klage waren Rechtsakte, die eine
steuerliche Bevorzugung des Flugverkehrs bewirken.6
Die Erderwärmung zieht auf unterschiedlichen Teilen
der Erde starke Schäden nach sich (Versinken der Inselregionen etc.). Das im
Pariser Klimaschutzübereinkommen enthaltene Modell des Ausgleichs für Loss
and Damage zählt einerseits systematisch zum Völkerrecht, sodass Private davon
ausgeschlossen sind. Andererseits mangelt es derzeit am Ausgleich entstandener
Schäden durch die Industriestaaten. Art. 8 des Pariser Klimaschutzübereinkom –
mens sieht vor, dass klimabedingte Schäden vermieden oder verringert werden
sollen. Dies stellt jedoch keine Haftungsgrundlage für den Ersatz von Klimaschä –
den dar. Dieses völkerrechtliche Modell steht daher den weltweiten Klimaklagen
nicht entgegen.
Wie in anderen Teilen der Welt hat für Österreich die
Erderwärmung unter anderem in Bergregionen starke Auswirkungen. Durch das
Abschmelzen der Gletscher steigt der Wasserstand in den Gebirgsseen, wo –
durch das Risiko von Erosionen, Hangrutschungen und Überflutungen entsteht.
Mit Spannung wird die Entscheidung des deutschen Höchstgerichts im Rechts –
streit des peruanischen Bauern und Bergführers Saul Luciano Lliuya gegen das
Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerk AG (RWE AG , deutscher börsennotier –
ter Energieversorgungskonzern) erwartet, der auf einem ähnlichen Sachverhalt
(Überflutungsgefahr infolge von Gletscherschmelzung – begehrter Aufwandersatz
für Schutzmaßnahmen) beruht. Dazu kommen in Österreich auf Grund mangelnder
Schneelage im Winter wirtschaftliche Verluste. Im Sommer kommt es z. B. zu Eng –
pässen der Wasserversorgung in der Landwirtschaft.7
Überträgt man den Gedanken der Klimaklage auf das österreichische
Rechtssystem, so lässt sich folgendes konstatieren:
Öffentlich- rechtliche und privatrechtliche Rechts –
schutzmechanismen weisen derzeit Defizite auf, die sich generalisierend wie folgt
5 Neben den in Fn 1, 3 und 4 genannten Autor_innen sind ferner für das österreichische Recht zu nennen:
Schulev -Steindl, Klimaklagen: Ein Trend erreicht Österreich, ecolex 2021/7; Burtscher /Spitzer , Haftung für
Klimaschäden, ÖJZ 2017, 945; Wagner , Die Notwendigkeit einer Verbandsklage im Klimaschutzrecht EurUP
2019, 185 ff. Auf internationaler Ebene haben sich folgende Autor_innen mit den Klimaklagen beschäftigt:
Kahl /Weller (Hrsg.), Climate Change Litigation (2021); vgl. darin enthalten die national reports zu USA ( Farber ,
237 ff), zu Kanada ( Jodoin /McGinn , 253 ff), zu Brasilien ( Wedy , 271 ff), zu Australien ( Bell-James , 288
ff), zum Vereinigten Königreich ( Ohdedar /McNab , 304 ff), zu Italien ( Butti , 324 ff), zu Frankreich ( Epstein /
Deckert , 336 ff), zu den Niederlanden ( Van der Veen/De Graaf , 363 ff), zu Deutschland ( Weller /Nasse /Nasse ,
378 ff; Wagner /Arntz , 405 ff; Nitsch , 529 ff; Habersack /Ehrl, 447 ff; Duve /Hamama , 466; Kahl /Stürmlinger ,
487 ff; Verheyen /Pabsch , 507 ff ).
6 Näheres dazu vgl. Schulev-Steindl , Klimaklage: VfGH weist Individualantrag gegen steuerliche Begünstigung
der Luftfahrt zurück, RdU 2020/142, 251; VfGH 30.9.2020, G144/2020.
7 Wagner , Weltklimavertrag und neue Dynamik im Klimaschutzrecht: Klimaklagen in Pabel (Hrsg.), 50 Jahre
JKU 13.
4
Optionen und Maßnahmenbeschreiben lassen:
1. Im öffentlichen Recht:
−äußerst beschränkte Möglichkeit der Geltendmachung grenzüberschreitender
Sachverhalte im Zusammenhang mit Drittstaaten (wegen staatlicher Souveräni –
tät);
−begrenzte Handlungsoptionen im EU-Recht aus mehreren Gründen:
−in der Regel wird bei Nichtigkeitsklagen die individuelle Betroffenheit ver –
neint (Art. 263 AEUV);
−im Rahmen von Nichtigkeitsbeschwerden ist der Europäische Gerichtshof
(EuGH) sehr zurückhaltend, wenn es allein um den Verstoß gegen Prinzipien
des EU-Umweltrechts wie Versorgungsprinzip, Verursacherprinzip etc. geht;
−der Ausgang von Grundrechtsbeschwerden vor dem Europäischen Gerichts –
hof für Menschenrechte (EGMR) ist ungewiss, da ein Eingriff in betroffene
Grundrechte durch inkriminiertes staatliches Handeln bzw. staatliche Gesetz –
gebungsakte feststehen muss.
2. Im Zivilrecht:
Derzeit erfolgt die Ableitung von zivilrechtlichen
Klagen in Zusammenhang mit Klimaschäden über Unterlassungs- und Schaden –
ersatzansprüche. Sowohl bei Schadenersatz- als auch bei Unterlassungsklagen
bestehen nach derzeitigem Recht allerdings Schwachstellen, die einem effektiven
Klimaschutz entgegenstehen und im Folgenden erläutert werden.
a. Haftungsansatzpunkt im Rahmen von Schadenersatzklagen
sind Schäden für die Verletzung am Körper, der Gesundheit und Eigentum.
Auch Vermögensschäden, die von Schäden an diesen Rechtsgütern ab –
leitbar sind (Tourismusentfall in Wintersportgebieten durch Erderwärmung),
können geltend gemacht werden. Es kommt der Ersatz für Schutzmaßnah –
men zur Errichtung von Dämmen etc. in Betracht (sogenannter Rettungs –
aufwand). Nicht ersatzfähig sind bislang reine Vermögensschäden (z. B.
sinkende Verkaufszahlen bei Wintersportgeräten).8
b. In Betracht kommen auch Unterlassungsansprüche (§ 364 ABGB).
Ansprüche wegen Klimaschäden können natio –
nal, aber auch grenzüberschreitend als Unterlassungsansprüche (§ 1004 BGB
deutsches Recht, § 364 ABGB österreichisches Recht) geltend gemacht werden.
Diesbezüglich finden auch bei sogenannten Distanzschäden die für nationale Im –
missionsschutzklagen maßgeblichen Kriterien der Ortsüblichkeit und Wesentlich –
keit Anwendung. lm Klimaschutzrecht bedeutet das, dass die von Industriestaaten
verursachten Immissionen einen Eintrag in das Klima bewirken und es auf der
anderen Seite der Welt (insbesondere in den Ländern des globalen Südens) zu Ka –
tastrophen etc. kommt. Dass sich daher auf Grund der weltweiten Ausbreitung die
Qualität des Immissionseintrags ändert (CO2-Eintrag auf der einen Seite, Erwär –
mung und dadurch verursachte Naturkatastrophen und Dürre andererseits), hindert
eine Immissionsschutzklage nicht.
Um grenzüberschreitende Sachverhalte geltend
machen zu können, bedarf es einer internationalen Zuständigkeit des jeweiligen
Gerichts und der Anwendung einer bei grenzüberschreitendem Sachverhalt zu
bestimmenden nationalen Rechtsordnung. In Klimaschutzfällen sind nun sowohl
in Deutschland (RWE) als auch in Österreich die Gerichte für solche Klimaschutz –
klagen international zuständig und es ist zudem auf Grund der Regeln der Rom
8 Wagner , Weltklimavertrag und neue Dynamik im Klimaschutzrecht: Klimaklagen in Pabel (Hrsg.), 50 Jahre
JKU 24.
5
13_05 / Ermöglichung von Klimaklagen (Klimahaftungsrecht)II Verordnung deutsches bzw. österreichisches Recht anzuwenden. Daher ist
für die Schadenersatz- und Immissionsschutzklagen in Klimaschutzfällen das
jeweilige nationale Recht (deutsches Recht; beträfe der Fall Österreich, dann
österreichisches Recht) anwendbar. Da es sich um ein Umweltdelikt handelt, könn –
ten Entwicklungsländer Schadenersatz aber auch nach ihren nationalen Regeln
fordern, was bedeutet, dass sich diese Länder ein strenges Klimaschutzschaden –
ersatzrecht geben könnten, das auch die derzeit noch bestehenden Rechtsproble –
me (Kausalitätsbeweis) durch Vermutungsregeln überbrückt.
c. Schwächen in der Durchsetzung:
−Nach geltendem Recht sind Verbandsklagerechte nur sehr eingeschränkt
möglich. Daher ist eine umfassende Verankerung von praktikablen Verbands –
klagerechten notwendig. Nach derzeitigem Recht gibt es nur ungenügend Ver –
bandsklagerechte. Gerade bei der Thematik von Klimaschäden, die als Mas –
senschäden oft eine Vielzahl von Geschädigten betreffen, ist die gesetzliche
Verankerung von konkreten Instrumenten des kollektiven Rechtsschutzes von
wesentlicher Bedeutung;
−Klimaklagen sind wegen des Kausalitätsbeweises in der momentanen Rechts –
lage wenig erfolgversprechend und daher auch in der Praxis kaum möglich. Der –
zeit müssen Kläger_innen die Kausalität des rechtswidrigen Verhaltens für den
Schaden beweisen. Es ist für die_den Einzelne_n und Verbände aus Kostengrün –
den nicht zumutbar, Gutachten beizubringen, die klimatologische Zusammenhän –
ge derart aufzeigen, dass die im Prozess geforderte hohe Wahrscheinlichkeit der
Verursachung der Erderwärmung für den Schadenseintritt angenommen werden
kann. Eine gesetzliche Regelung zur Umkehr der Beweislast wäre notwendig
(siehe näher unten).
3. Im Wettbewerbsrecht:
Derzeit bestehen für Unternehmen zu wenig Anreize,
klimakonform zu handeln, da sie gegenüber Klimasünder_innen Wettbewerbsnach –
teile erleiden und diese auch nicht haftbar gemacht werden.9
Eine Möglichkeit im Business-to-Business Bereich
stellt die Konkurrentenklage nach § 1 Abs. 1 Z 1 UWG dar. Unternehmen können
gegen andere Unternehmer_innen vorgehen, die sich durch Rechtsbruch einen
Wettbewerbsvorteil verschaffen. Voraussetzung ist ein objektiv rechtswidriger
Rechtsbruch, der hier im nicht maßgerechten Abführen von CO2-Zertifikaten (Kli –
maschutznormen) liegen könnte. Das bedeutet also, dass der_die Unternehmer_in
vom Rechtsbruch Kenntnis erlangen muss. Weiters bedarf es einer rechtswidrigen
Beeinflussung des Wettbewerbsverhältnisses für Kläger_innen, die spürbar sein
muss.10 Beide Aspekte sind fraglich, da etwa offen ist, inwiefern die Erzeugung er –
neuerbarer Energie mit grauer Energie in einem Wettbewerbsverhältnis steht (dies
verneinend Causa Hinkley Point – angeblich kein Wettbewerbsverhältnis zwischen
erneuerbaren Energien und Strom aus Atomkraft (AKW-Strom)). Es stellt sich auch
die Frage, inwiefern klimaschädigende Unternehmen und das klagende Unterneh –
men für denselben Markt produzieren. Gänzlich ausgeschlossen von einer Klage –
möglichkeit sind hier jedoch Private.

9 Wagner , Weltklimavertrag und neue Dynamik im Klimaschutzrecht: Klimaklagen in Pabel (Hrsg.), 50 Jahre
JKU 16.
10 Wagner , Klimaschutz mit den Mitteln des Privatrechts? Präventive privatrechtliche Instrumente:
Klimaschutzklagen in Kirchengast/Schulev-Steindl/Schnedl (Hrsg.), Klimaschutzrecht zwischen Wunsch
und Wirklichkeit (2018) 231.
6
Optionen und Maßnahmen4. Weitere Möglichkeiten:
Theoretisch in Betracht käme auch eine vorbeugen –
de Amtshaftungsklage wegen zukünftiger Klimaschäden. Dafür müsste eine
konkrete Möglichkeit für einen künftigen Schadenseintritt vorliegen und rechts –
widriges Verhalten einer Vollzugsbehörde nachgewiesen werden. Dies könnte in
der rechtswidrigen Anwendung oder Nichtanwendungen von Normen des Emis –
sionszertifikatehandels liegen. Da die_den Geschädigte_n die Beweislast trifft und
die Kausalitätsproblematik auch hier maximal zu einer Anteilshaftung führt, bietet
diese Möglichkeit auch keinen ausreichenden Rechtsschutz11, ganz abgesehen
von der Problematik, den Anteil quantitativ zu bestimmen.
In einigen Fällen wurden Klimaklagen wegen mangeln –
der gesetzlicher Regelungen in Bezug auf Klimaschutzkriterien gegen Staaten oder
EU-Institutionen geführt. Our Children’s Trust klagte die Regierung von Massachu –
setts, da sie keine ausreichenden Maßnahmen gegen den Klimaschutz einleitete
und war erfolgreich. Klimaklagen wegen legislativer Untätigkeit gerichtet auf ein
aktives Handeln des Staates können derzeit in Österreich nicht geltend gemacht
werden. Bislang käme nur ein ‚Umweg‘ über eine zivilrechtliche Feststellungsklage,
gerichtet auf das Bestehen von Amtshaftungsansprüchen, in Betracht.12
13_05.3 Optionenbeschreibung
13_05 .3.1 Beschreibung der Option
bzw. der zugehörigen Maßnahmen
bzw. Maßnahmenkombinationen
1. Denkmodelle: Ausgestaltung der Klimaschutzklage –
Varianten von Klimaschutzklagen:
Bei den Klimaschutzklagen kommen drei mögliche Va –
rianten in Frage. Dabei ist sowohl das private als auch das öffentliche Recht, aber
auch das staatenübergreifende Völkerrecht umfasst. Einerseits kann der Staat
wegen Untätigkeit, andererseits ein emittierendes Unternehmen wegen Verschmut –
zung zur Verantwortung gezogen werden. Möglich ist eine:
1. völkerrechtliche Klage, wobei ein Staat einen anderen Staat auf Schadenersatz
in Anspruch nimmt. Voraussetzung dafür wäre ein eingetretener oder unmittelbar
bevorstehender Schaden im eigenen Hoheitsgebiet (völkerrechtliche Ebene);
2. Klage einer privaten Person oder einer Organisation gegen eine_n privaten CO2-
Emittent_in wegen (drohender) Beeinträchtigung privater Rechtsgüter (zivilrecht –
liche Ebene);
3. Klage einer privaten Person oder Organisation gegen einen Staat wegen Un –
tätigkeit oder ungenügender Tätigkeit bezüglich klimaschützender Maßnahmen.
Grundlage wäre die Geltendmachung umweltrelevanter Grundrechte (Art. 2
EMRK, Art. 2 und 3 GRC, Art. 1 1. ZP EMRK, Art. 17 GRC), welche staatliche
Schutzpflichten beinhalten (verfassungsrechtliche Ebene).13
Zu unterscheiden ist zwischen aktiven und passiven

11 Wagner , Klimaschutz mit den Mitteln des Privatrechts? Präventive privatrechtliche Instrumente:
Klimaschutzklagen in Kirchengast/Schulev-Steindl/Schnedl (Hrsg.), Klimaschutzrecht zwischen Wunsch
und Wirklichkeit (2018) 230.
12 Wagner , Weltklimavertrag und neue Dynamik im Klimaschutzrecht: Klimaklagen in Pabel (Hrsg.), 50 Jahre
JKU 24.
13 Wagner , Weltklimavertrag und neue Dynamik im Klimaschutzrecht: Klimaklagen in Pabel (Hrsg.), 50 Jahre
JKU 17.
7
13_05 / Ermöglichung von Klimaklagen (Klimahaftungsrecht)Klimaklagen.14
−Aktive Klimaklage: Ein österreichische/r Private/r klagt ein ausländisches CO2-
verursachendes Unternehmen (Verletzung des Rechtsguts Leben, Gesundheit
und Eigentum);
−Passive Klimaklage: Ein österreichisches emittierendes Unternehmen wird von
klimageschädigten Inselstaaten auf Schadenersatz und Ersatz von Rettungskos –
ten geklagt.
2. Vereinheitlichung notwendig – Zwei mögliche Maßnahmen auf zivilrecht –
licher Ebene:
Grundsätzlich können die Staaten selbst ihre Model –
le der Klimaklage auf Gesetzesebene nach den oben genannten Varianten 1-3
verankern. Aus zivilrechtlicher Sicht ergeben sich zwei mögliche Maßnahmen, um
Klimaklagen und damit die Haftung klimaschädlicher CO2-Emittenten _innen für
Klimaschäden zu etablieren:
−Auf EU-Ebene: Klimahaftungs-Richtlinie – Etablierung eines EU-weit gelten –
den Klimahaftungsrechts;
−Auf nationaler Ebene: Etablierung eines nationalen Klimahaftungsrechts.
Auf europäischer Ebene wäre aber vor dem Hinter –
grund der Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen eine Vereinheitlichung nach
Art. 114 AEUV äußerst sinnvoll. Die Verwirklichung von Klimaklagen soll in den
Rechtsordnungen der Mitgliedsstaaten nach einem einheitlichen Muster (Vorbild
vgl. jüngst Verbandsklage im Verbraucherrecht) umgesetzt werden.
I. Maßnahme: Etablierung eines EU-weit geltenden Klimahaftungsrechts
(Klimahaftungs-Richtlinie)
Vorrangig soll ein Rechtsrahmen für Klimaklagen auf
europäischer Ebene geschaffen werden. Da der Klimawandel eine grenzüber –
schreitende Tatsache ist und meist kein räumliches Näheverhältnis zwischen
Klimaschäden und dem emittierenden Unternehmen besteht, ist die Schaffung
eines europaweiten Systems für Klimaklagen zu präferieren. Derzeit gibt es keine
einheitliche Regelung auf europäischer Ebene. Somit könnte ein einheitlicher
Rechtsrahmen für Klimaklagen in einer Richtlinie (Klimahaftungs-Richtlinie), etwa
analog zur Umwelthaftungsrichtlinie, geschaffen werden.15
Eine solche Richtlinie soll zu gleichen Wettbewerbsbe –
dingungen beitragen, da ausländische Klimasünder_innen so langfristig einpreisen
müssten. Wesentliche Inhalte dieser Klimahaftungs-Richtlinie wären:
−Regelung der internationalen Zuständigkeit (bei aktiven und passiven Klimakla –
gen);
−Möglichkeiten der Vollstreckung von Klimaklagen;
−Inhalte der Klage: Haftung und Unterlassung im Zusammenhang mit (drohenden)
Klimaschäden;
−Sperrwirkung gegen Klimaklagen bei klimagerechtem Verhalten der Unterneh –
men/Abführung von CO2-Zertifikaten;
−Erweiterung um Verbandsklagerechte zum Schutz des weltweiten Klimas (inner
14 Wagner , Weltklimavertrag und neue Dynamik im Klimaschutzrecht: Klimaklagen in Pabel (Hrsg.), 50 Jahre JKU 24.
15 Die Zuständigkeit, einen solchen Rechtsakt vorzuschlagen und ein Gesetzgebungsverfahren einzuleiten,
liegt bei der Europäischen Kommission. Das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union
(gemäß Art. 225, 241 AEUV) sowie die Unionsbürger_innen selbst können mittels Bürgerinitiative (Art. 24
AEUV) die Europäische Kommission dazu auffordern, tätig zu werden.
8
Optionen und Maßnahmen −halb und außerhalb der EU).16

II. Maßnahme: Etablierung eines nationalen Klimahaftungsrechts
Sekundär wäre die Etablierung eines nationalen
Klimahaftungsrechts anzustreben, wobei Österreich eine Vorreiterrolle einnehmen
könnte. Es muss ein Rechtsakt geschaffen werden, der zivilrechtliche Unterlas –
sungs- und Schadenersatzklagen beinhaltet. Um die Möglichkeit einer Klimaklage
bestmöglich zu statuieren, wäre die Schaffung eines eigenen Gesetzes im üb –
lichen Gesetzgebungsprozess notwendig.

III. Inhalte der Richtlinie oder der nationalen Umsetzung der Klimaklage
1. Regelung der Kausalitätsproblematik
a. Kausalitätsvermutung
Nach der derzeitigen Rechtslage, ohne gesonderte
Regelung für Klimaschäden, gilt für die Haftung nach allgemeinen zivilrechtlichen
Regeln folgender Grundsatz: Der Schädiger bzw. die Schädigerin haftet bloß für
diejenigen Schäden, die er_sie durch sein_ihr rechtswidriges (siehe unter Punkt 3)
Verhalten kausal verursacht hat. Nach der Äquivalenztheorie (sog. conditio-sine-
qua-non-Theorie ) ist ein Verhalten kausal für den Schaden, wenn es nicht hinweg –
gedacht werden kann, ohne dass der Schaden in seiner konkreten Gestalt entfie –
le.17 Der_die Geschädigte muss eine lückenlose Kausalkette nachweisen, um den
Schädiger bzw. die Schädigerin für den entstandenen Schaden haftbar machen zu
können. Dieser Nachweis ist schwer zu erbringen (näheres siehe unter Punkt 1b).18
Um die derzeitigen Schranken der Kausalität zu
überwinden und dadurch eine Zurechnung des schädigenden Verhaltens zu be –
gründen, bedarf es vor allem der Verankerung einer klimabezogenen Kausalitäts –
vermutung. Die Kausalität des klimaschädlichen Verhaltens wird dabei vermutet
und es bedarf nicht des Nachweises durch den Geschädigten oder die Geschä –
digte. Es kann nicht an der klagenden Partei liegen, beweisen zu müssen, dass
ihr Schaden durch den Emissionsanteil des Klagegegners/der Klagegegnerin
verursacht wurde. Es bedarf der Normierung einer unwiderleglichen Kausalitäts –
vermutung durch den Gesetzgeber. Vgl. etwa die Kausalitätsvermutung in einigen
Gesetzen wie: § 26 Abs. 5 WRG, § 54 ForstG, § 12 AtomHG, § 79 GTG, wobei sich
in den zuletzt genannten Fällen Beklagte freibeweisen können. Erforderlich wäre
hier aber eine unwiderlegliche Kausalitätsvermutung.
b. Aufteilung der Verantwortung auf die Verursacher_innen
Problematisch ist derzeit die Zurechnung des scha –
dens(mit)begründenden Ereignisses, nämlich des CO2-Ausstoßes eines Unterneh –
mens. Die emittierenden Unternehmen befinden sich oft in einem anderen Land
oder gar Kontinent als der oder die Private, bei dem/der durch den CO2-Ausstoß
ein Klimaschaden eingetreten ist. Dass große CO2-emittierende Unternehmen zur
Erderwärmung beitragen, steht zwar fest, jedoch ist es schwierig, eine lückenlose
Kausalkette zwischen dem schädlichen Verhalten des Unternehmens und dem ein –
getretenen bzw. drohenden Schaden (Dürre, Naturkatastrophen etc.) des oder der
Einzelnen nachzuweisen, wobei sich die Frage stellt, ab wann ein klimarelevanter
16 Wagner , Klimaschutz mit den Mitteln des Privatrechts? Präventive privatrechtliche Instrumente:
Klimaschutzklagen in Kirchengast/Schulev-Steindl/Schnedl (Hrsg.), Klimaschutzrecht zwischen Wunsch
und Wirklichkeit 233f.
17 Riedler , Zivilrecht IV Schuldrecht – Besonderer Teil Gesetzliche Schuldverhältnisse5 (2018) Rz 2/49.
18 Vgl. Burtscher/Spitzer , Haftung für Klimaschäden, ÖJZ 2017/134, 950.
9
13_05 / Ermöglichung von Klimaklagen (Klimahaftungsrecht)Verursachungsbeitrag vorliegt.19
Bei Klimaschäden (Schäden, deren Ursache im
Klimawandel wurzeln) handelt es sich um Summationsschäden . Darunter sind
Schäden zu verstehen, die auf Grund eines Zusammenwirkens mehrerer verschie –
dener Schäden resultieren und bei denen einzelne Verursachungsbeiträge kaum
feststellbar sind. Keiner hat für sich allein den gesamten Schaden herbeigeführt.20
Die conditio-sine-qua-non-Theorie21 führt hier zu keiner Haftung, da der Schaden
dennoch eingetreten wäre, wenn man sich den Anteil des_der Verursacher_in
wegdenkt, da erst ein gewisses Ausmaß an Treibhausgasen in der Atmosphäre zu
Schäden führt. Außerdem kommen Vorgänge in der Natur hinzu, die ebenfalls zur
Erderwärmung beitragen. Dies geht bislang zulasten des_der Geschädigten. Ein
reines Naturwirken kann kein Argument darstellen, da klimaschädliche CO2-Emis –
sionen auf menschliches Verhalten zurückzuführen sind.22
Die Lösung liegt in der Aufteilung der Verantwortung
auf die Verursacher_innen, die signifikante CO2-Anteile in die Atmosphäre ab –
geben. Jede_r einzelne Emittent_in trägt im Ausmaß der von ihm_ihr freigesetzten
Treibhausgase zur Gesamtbelastung in der Atmosphäre bei und haftet somit nach
seinen_ihren Anteilen am Klimawandel. Auch das Oberlandesgericht (OLG) Hamm
hat in der Rechtssache RWE den Kausalitätsbeweis nicht als unüberbrückbar ein –
gestuft. Es wäre daher auf normativer Ebene eine Anteilshaftung zu etablieren.
Die Normierung einer derartigen Anteilshaftung für minimale Kausalität ist dem
Entlastungsbeweis nicht zugänglich. Kleinemittent_innen könnten von der Haftung
ausgenommen werden und es ist eine Grenze zu ziehen, ab wann ein gewisses
Ausmaß (Schwellwert) an Treibhausgasen in der Atmosphäre zu konkreten Schä –
den führt.23
2. Aktivlegitimation für Klimaklagen
Unter dem Punkt der Aktivlegitimation stellt sich die
Frage, wer Klimaklagen erheben kann und damit aktiv legitimiert ist. Einerseits ist
an einzelne Betroffene zu denken, andererseits muss, aufgrund des großen Kos –
tenrisikos, auch die Möglichkeit zur Erhebung von Verbandsklagen bestehen.
a. Einzelne Betroffene
Sollten Individuen Klimaklagen erheben, so gilt es
jedenfalls, ihnen das Kostenrisiko im Falle des Verlustes abzunehmen. Zu denken
wäre an die Errichtung eines Klimaklagefonds, der derartige Klimaklagen finanziert.
Dieser Fonds könnte z. B. aus Steuereinnahmen (Abgabe auf klimaschädliches
Verhalten) gespeist werden. Zu denken ist an die Mittel aus der in Option 13_01
geforderten CO2-Bepreisung.
b. Etablierung von klimabezogenen Verbandsklagen
Die neue Richtlinie über Verbandsklagen24 betrifft nur

19 Wagner , Weltklimavertrag und neue Dynamik im Klimaschutzrecht: Klimaklagen in Pabel (Hrsg.), 50 Jahre JKU 27.
20 Wagner , Weltklimavertrag und neue Dynamik im Klimaschutzrecht: Klimaklagen in Pabel (Hrsg.), 50 Jahre
JKU 28.
21 Riedler , Zivilrecht IV Schuldrecht – Besonderer Teil Gesetzliche Schuldverhältnisse5 (2018) Rz 2/49.
22 Wagner , Klimaschutz mit den Mitteln des Privatrechts? Präventive privatrechtliche Instrumente:
Klimaschutzklagen in Kirchengast/Schulev-Steindl/Schnedl (Hrsg.), Klimaschutzrecht zwischen Wunsch
und Wirklichkeit 223.
23 Wagner , Weltklimavertrag und neue Dynamik im Klimaschutzrecht: Klimaklagen in Pabel (Hrsg.), 50 Jahre
JKU 27 ff.
24 Richtlinie (EU) 2020/1828 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2020 über
Verbandsklagen zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher_innen und zur Aufhebung der
Richtlinie 2009/22/EG, ABl L 409 v 4.12.2020.
10
Optionen und Maßnahmen11den Konsument_innenbereich und enthält nur vereinzelt klimaschutzbezogene
Rechtsakte, die im Wege der Unterlassungs- und Abhilferechte von Verbänden
geltend gemacht werden. Als klimabezogene Rechtsakte sind in Anhang 1 der
Richtlinie genannt: Energieeffizienzrichtlinie, Gebäuderichtlinie. Auffällig ist, dass
wesentlich klimaeinschlägigere Rechtsakte in Anhang 1 der neuen Verbandskla –
gerichtlinie nicht genannt sind. Das ist ein großes Versäumnis: Genannt ist weder
die Emissionszertifikate-Richtlinie noch die Umwelthaftungsrichtlinie etc. Die neue
Verbandsklagerichtlinie für Verbraucher_innen spart also den Bereich des Klima –
schutzes deutlich aus. Verbraucher_innen können sich deshalb nicht auf dieses
Instrument stützen, wenn z. B. Unternehmer_innen ihre Emissionszertifikate nicht
abführen oder nicht nachkaufen.
Aktivlegitimiert für die Erhebung der Verbandsklage
können sämtliche Umweltschutzorganisationen sein, aber auch Verbände oder
Vereine, die sich der betroffenen Bevölkerungsgruppen (z. B. Klimaseniorinnen bei
Senior_innen, Jugend) widmen.
Auch hinsichtlich der Verbandsklage ist an die kosten –
mäßige Unterstützung der Klagen durch Klagefonds zu denken, um Durchsetzbar –
keit zu gewährleisten.
Durch die Etablierung von Verbandsklagerechten kann
auch die Klimaklage in der Praxis Anwendung finden, da dadurch das Kostenrisiko
minimiert bzw. die Erfolgschancen vor Gericht erhöht werden und somit der Mut
zur Klage gefördert wird sowie der Rechtsfrieden gewahrt ist.
Das Risiko, die Prozesskosten selbst tragen zu müs –
sen, stellt derzeit eine erhebliche Barriere für die Geltendmachung von Klimakla –
gen dar. Durch die Etablierung von Verbandsklagen wird dieses Risiko minimiert
bzw. die Durchsetzbarkeit von erlittenen Schäden erhöht und Klimaklagen werden
somit praktikabel. Außerdem wird die Prozessökonomie gefördert, wenn schlicht
ein gesammeltes Verfahren stattfindet.
3. Rechtswidrigkeit – Behördliche Bewilligung – Sperrwirkung
Zu thematisieren gilt es auch die mögliche Sperr –
wirkung gegen Klimaklagen, wenn Unternehmen klimagerecht CO2-Zertifikate
abführen.25
Um eine Haftung eines CO2-emittierenden Unterneh –
mens begründen zu können, muss der Klimaschaden durch rechtswidriges Verhal –
ten des Unternehmens verursacht worden sein.
Uneinigkeit besteht dahingehend, ob Private die Be –
einträchtigung seiner Rechtsgüter dulden muss, da eine behördliche Genehmigung
(Treibhausgasgenehmigung oder CO2-Zertifikat) der Rechtswidrigkeit entgegen –
steht. Wenn dies zuträfe, würde die Genehmigung eine Sperrwirkung entfalten und
somit eine Klimaklage verhindern. Es ist umstritten, inwiefern das europäische
Treibhausgashandelssystem geeignet ist, Klimaschutzklagen abzuwenden. Durch
die Zertifikate werden Rechte begründet, um öffentliche Güter (Klima) bis zu einem
gewissen Ausmaß zu verschmutzen. Ob durch den Kauf der Zertifikate auch die
Verschmutzungen an privaten Rechtsgütern abgegolten wurden, oder diese nicht
mitumfasst sind, ist strittig.
Hinter dem System der CO2-Zertifikate steht nur der
Zweck einer generellen Beschränkung, um Schäden am überindividuellen Rechts

25 Wagner , Klimaschutz mit den Mitteln des Privatrechts? Präventive privatrechtliche Instrumente:
Klimaschutzklagen in Kirchengast/Schulev-Steindl/Schnedl (Hrsg.), Klimaschutzrecht zwischen Wunsch
und Wirklichkeit 234.
13_05 / Ermöglichung von Klimaklagen (Klimahaftungsrecht)12gut Klima hintanzuhalten, nicht aber, um unmittelbare Schäden eines Privaten
an dessen Rechtsgütern zu verhindern oder auszugleichen (Grundlage: Emis –
sionshandelsrichtlinie26). Das System der Treibhausgaszertifikate sollte Klima –
schutzklagen eines_einer Privaten somit nicht entgegenstehen.27 Letztlich wird
diese Diskussion aber mit vielen Stakeholder_innen und europäischen Industrie –
unternehmen zu führen sein. Die Rekurrierung auf die europäischen Treibhaus –
gasunternehmen könnte auch dazu führen, dass europäische Unternehmen ein
Schutzschild gegen Klimaklagen vorweisen können. Ob dies gewollt ist, obliegt der
politischen Entscheidung.
4. Einheitliche Regelung der internationalen Zuständigkeit des anwend –
baren Rechts und der Durchsetzung
Es könnte auch die internationale Zuständigkeit bei
aktiven und passiven Klimaklagen eigens geregelt werden sowie das anzuwen –
dende Sachrecht. Auch die Möglichkeiten der Vollstreckung von Urteilen aus
Klimaklagen könnte eigens geregelt werden. Grundsätzlich sind aber schon nach
derzeitigem Recht EU-Urteile wechselseitig vollstreckbar: Für Urteile im EU-
Raum ermöglicht derzeit die Verordnung Nr. 1215/2012 die Vollstreckbarkeit im
EU-Raum.28 Wenn ein CO2-emittierendes Unternehmen nicht aus dem EU-Raum
stammt, kann das Urteil, sofern es keine Vollstreckungsabkommen gibt, nur inso –
weit vollstreckt werden, als Vermögen im Inland vorhanden ist.29 Es gilt Regelun –
gen zu schaffen, die eine Vollstreckbarkeit von Urteilen über den EU-Raum hinaus
regeln, um Klimagerechtigkeit auch für Emittent_innen außerhalb der EU herstellen
zu können.
13_05 .3.2 Erwartete Wirkungsweise
Durch eine Klimahaftungsrichtlinie kann ein weiterer
konsequenter Schritt im Kampf gegen die fortschreitende Erderwärmung gesetzt
werden. Kommt es zu einer Klimahaftungsrichtlinie, so kann kurz-, mittel- und
langfristig der Erderwärmung entgegengewirkt werden. Klimaschädlich agierende
Unternehmen müssen jederzeit mit Klagen gegen sie rechnen und es kommt zu
mehr Klimagerechtigkeit zwischen den weltweit agierenden Unternehmen.
Einzelne können durch Klimaklagen ihre Rechte wah –
ren. Engagierte Bürger_innen können Rechtsmittel ergreifen, um klimaschädliches
Verhalten aufzuzeigen.
Die von (bisher) Geschädigten zu tragenden Kosten
werden auf die Verursacher_innen überwälzt (Internalisierung).
Die Option wirkt auch präventiv, indem die Entstehung
von Klimaschäden verhindert wird (vergleichbar mit der Präventionswirkung in der
Umwelthaftung).
26 Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 2003 über ein System
für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie
96/61/EG des Rates, ABl L 275/32 v 13.10.2003.
27 Wagner , Klimaschutz mit den Mitteln des Privatrechts? Präventive privatrechtliche Instrumente:
Klimaschutzklagen in Kirchengast/Schulev-Steindl/Schnedl (Hrsg.), Klimaschutzrecht zwischen Wunsch
und Wirklichkeit 229.
28 Wagner , Klimaschutz mit den Mitteln des Privatrechts? Präventive privatrechtliche Instrumente:
Klimaschutzklagen in Kirchengast/Schulev-Steindl/Schnedl (Hrsg.), Klimaschutzrecht zwischen Wunsch
und Wirklichkeit 229.
29 Wagner , Weltklimavertrag und neue Dynamik im Klimaschutzrecht: Klimaklagen in Pabel (Hrsg.), 50 Jahre
JKU 32.
Optionen und Maßnahmen1313_05 .3.3 Bisherige Erfahrungen mit dieser
Option oder ähnlichen Optionen
In den letzten Jahren haben sowohl Geschädigte als
auch NGOs Klimaklagen erhoben. Einerseits gegen große emittierende Unter –
nehmen, andererseits gegen Staaten.30 Es gibt derzeit weltweit über 1.300 Klagen.
(siehe http://climatecasechart.com [20.10.2021] )
Als Beispiel für Klimaklagen einer Privatperson gegen
einen großen CO2-Emittenten sei die Klage Lliuya vs. RWE zu nennen.31
Ein peru –
anischer Kleinbauer und Bergführer klagt RWE (Produzent von Kohlestrom), als
einen der größten Mitschuldigen am Klimawandel, vor einem deutschen Gericht
auf Zahlung von 20.000 €. Das Haus von Saúl Luciano Lliuya liegt an einem Berg –
see in Huaraz und ist von einer Überflutung bedroht, da der Wasserspiegel durch
die Schmelze eines angrenzenden Gletschers gestiegen ist. Der Kläger verlangt,
dass RWE Schutzmaßnahmen (Errichtung eines Schutzdamms) vor dem Klima –
wandel in seiner Heimat bezahlt.32
Die jüngsten Entscheidungen des Verfassungsge –
richtshofs (VfGH) zu den Individualanträgen (Art 139 Abs. 1 Z 3 sowie Art 140 Abs.
1 Z 1 lit. c B-VG) bzgl. der steuerlichen Privilegierung klimaschädlicher Verkehrs –
träger_innen (Flugzeug vs. Bahn) sind öffentlich-rechtlicher Natur (somit keine
Klage im rechtlichen Sinn, medial aber dennoch als Greenpeace-Klimaklage
bekannt). Der VfGH hat den Antrag aus formalen Gründen zurückgewiesen, da er
keine individuelle Betroffenheit der einzelnen Klimakläger _innen erblickte: „ Dieses
Vorbringen zu Art 2 und 8 EMRK ist vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des
Verfassungsgerichtshofes zur Zulässigkeit von Individualanträgen nicht geeignet,
darzulegen, dass die Antragsteller Normadressaten sind bzw. unmittelbar durch
die angefochtenen Normen in ihren Rechten verletzt werden. “33 Die Anwältin des
Klägers hat eine Beschwerde beim EGMR gegen das rechtskräftige VfGH-Urteil
erhoben.
13_05 .3.4 Zeithorizont der Wirksamkeit
Die Etablierung eines Klimahaftungsrechts ist von
vielen Faktoren abhängig (politischer Widerstand, nationale Geschehnisse). Die
Etablierung von Klimaschutzklagen kann also bei demensprechender politischer
Unterstützung mit Rücksicht auf den Gesetzgebungsprozess sehr schnell, oder
auch sehr langsam sein. Für Österreich liegt es daran, im außenpolitischen Be –
reich dieses Instrument zu forcieren und/oder als Vorreiter_in in diesem Bereich zu
agieren
13_05 .3.5 Vergleich mit anderen Optionen,
mit denen das Ziel erreicht werden kann
Jedenfalls keine mögliche Option wäre, die bisherige
Rechtslage beizubehalten. Das würde dazu führen, dass viele der angestrebten
Klimaklagen nicht zum Erfolg führen. Letztendlich würde das vielversprechende
30 Weitere Beispiele sind nachzulesen in: Wagner , Klimaschutz mit den Mitteln des Privatrechts? Präventive
privatrechtliche Instrumente: Klimaschutzklagen in Kirchengast/Schulev-Steindl/Schnedl (Hrsg),
Klimaschutzrecht zwischen Wunsch und Wirklichkeit 229; Wagner , Weltklimavertrag und neue Dynamik im
Klimaschutzrecht: Klimaklagen in Pabel (Hrsg.), 50 Jahre JKU 32; Bergthaler /Kerschner /Schulev -Steindl,
Klimaklage nun auch in Österreich, RdU 2019/105, 178.
31 https://germanwatch.org/de/der-fall-huaraz (abgerufen am 14.1.2021).
32 Wagner , Weltklimavertrag und neue Dynamik im Klimaschutzrecht: Klimaklagen in Pabel (Hrsg.), 50 Jahre JKU
19f.
33 VfGH 30.9.2020, G 144-145/2020, V 332/2020 Rz 65.
13_05 / Ermöglichung von Klimaklagen (Klimahaftungsrecht)14Instrument wegen des hohen Kostenrisikos nicht in Anspruch genommen werden.
Das stellt keine Alternative dar. Es gilt daher, die Modelle der Klimaklage auf euro –
päischer Ebene bzw. nationaler Ebene normativ zu etablieren. Wenn die bisherige
Rechtslage beibehalten würde, könnten die oben genannten Ziele nicht erreicht
werden.
13_05.3.6 Interaktionen mit anderen Optionen
−Option 13_01: Ökosoziale CO2- Steuerreform;
−Option 13_02: Evaluierung und Erweiterung der bestehenden Hitzeaktionspläne;
−Option 13_03: Langfristige Sicherstellung der Wasserversorgung bei Siedlungs –
begrünungsmaßnahmen zur Aufrechterhaltung der Kühlfunktion, insbesondere
während Hitze- und Trockenperioden;
−Option 13_06: Korrekte und engagierte Umsetzung der neuen energie- und kli –
marelevanten Rechtsakte der EU;
−Option 13_07: Monitoring und Wirksamkeitsanalyse der (österreichischen Bei –
träge zur) internationalen Klimafinanzierung.
Ganz allgemein lässt sich die Wirkung der Klimaklage
und deren Rückwirkungen auf sämtliche SDGs wie folgt beschreiben: Verursa –
cher_innen von Treibhausgasen müssen sich vergegenwärtigen, dass sie für die
Verursachung zur Haftung herangezogen werden können. Die Betreiber_innen
werden daher versuchen, präventiv das Haftungsrisiko durch Umstieg auf umwelt –
freundliche Technik, zu minimieren. Damit wird eine Verhaltenssteuerung, über
ein sog. marktwirtschaftliches Instrument des Umweltrechts, erzielt. Dieses ist für
sämtliche Optionen sowohl national als auch global relevant. Das Instrument der
Klimaklage führt auch zu einem fairen Wettbewerb im globalisierten Wirtschafts –
system, da auf diese Weise eine CO2-Emission, wo immer auf der Welt sie verur –
sacht wird, für ihr Schädigungspotenzial verantwortungsauslösend ist.
13_05.3.7 Offene Forschungsfragen
Bei der Normierung einer Anteilshaftung gilt es zu klä –
ren, wo die (oben genannte) Grenze (Schwellwert) an emittierenden Treibhausga –
sen für die Begründung der Haftung eines emittierenden Unternehmens zu ziehen
ist sowie die genaue Berechnung des Anteils einer einzelnen Firma (z. B. geht es
um kumulierte Emissionen (wenn ja – ab wann?) oder um den derzeitigen relativen
Anteil?).
Offen bleibt, wie die Ausgestaltung des Klimahaftungsrechts erfolgen wird.
Literatur
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Steindl, Klimaklage nun auch in
Österreich, RdU 2019/105, 178 ff
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juristische Kategorie – Internatio –
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mayr/Reisinger (Hrsg), Festschrift Karl-Heinz Danzl (2017) 655 ff
Schulev-Steindl , Klimaklage:
VfGH weist Individualantrag gegen
steuerliche Begünstigung der Luft –
fahrt zurück, RdU 2020/142 (251)
Schulev -Steindl, Klimaklagen:
Ein Trend erreicht Österreich,
ecolex 2021/7
Schulev-Steindl/Schnedl/Meyer
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Luft – Bürger und Bürgerinnen
zwischen Politik und Gerichten,
ÖZW, 2016, 114 ff
Wagner , Die Notwendigkeit
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schutzrecht EurUP 2019, 185 ffWagner , Klimaschutz mit den
Mitteln des Privatrechts? Präven –
tive privatrechtliche Instrumente:
Klimaschutzklagen in Kirchen –
gast/Schulev-Steindl/Schnedl
(Hrsg), Klimaschutzrecht zwischen
Wunsch und Wirklichkeit (2018)
216 ff
Wagner , Weltklimavertrag und
neue Dynamik im Klimaschutz –
recht: Klimaklagen in Pabel (Hrsg),
50 Jahre JKU (2018) 11 ff

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