SDG_13_Option_13_08_20231119_182406.txt
Optionen
und
Maßnahmen
Österreichs Handlungsoptionen
zur Umsetzung
der UN-Agenda 2030
für eine lebenswerte Zukunft.
UniNEtZ –
Universitäten und nachhaltige
Entwicklungsziele
Von den Optionen zur Transformation
13_08 / Klimazielfördernde und klimafreundliche Digitalisierung13_08
Target 13.2 Autor_innen:
Elmenreich, Wilfried ( Universität Klagenfurt );
Allmer, Thomas ( Universität Innsbruck );
Kirchner, Mathias ( Universität für Bodenkultur Wien );
Spittler, Nathalie ( Universität für Bodenkultur Wien )
Reviewerin:
Kromp-Kolb, Helga ( Universität für Bodenkultur
Wien )Klimazielfördernde und klimafreundliche
Digitalisierung
23 13_08.1. Ziele der Option
3 13_08.2. Hintergrund der Option
5 13_08.3. Optionenbeschreibung
5 13_08.3.1 Beschreibung der Option bzw. der zugehörigen Maßnahmen
bzw. Maßnahmenkombinationen
7 13_08.3.2 Erwartete Wirkungsweise
7 13_08.3.3 Bisherige Erfahrungen mit dieser Option oder ähnlichen
7 13_08.3.4 Zeithorizont der Wirksamkeit
8 13_08.3.5 Vergleich mit anderen Optionen, mit denen das Ziel erreicht werden
kann und Interaktionen mit anderen Optionen und SDGs
8 13_08.3.6 Bezug zu aktuellen Ereignissen
8 13_08.3.7 Offene Fragestellungen
9 Literatur Inhalt
Von den Optionen zur Transformation13_08.1. Ziele der Option
Ziel dieser Option ist, aufzuzeigen, wie Digitalisierung
maßgeblich zum Klimaschutz, also zur wirksamen Reduktion von Treibhausgasen,
beitragen kann. Dies wird möglich, wenn eine alle digitalen Systeme umfassende,
zielgerichtete Nutzung und Förderung der Möglichkeiten der Digitalisierung ( Indust –
rie 4.0 ) konsequent im Einklang mit und im Dienst einer klima- und umweltgerech –
ten Lebens- und Produktionsweise (neuer Kernbereich Umweltschutz 4.0 ) steht.
Nur so kann Digitalisierung (Internet der Dinge, Smart Grids , Automatisierung
usw.) helfen, Ressourcenbedürfnisse wirklich tiefgreifend zu senken. Diese Option
baut auf den Ergebnissen des Referenzplan als Grundlage für einen wissenschaft –
lich fundierten und mit den Pariser Klimazielen in Einklang stehenden Nationalen
Energie- und Klimaplan für Österreich (Ref-NEKP) (Kirchengast et al., 2019) auf,
mit dem Fokus auf die Möglichkeiten der Digitalisierung zur Erreichung der Ziele
des SDG 13.
13_08.2. Hintergrund der Option
Die Hoffnung, dass die Digitalisierung einen maßgeb –
lichen Beitrag zur Dekarbonisierung leisten kann, ergibt sich
i. aus den vielen smarten Geräten, die nur mehr einen sehr oder extrem geringen
Energiebedarf für spezifische Anwendungen benötigen;
ii. aus dem Beitrag der Digitalisierung und Automatisierung zur Prozessoptimie –
rung (Stichworte: Internet of Things , Industrie 4.0 );
iii. aufgrund des Beitrages von digitaler Technologie für ein dezentrales erneuer –
bares Gebäude-, Energie- und Mobilitätssystem (Stichworte: intelligente Netze/
Häuser/Städte/Verkehrssysteme; automatisiertes Fahren, Teleworking , Sharing –
Plattformen, E-Commerce ), sowie;
iv. aus den Möglichkeiten der Präzisionslandwirtschaft, Ressourcen und damit
auch THG-Emissionen (z. B. Lachgasemissionen) einzusparen.
Es handelt sich somit, vergleichbar mit Elektrizitäts –
netz, um eine Basistechnologie, die alle Sektoren erfassen wird.
Es darf aber nicht übersehen werden, dass Digitali –
sierung auch das Potential für enorm gesteigerten Ressourcen- und Energiever –
brauch in sich birgt, nicht zuletzt indem neue Bequemlichkeiten geschaffen werden,
die innerhalb der planetaren Grenzen nicht auf die globale Bevölkerung skalierbar
sind. Es genügt also nicht, Produktionen und Dienstleistungen durch Digitalisie –
rung effizienter zu machen, sie müssen auch grundlegend hinsichtlich ihrer Kom –
patibilität mit den nachhaltigen Entwicklungszielen hinterfragt werden.
Digitalisierung führt auch zu Verlust von Resilienz, da
alle digitalisierten Systeme letzten Endes von Strom abhängig sind, und Stromnet –
ze derzeit und in absehbarer Zukunft alles andere als gesicherte Stabilität aufwei –
sen. Gelegentliche beinahe -Black-outs , wie jene in Europa im Jahr 2021, werden
rasch wieder vergessen. Aber dieser Aspekt darf bei der weiteren Entwicklung der
Digitalisierung nicht außer Acht gelassen werden, denn nicht alle elektrischen und
elektronischen Systeme sind kurzfristig durch manuelle oder mechanische ersetz –
bar – man denke nur etwa an Melkmaschinen bei Hochleistungskühen in Massen –
tierhaltungsbetrieben.
Schließlich muss Digitalisierung auch als soziales
System verstanden werden und nicht auf technisch-ökonomische Aspekte redu –
ziert werden (Kostyk & Herkert, 2012). Technologische Neuerungen ziehen soziale
3
13_08 / Klimazielfördernde und klimafreundliche DigitalisierungVeränderungen nach sich, die zwar oft schwer vorhersehbar sind, dennoch aber
in den Blick genommen werden müssen. Dies gilt ganz besonders für die Digitali –
sierung, weil sie das Potential hat, sowohl die physische als auch die psychische
Integrität des Individuums im Guten wie im Bösen zu betreffen, und die gesell –
schaftlichen Strukturen, einschließlich z. B. der Funktionsfähigkeit der Demokratie
und des Bildungssystems völlig umzugestalten.
Dies alles im Blick haltend, soll für die Zwecke dieser
Option im Fokus einer klimazielfördernden Digitalisierungswende, ganz im Sinne
eines systemischen Zuganges, bei dem die Befriedigung von mit Nachhaltigkeit
verträglichen Funktionalitäten, wie angenehme Raumwärme und Zugang zu Per –
sonen, Gütern und Arbeit, im Vordergrund steht (Köppl et al., 2016; Schleicher &
Steininger, 2018), nun die Maximierung der Funktionalität (bzw. Anwendungen) je
Rechenleistung (~Energiebedarf) stehen (Waldrop, 2016). Das ist eine Trendwen –
de weg vom Moore‘schen Gesetz, bei welchem es darum ging, die Rechenleistung
je Computerchip zu maximieren (Moore, 1965).
Der derzeitige Stand der Wissenschaft gesteht Di –
gitalisierung enormes Potenzial zu, um Klimaschutzmaßnahmen zu unterstützen
(Kirchner, 2018; WBGU, 2019). Es gibt aber auch fast einhelligen Konsens darüber,
dass klimazielfördernde Digitalisierung kein Selbstläufer und Heilsbringer ist.
Nebeneffekte und Aspekte, die auch bei Einsatz der Digitalisierung im Sinne des
Klimaschutzes und der Nachhaltigkeit berücksichtigt werden müssen, sind u. a.:
–die Energie- und Ressourcenaufwendung entlang des gesamten Lebenszyklus
der IT-Infrastruktur (Horner, Shehabi & Azevedo, 2016), besonders die öko –
logischen und sozialen Folgen des Rohstoffabbaus (Küblböck, 2015) und des
E-Waste (Baldé, Forti, Gray, Kuehr & Stegmann, 2017; Tsydenova & Bengtsson,
2011), und es somit zu keiner Externalisierung der ökologischen und sozialen
Folgen insbesondere auf den globalen Süden kommt (Lessenich, 2016; Wissen &
Brand, 2017);
–der z. T. starke Rebound -Effekt, da es durch die Effizienzgewinne zu erhöhter
Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen kommen kann (Santarius, 2014;
Sorrell, 2009);
–umfangreiche gesellschaftliche und institutionelle Effekte (virtuelle Dienst –
leistungen beeinflussen z. B. Zeit- und Raumverfügbarkeit; Bedarf nach neuen
Produkten);
–psychologische Verhaltensaspekte von Nutzer_innen digitaler Technologie, z. B.
Smart-Meter (Schultz, Estrada, Schmitt, Sokoloski & Silva-Send, 2015);
–Standardisierung und Datenschutz für die IKT- Infrastruktur (Mo et al., 2012), der
Privatsphäre als wichtiges Menschenrecht betrachtet, aber auch um die Akzep –
tanz in der Bevölkerung herzustellen (Kollmann & Moser, 2016).
Es sei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass auch
wissenschaftlich fundiert argumentiert werden kann, dass Digitalisierung zwingend
mit erhöhtem Ressourcenverbrauch einhergeht, und Erleichterungen oder Effi –
zienzsteigerungen praktisch ausschließlich bei Produktionen und Dienstleistungen
schafft, die an und für sich nicht in Einklang mit einer nachhaltigen Entwicklung
stehen (Paech, 2011). Folgt man dieser Argumentation, müsste bei den folgenden
Maßnahmen sorgfältig geprüft werden, inwieweit dies auch auf diese zutrifft.
4
Von den Optionen zur Transformation13_08.3. Optionenbeschreibung
13_08.3.1 Beschreibung der Option
bzw. der zugehörigen Maßnahmen
bzw. Maßnahmenkombinationen
Um die Potenziale der Digitalisierung für Klimaschutz
zu nutzen und klimafeindliche Entwicklungen der Digitalisierung einzudämmen,
werden begleitende Maßnahmen auf unterschiedlichen Ebenen benötigt. Dazu
zählen steuerliche Instrumente, wie die Einführung eines CO2-Preises (siehe Ref-
NEKP und Option 13.01 zur sozial-ökologischen Steuerreform) oder eine Erhöhung
von Energiesteuern, um den Rebound -Effekt zu dämpfen. Zudem sollten geförder –
te Pilotprojekte gesamtheitlich betrachtet werden (z. B. Lebenszyklus-Betrachtung,
E-Waste ) und soziale Aspekte miteinbeziehen. Da Digitalisierung große Auswir –
kungen auf den Gebäude-, Energie- und Mobilitätsbereich haben wird, finden sich
spezifische Rahmenmaßnahmen im Ref-NEKP auf Seite 49, Informationen, wie
man Digitalisierung als Hebel nutzen kann, ab Seite 59 und ergänzende Maßnah –
men ab Seite 120.
Beispielhafte Maßnahmen zur Nutzbarmachung der
Digitalisierung für den Klimaschutz wären:
Maßnahme 1: Zwingend vorgeschriebene Systembe –
trachtung vor Genehmigung oder Förderung von Digitalisierungsvorhaben (Produk –
te und Dienstleistungen), die jedenfalls umfassen muss
–die Energie- und Ressourcenaufwendung entlang des gesamten Lebenszyklus
der IT-Infrastruktur (Horner et al., 2016);
–die ökologischen und sozialen Folgen des E-Waste (Baldé et al., 2017; Tsyde –
nova & Bengtsson, 2011) und des Rohstoffabbaus (Küblböck, 2015) auch in Hin –
blick auf Externalisierung der ökologischen und sozialen Folgen in Ländern des
globalen Südens;
–eine umfassende Folgenabschätzung einschließlich Ressourcenverbrauch ent –
lang der gesamten Kette in Österreich;
–Resilienzbetrachtungen;
–einen Vergleich mit nicht-digitalisierten Lösungen.
Maßnahme 2: Ausrichtung der Entwicklungsarbeiten
auf eine Maximierung der Funktionalität (bzw. Anwendungen) je Rechenleistung
(~Energiebedarf); transparente Darstellung dieses Parameters und seiner Ermitt –
lung.
Maßnahme 3: Bei der Digitalisierung als Hebel im
Bereich Gebäude muss sichergestellt sein, dass die Automatisierung mit Benutzer –
gewohnheiten kompatibel ist, dass sie durch erneuerbare Energien angetrieben
wird und dass Monitoring stattfindet, das es gestattet, mindestens einmal pro
Jahr Bilanz über die Wirksamkeit der Digitalisierung zu ziehen und gegebenen –
falls Anpassungen vorzunehmen. Diese Berichte müssen den Nutzer_innen und
für Forschungs- und behördliche Zwecke (anonymisiert) zur Verfügung stehen, um
allgemeingültige Schlüsse ziehen zu können, auf denen weiterführende Verordnun –
gen oder Gesetze erlassen werden und Entwicklungsarbeiten basieren können.
Maßnahme 4: Digitalisierung als Hebel im Bereich
Verkehr und Mobilität muss sich an den Zielen der Reduktion des Individualver –
kehrs (z. B. Plattformen für gemeinsame Fahrten, Attraktivierung des öffentlichen
Verkehrs durch verbesserte Realzeit-Fahrplaninformationen), der Reduktion der
Anzahl der Individualfahrzeuge (z. B. durch geeignete Logistik für LKW-, Car-, Bike
5
13_08 / Klimazielfördernde und klimafreundliche Digitalisierungoder Rollersharing), des flüssigeren Verkehrs (z. B. Ampelschaltungen, zeitliche
Abstimmung bei Modalsplit) und des emissionsärmeren Verkehrs orientieren. Neue
Entwicklungen, wie fahrerloses Fahren, müssen ihren Beitrag zur nachhaltigen
Entwicklung im Sinne der Maßnahme 1 klar darlegen, bevor Betriebs- oder Benut –
zungsgenehmigungen erteilt werden.
Maßnahme 5: Als Bedingung für Förderungen von
Digitalisierungsprojekten, soll gelten, dass Lösungen quelloffen publiziert werden
müssen und dass auch darüber hinaus sichergestellt ist, dass keine unfreiwillige
Bindung an einzelne Lieferunternehmen oder Provider entsteht.
Für Details zu diesen und weiteren Maßnahmen sei
hier auf den Ref-NEKP (Kapitel 4.1.3) verwiesen.
a. Beispielhafte Ausgestaltungen einer klimafreundlichen Digitalisierung
Folgende Beispiele dienen zur Veranschaulichung, was einzelne Maßnah –
men zur klimafreundlichen Digitalisierung sein können: Automatisiertes Fah –
ren nur für Zero-Emission -Fahrzeuge und im öffentlichen Verkehr; Design –
vorschriften für Smart-Meter bzw. der Verwendung und Zugänglichmachung
der damit erhobenen Daten, die nachweislich helfen, Energieverbrauch zu re –
duzieren und zugleich die Privatsphäre zu schützen (Monacchi, Elmenreich,
D’Alessandro & Tonello, 2013). Investitionsentscheidungen in intelligente
Stromnetze sollen auf Integration erneuerbarer Energien fokussieren. Geziel –
te Gestaltung der Digitalisierung verhindert Rebound -Effekte.
Im Bereich der Automatisierung besteht ein Potential für automatische Be –
schattung und Belüftung in Gebäuden, welche im Sommer aktiv gekühlt
werden.
b. Beschreibung von potenziellen Konflikten und Systemwiderständen sowie
Barrieren
Einige der vorgeschlagenen Möglichkeiten verbessern zwar die Ökobilanz,
bedeuten aber nicht notwendigerweise einen Komfortgewinn für die Anwen –
der_innen. Unter gewissen Umständen werden Automatisierungen nicht als
Unterstützung, sondern als Kontrollverlust empfunden. Diese Aspekte sind
jeweils im Vorfeld einer Umsetzung abzufragen und gegebenenfalls bereits
in der Konzeptionsphase zum Beispiel durch Informationskampagnen oder
durch ein Systemdesign, welches den Benutzer_innen gewisse Kontroll- und
Einstellmöglichkeiten bietet, entgegenzuwirken.
c. Beschreibung des Transformationspotentials
Die Möglichkeiten, die die Automatisierung und Digitalisierung für den Ener –
gie-, Verkehrs- und Mobilitätsbereich sowie auch für die Arbeitswelt bringen,
haben zwar ein großes Transformationspotential, zeigen unter Beachtung
der wahrscheinlichen Verhaltensänderungen allerdings nur punktuell einen
positiven Beitrag zur Lösung der Klimakrise. Um umfassendere Beiträge zu
erreichen, sind geeignete ergänzende Maßnahmen, wie in dieser Option
dargestellt, notwendig, um einerseits im Sinne von (gesamtgesellschaft –
lich erwünschten) Push -Maßnahmen die Nutzung fossiler Energie deutlich
zu reduzieren oder zu vermeiden (z. B. verpflichtender nichtfossiler Antrieb
automatisierter Fahrzeuge).
d. Umsetzungsanforderung
Die technischen Voraussetzungen für die Umsetzung der Option sind bereits
weitgehend vorhanden. So sind z. B. Smart Meter bereits in vielen Einzel –
haushalten ausgerollt oder eine Installation zur Umstellung ist zumindest
geplant. Neu gebaute oder renovierte Gebäude beinhalten oft ein Gebäude –
automatisierungssystem, welches eine Automatisierung ermöglicht. Daher
6
Von den Optionen zur Transformationsind, vor allem auf der Hardwareseite nur geringe bzw. mit vertretbarem Auf –
wand umsetzbare Systemveränderungen notwendig.
Grundlegende Systemveränderungen ergeben sich aber auf der Software –
seite, da hier notwendige Automatisierungen und Vernetzungen erst zu
schaffen sind. Diese Umsetzung kann durch Förderung von Lösungen auf
Projektbasis beschleunigt werden. Erfolgt dies unter der Bedingung, dass
Lösungen quelloffen publiziert werden müssen, ermöglicht dies wiederum die
Verbesserung und Wiederverwendung der Einzellösungen.
13_08.3.2. Erwartete Wirkungsweise
Durch eine explizit klimafreundlich gestaltete Digita –
lisierung, die soziale Aspekte berücksichtigt, können nicht nur Effizienzziele im
Energie- und Industriesektor, sondern auch andere Ziele wie beispielsweise im
Mobilitäts- und Gebäudebereich erreicht werden und dabei klimafreundliche Ent –
wicklung ermöglicht werden.
13_08.3.3. Bisherige Erfahrungen
mit dieser Option oder ähnlichen Optionen
Klimaschutz und Digitalisierung laufen bisher weitge –
hend nebeneinander her – in der Gesellschaft, in politischen Programmen, in der
Bildung, Forschung und Entwicklung. Digitalisierung wird seit etwa einem Jahr –
zehnt politisch und medial propagiert und gefördert, bisher jedoch in erste Linie
technologiegetrieben: Die Entwicklung folgt eher dem Lösung-sucht-Problem -Mus –
ter als dem Problem-sucht-Lösung -Ansatz. Daher geht die Entwicklung in vielen
Fällen auch in eine nicht nachhaltige Richtung. So wurden z. B. in den letzten
Jahren jeweils über 10 Millionen Drohnen für zivile Zwecke an Händler_innen gelie –
fert (Statista, 2021) – Geräte, die in den allerseltensten Fällen eine Notwendigkeit
darstellen. Selbst im Gebäudebereich, wo Energieeinsparungen durch Digitalisie –
rung propagiert werden, fehlt meist die systemische Betrachtung, die Menschen
und deren Bedürfnisse und Gewohnheiten einbezieht. Daher kommt man allmäh –
lich wieder von übermäßiger Digitalisierung ab.
13_08.3.4. Zeithorizont der Wirksamkeit
Kurzfristig
Eine Zugänglichkeit von Energieverbrauchsdaten
über ein niederschwellig und einfach zu verwendendes Portal würde bereits kurz –
fristig eine Verbesserung des Energiebewusstseins ermöglichen. Eine zusätzlich
installierte Schnittstelle für den Datenzugriff würde auch die Umsetzung von darauf
basierenden Softwarelösungen befeuern.
Mittelfristig
Weitergehende Umsetzungen können mittelfristig am
besten durch Projektförderungen umgesetzt werden, welche zur Bedingung haben,
dass (1) Lösungen zu einer Klimazielfördernde/Klimafreundliche Digitalisierung
beitragen, (2) eine Bewertung in Bezug auf Effektivität versus Overhead/Rebound –
Effekt positiv ausfällt, und (3) die im Rahmen der Förderung erarbeiteten Konzepte
inklusive der darin entstandenen Software unter einer quelloffenen Lizenz ver –
öffentlicht werden. Dies verbessert den Wissensaustausch, reduziert den Aufwand
für Folgeprojekte und motiviert weitere Umsetzungen.
Langfristig
Basierend auf den Ergebnissen der umgesetzten
Projekte ergibt sich langfristig ein Markt für Hardware- und Softwarelösungen, die
7
13_08 / Klimazielfördernde und klimafreundliche Digitalisierungeinerseits den Wirtschaftsstandort fördern und andererseits durch stärkere Integ –
ration eine verbesserte Klimazielförderung erreichen.
Beispiel: Ein Gebäude, welches in der kurzfristigen
Stufe eine geringfügige Energiereduktion durch Echtzeitfeedback an die Nut –
zer_innen erreicht. In der mittelfristigen Stufe wird im Rahmen eines Projekts eine
Abschaltsteuerung von Beleuchtung und Bürohardware umgesetzt. In der lang –
fristigen Stufe werden existierende und neu errichtete Gebäude mit einer automa –
tischen Beschattungs- und Belüftungsautomatik ausgerüstet, welche die Verwen –
dung einer stromfressenden Klimaanlage unnötig macht.
13_08.3.5 . Vergleich mit anderen Optionen,
mit denen das Ziel erreicht werden kann
und Interaktionen mit anderen Optionen und SDGs
Keine andere Option beschäftigt sich mit Digitalisie –
rung aus der Klimaperspektive und daher können die umfassenden Ziele, die mit
dieser Option verfolgt werden, nicht durch eine andere Option erreicht werden.
Allerdings sind einige der hier vorgeschlagenen Maßnahmen zum Teil schon in
anderen Optionen adressiert (z. B. Ökosoziale Steuerreform, siehe Gesamtliste
UniNEtZ -Optionen – hier sind mögliche Querverbindungen gekennzeichnet).
Durch die enge Verknüpfung der Digitalisierung mit
anderen Bereichen, wie Verkehr und Energie, gibt es sowohl Zielkonflikte als auch
Synergien mit anderen Optionen. Die Ökosoziale Steuerreform (Option 13.01) hat
beispielsweise eine positive Wirkung in Bezug auf klimafreundliche Digitalisierung,
da durch sie fossile Ressourcen teurer werden und nicht für eine Digitalisierung
verwendet werden. Das Ziel, Rebound -Effekte durch klimafreundliche Digitalisie –
rung (siehe dazu Option 13_04) zu vermeiden, kann sich positiv auf die Effizienz –
bestrebungen in Option 7_02 auswirken.
An dieser Stelle sei nochmals auf den Ref-NEKP (Kir –
chengast et al., 2019) verwiesen, in dem die klimazielfördernde Digitalisierung im
Gesamtkontext behandelt wird und weitere Optionen und Maßnahmen aufgezeigt
werden.
13_08.3.6 . Bezug zu aktuellen Ereignissen
Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT)
haben in den vergangenen Jahrzehnten eine zunehmend stärkere Rolle in unserer
Gesellschaft eingenommen. Es fehlen allerdings Erfahrungen mit einem bewussten
und breiten Einsatz von Digitalisierung im Rahmen von Klima- und Umweltschutz.
Bisherige Effekte in anderen Bereichen, wie zum Beispiel der Digitalisierung der
Kommunikationsinfrastruktur oder von gerade in der COVID-Krise stark eingesetz –
ten Möglichkeiten zu Telelearning und Online-Meetings, zeigen ein großes Poten –
tial für Klima- und Umweltschutz auf, sofern es gelingt, Effizienzverbesserungen
nicht wieder durch Mehrnutzung ( Rebound ) zu verlieren.
Andererseits haben die beiden beinahe -Black-outs im
Jahr 2021 die Aufmerksamkeit wieder auf das grundlegende Problem mangelnder
Resilienz digitalisierter Systeme gelenkt, ohne jedoch spürbare Konsequenzen
nach sich zu ziehen.
13_08.3.7 . Offene Fragestellungen
Die Förderung technischer Innovation und deren Um –
setzung in Pilotprojekten ist Voraussetzung für die Etablierung neuer digitaler und
Automatisierungstechnologien. Es fehlt bis jetzt aber eine intensivere Auseinander –
setzung mit möglichen unerwünschten Nebeneffekten der Digitalisierung auf Kli –
8
Von den Optionen zur Transformationmaschutz und Nachhaltigkeit, Akzeptanz der Bevölkerung sowie Sicherheitsaspek –
te (Cyber Security ). Die von Nico Paech aufgeworfene grundsätzliche Frage nach
Leistbarkeit von Digitalisierung in einer der nachhaltigen Entwicklung verpflichteten
Welt bedarf weiterer Analysen. Daraus ergibt sich ein breiter Forschungsbedarf in
diesem Feld.
9Literatur
Baldé, C. P., Forti, V., Gray, V.,
Kuehr, R. & Stegmann, P. (2017).
The global e-waste monitor 2017:
Quantities, flows and resources .
Bonn/Geneva/Vienna: United
Nations University (UNU), Interna –
tional Telecommunication Union
(ITU) & International Solid Waste
Association (ISWA). http://ewaste –
monitor.info/ [26.8.2019]
Horner, N. C., Shehabi, A.
& Azevedo, I. L. (2016). Known
unknowns: indirect energy effects
of information and communica –
tion technology. Environmental
Research Letters , 11(10), 103001.
https://doi.org/10.1088/1748-
9326/11/10/103001
Kirchengast, G., Kromp-Kolb,
H., Steininger, K., Stagl, S., Kirch –
ner, M., Ambach, C. et al. (2019).
Referenzplan als Grundlage für
einen wissenschaftlich fundierten
und mit den Pariser Klimazielen
in Einklang stehenden Nationalen
Energie- und Klimaplan für Öster –
reich (Ref-NEKP) – Gesamtband .
Verlag der ÖAW. https://ccca.
ac.at/refnekp [23.4.2020]
Kirchner, M. (2018). Mögliche
Auswirkungen der Digitalisierung
auf Umwelt und Energieverbrauch.
WIFO-Monatsberichte, 91(12),
899–908.
Kollmann, A. & Moser, S.
(2016). Smart Metering im Kontext
von Smart Grids . NACHHALTIG –
wirtschaften Nr. 6/2014. Wien:
Bundesministerium für Verkehr,
Innovation und Technologie.
https://nachhaltigwirtschaften.at/
resources/e2050_pdf/reports/end –
bericht_201406_smart_metering_
im_kontext_von_smart_grids.pdf
[27.8.2019]
Köppl, A., Kettner-Marx, C., Schleicher, S., Hofer, C., Köberl,
K., Schneider, J. et al. (2016).
Modelling Low Energy and Low
Carbon Transformations. The
ClimTrans2050 Research Plan .
Nr. 2016/192/S/WIFO project no:
6814. Wien. https://ideas.repec.
org/b/wfo/wstudy/58890.html
[27.8.2019]
Kostyk, T. & Herkert, J. (2012).
Societal implications of the emerg –
ing smart grid. Communications
of the ACM , 55(11), 34. https://doi.
org/10.1145/2366316.2366328
Küblböck, K. (2015). Interna –
tionale Rohstoffpolitik: vom Roh –
stoffimperialismus zur globalen
Ressourcenfairness? (Österrei –
chische Entwicklungspolitik 2015).
In ÖFSE (Hrsg.), Rohstoffe und
Entwicklung . Wien: Österreichi –
sche Forschungsstiftung für Inter –
nationale Entwicklung (ÖFSE).
https://www.oefse.at/fileadmin/
content/Downloads/Publikationen/
Oepol/Artikel2015/Teil1_01_Re –
source_Governance_kkue.pdf
[27.8.2019]
Lessenich, S. (2016). »Weil wir
es uns leisten können«. Wie und
warum wir über die Verhältnisse
anderer leben. Blätter für deut –
sche und internationale Politik, 61
(11), 91–102.
Mo, Y., Kim, T. H. J., Brancik,
K., Dickinson, D., Lee, H., Perrig,
A. et al. (2012). Cyber-Phys –
ical Security of a Smart Grid
Infrastructure. Proceedings of the
IEEE , 100(1), 195–209. https://doi.
org/10.1109/JPROC.2011.2161428
Monacchi, A., Elmenreich, W.,
D’Alessandro, S. & Tonello, A. M.
(2013). Strategies for domestic
energy conservation in Carinthia
and Friuli-Venezia Giulia. IECON
2013 – 39th Annual Conference of the IEEE Industrial Electronics
Society (S. 4791–4796). Wien:
IEEE. https://doi.org/10.1109/
IECON.2013.6699910
Moore, G. E. (1965). Cramming
more components onto integrated
circuits. Electronics , 38(8),
114–117.
Paech, N. (2011). Nachhaltiges
Wirtschaften jenseits von Innova –
tionsorientierung und Wachstum.
Eine unternehmensbezogene
Transformationstheorie. 2. er –
weiterte und bearbeitete Auflage.
Marburg: metropolis.
Santarius, T. (2014). Der Re –
bound-Effekt: ein blinder Fleck
der sozial-ökologischen Gesell –
schaftstransformationRebound
Effects: Blind Spots in the Socio-
Ecological Transition of Indust –
rial Societies. GAIA – Ecological
Perspectives for Science and
Society , 23(2), 109–117. https://
doi.org/10.14512/gaia.23.2.8
Schleicher, S. & Steininger,
K. W. (2018). Dekarbonisierung
und Carbon Management für
Österreich – Diskussionsbeiträge
für Strategien . Wissenschaftlicher
Bericht Nr. 79–2018. Graz: Wege –
ner Center für Klima und Globalen
Wandel, Karl-Franzens-Universität
Graz. https://wegcwww.uni-graz.
at/publ/wegcreports/2018/WCV-
WissBer-Nr79-SSchleicherKStein –
inger-Nov2018.pdf [27.8.2019]
Schultz, P. W., Estrada, M.,
Schmitt, J., Sokoloski, R. &
Silva-Send, N. (2015). Using in-
home displays to provide smart
meter feedback about household
electricity consumption: A ran –
domized control trial comparing
kilowatts, cost, and social norms.
Energy , 90, 351–358. https://doi.
org/10.1016/j.energy.2015.06.130Sorrell, S. (2009). Jevons’
Paradox revisited: The evidence
for backfire from improved
energy efficiency. Energy Policy ,
37(4), 1456–1469. https://doi.
org/10.1016/j.enpol.2008.12.003
Statista. (2021). Anzahl der
an Händler verkauften zivilen
Drohnen weltweit in den Jahren
2017 bis 2020. https://de.statista.
com/statistik/daten/studie/985932/
umfrage/anzahl-der-an-haend –
ler-verkauften-drohnen-weltweit/
[19.10.2021]
Tsydenova, O. & Bengtsson,
M. (2011). Chemical hazards
associated with treatment of waste
electrical and electronic equip –
ment. Waste Management , 31(1),
45–58. https://doi.org/10.1016/j.
wasman.2010.08.014
Waldrop, M. M. (2016). The
chips are down for Moore’s law.
Nature News , 530(7589), 144.
https://doi.org/10.1038/530144a
WBGU. (2019). Unsere ge –
meinsame digitale Zukunft . Berlin:
WBGU – Wissenschaftlicher Beirat
der Bundesregierung Globale
Umweltveränderungen. https://
www.wbgu.de/fileadmin/user_up –
load/wbgu/publikationen/haupt –
gutachten/hg2019/pdf/WBGU_
HGD2019_Z.pdf [27.8.2019]
Wissen, M. & Brand, U. (2017).
Unsere schöne imperiale Lebens –
weise. Wie das westliche Konsum –
modell den Planeten ruiniert. Blät –
ter für deutsche und internationale
Politik, 62 (5) , 75–82.
Dein Kommentar
An Diskussion beteiligen?Hinterlasse uns Deinen Kommentar!